,,Guten Morgen, Maximilian", waren die Worte, die mich weckten. Ich musterte kurz die Pflegerin, die mir zulächelte und dann meine Zimmertür wieder schloss.
Meine Augenlider wirkten so schwer, dass ich kurz dachte, ich würde wieder einschlafen. Aber der plötzliche Schmerz an meinem Arm erinnerte mich an meine Aktion am Vorabend.
Mühsam setzte ich mich auf und blinzelte die restliche Müdigkeit weg. Dann fiel mein Blick auf den Ärmel meines Hoodies. Vorsichtig schob ich den Ärmel nach oben und zischte immer wieder auf. Dann betrachtete ich mein Werk.
Mein Unterarm war blutverklebt und die Schnitte darunter kaum zu erkennen. Trotzdem brannte es.
Ich drehte meinen Arm und besah ihn mir von allen Seiten. Ich hatte schon schlimmere Schnitte gehabt, keine Frage. Zerknirscht schob ich den Ärmel wieder über meinen Arm und stand auf.
Ich verließ das Zimmer und betrat das kleine Bad daneben. Schnell drehte ich das Schild davor auf "Besetzt" und stellte mich vor das Waschbecken.
Ich riskierte einen Blick in den Spiegel und wandte fast sofort meinen Blick wieder ab. Nein, meine Augenringe, die roten Augen und das hässliche Gesicht konnte ich mir gerade nicht auch noch antun.
Erneut schob ich den Ärmel hoch und drehte dann den Wasserhahn auf. Vorsichtig hielt ich meinen Arm unter den Wasserstrahl und hätte ihn am liebsten sofort zurückgezogen. Brennende Schmerz schoss durch meinen Unterarm während das Wasser eine rötliche Farbe annahm.
Mit der rechten Hand fuhr ich beherzt über das getrocknete Blut und biss mir vor Schmerzen auf die Lippen. Ich hatte den Schmerz danach schon fast vergessen gehabt. Das unerträgliche Brennen. Das Stechen, wenn man über die frischen Schnitte strich. Einfach alles.
,,Aber du musstest dich ja unbedingt daran erinnern...", flüsterte ich genervt durch zusammengebissene Zähne, während ich das Blut abwusch. Die glänzend roten Schnitte kamen immer mehr zum Vorschein und zeigten, was ich gestern getan hatte.
Die meisten waren oberflächliche Schnitte. Es waren die Schnitte, die man sich zufügte um den Schmerz zu spüren. Zwei waren etwas tiefer. Es waren die Schnitte, in die man seine Emotionen und Gefühle fließen ließ. Und einer davon began erneut zu bluten, als ich das Blut abwusch. Es war der Schnitt, den man machte um den Druck abzubauen.
Ich stellte das Wasser ab und betrachtete mein Kunstwerk. Einige hellrote Linien. Und aus einer der Linien floss ein dünnen Blutrinsel und tropfte ins Waschbecken.
Eigentlich waren es keine besonders hässlichen Schnitte. Keiner so tief, dass er einige Minuten geblutet hatte und einen hässlichen Blutbach über meinen Arm gezogen hätte. Keiner nahe der Pulsader. Keiner der irgendeinen Nerv getroffen hatte. Immerhin darüber musste ich mir keine Gedanken machen.
Ich drehte das Wasser erneut auf und hielt meinen Arm darunter. Erneut wusch es das frische Blut ab und machte meine Kunst perfekt. Perfekt. Meine Güte, Mexi, die scheiß Schnitte sind nicht perfekt!
Ich schob den Gedanken beiseite. Die Angst, dass die anderen sie sehen könnten hatte mir die halbe Nacht die Kehle zugeschnürrt. Darüber wollte ich gerade nicht nachdenken.
Ich wartete bis der Schnitt aufhörte zu bluten, dann stellte ich das Wasser erneut ab und versteckte die Schnitte wieder unter meinem Hoodie. Dann verließ ich das Bad und ging zurück in mein Zimmer.
Dort streifte ich mir den alten Hoodie ab und schmiss ihn einfach auf mein Bett. Nach kurzem überlegen griff ich jedoch wieder danach und öffnete meinen Schrank. Ich schmiss ihn zu den anderen getragenen Sachen. Auf meinem Bett konnte ihn jeder finden. Zwar war das Blut vermutlich auf dem schwarzen Stoff schlecht zu erkennen, aber riskieren wollte ich es nicht.
Ich betrachtete den letzten Hoodie, den ich zur Auswahl hatte. Der hellgraue Hoodie mit dem Dino darauf, den Rezo vor kurzer Zeit beim Essen erwähnt hatte. Damit zog ich sicher einige Blicke auf mich. Aber eine andere Möglichkeit hatte ich wohl nicht.
Rezo hatte seinen Hoodie bereits wiederbekommen und außerdem war ich mir nicht ganz sicher, ob der eine Schnitt nicht wieder anfangen würde zu bluten.
Ich streifte mir den Hoodie über, fuhr mir kurz durch die Haare und setzte dann meine Kapuze auf. Dann schloss ich den Schrank und ging zur Tür.
Am liebsten hätte ich mich sofort wieder ins Bett gelegt und den restlichen Tag darüber nachgedacht was ich getan hatte. Oder eher mich dafür fertig gemacht. Aber damit war wohl niemandem geholfen und ich wollte auch nicht das die Pfleger misstrauisch wurden.
Ich betrat seufzend den Flur und wäre beihnahe mit Julien zusammengestoßen, der plötzlich vor mir stand.
,,Mexify", freute er sich, ,,Ich wollte dich grad zum Essen abholen."
,,Seit wann muss ich zum Essen abgeholt werden?", fragte ich verwirrt und schloss meine Zimmertür.
,,Musst du nicht, aber Rewi ist wieder da", Julien grinste über das ganze Gesicht.
,,Ich weiß", antwortete ich stumpf.
,,Wie?", Juliens Gesichtszüge entgleisten und ihm stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. Fast hätte ich gelacht, so komisch sah das aus.
,,Ich hab gestern Abend noch mit ihm geredet", fügte ich hinzu und zwang mich zu einem Lächeln. So ists gut, lass ihn keinen Verdacht schöpfen.
,,Achso", Julien lächelte ebenfalls, ,,Wie cool."
,,Gehts ihm denn gut?", fragte ich und folgte Julien zum Speiseraum.
Dieser nickte:,,Ja."
Als wir den Speiseraum betraten wanderte mein Blick sofort zu unserem Tisch. Rewi und Felix saßen neben Rezo, als wäre der gestrige Tag nicht passiert. Gerade lächelte Felix. Wie konnte die Stimmung des Jungen nur sosehr von der von Rewi abhängig sein?
,,Kommst du?", Julien ging zur Essensausgabe und drückte mir einen Teller in die Hand. Flüchtig griff ich nach einer Scheibe Brot und Käse. Damit folgte ich Julien zu den Anderen.
,,Mexify, auch mal wach?", begrüßte mich Rezo und zeigte auf Rewi, ,,Schau wer zurück ist."
Ich musterte Rewi, der ebenfalls kurz lächelte. Dann setzte ich mich und lächelte:,,Willkommen zurück."
Rewi warf mir einen dankbaren Blick zu. Er hatte ihnen nicht von seinem Zusammenbruch erzählt. Und ich würde es auch nicht.
Ich nickte ihm unmerklich zu und wandte dann den Blick wieder ab. Sei wie Rewi. Versteck was passiert ist. Bitte.
DU LIEST GERADE
Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...