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,,...und dann hat er einfach wirklich eine vier gewürfelt!", beendete Julien seine Erzählung und sah erwartungsvoll zu Rezo, der gerade eine Tortellini mit seiner Gabel aufstießte. Dieser warf mir einen anerkennenden Blick zu.
,,Klingt ja ganz so als müsste ich mal gegen ihn spielen", fügte er hinzu.
,,Der ist unschlagbar", konterte Felix und winkte ab, ,,Hab ich noch nie erlebt."
,,War halt Glück", warf ich reserviert ein. Dieses ganze Gerede von Können und wie gut ich gespielt hatte, nervte mich allmälich. Es war pures Glück gewesen.
Ich schob eine Tortellini auf meinem Teller hin und her und seufzte. Natürlich hatte ich mich irgendwo auch gefreut gewonnen zu haben, aber meine Gedanken hingen dank der Anderen jetzt bei der Frage was Glück war.
Bei meinem Versuch hatte ich kein Glück gehabt und bei einem so dämlichen Spiel dann schon? Manchmal ist die Welt einfach nur ungerecht.
,,Essen, Mexilein", sagte Rewi in dem Moment, ,,Sieger müssen stark bleiben."
,,Ich bin kein Tortellini-Fan", antwortete ich wahrheitsgemäß.
Das letzte mal als ich Tortellini gegessen hatte war bei einem Grundschulfreund zuhause gewesen. Seine Mutter hatte uns die zum Mittagessen gemacht. Zwei Tage später war sie bei einem Autounfall gestorben und mein Freund und sein Vater waren daraufhin weggezogen. Keine schönen Erinnerungen also.
,,Zum Nachtisch gibt es Vanilleeis", Rezo zeigte zur Essensausgabe, ,,Aber nur wenn der Teller leer ist."
Dann sollte ich ihn einfach stehen lassen. Was passiert wenn ich das tue? Aber ich fragte nicht. Die Frage war dumm.
,,Wie war Therapie?", wechselte Julien endlich das Thema.
,,Wie sie halt ist", brummte Rezo, sichtlich genervt vom Thema.
,,Gleich bin ich auch dran", Felix schob seinen Teller in die Tischmitte, ,,Will jemand tauschen?"
,,Bestimmt nicht", sagte Rewi sofort und stellte seinen dazu.
,,Und was machen wir solange?", fragte Rezo und gabelte seine letzte Tortellini auf.
,,Wir könnten raus", schlug Rewi vor und warf einen Blick durch das Fenster. Sofort zog er seinen Vorschlag zurück:,,Fehlanzeige: Es regnet."
,,Was für Eis gibt es nochmal?", lenkte ich schnell ein anderes Thema ein. Ich hatte keine Lust, das Rezo erfuhr, dass ich angeblich Taddl abgesagt hatte.
,,Vanille", beantwortete Julien, ,,Doch Interesse?"
,,Oder auch kein Vanille-Fan?", Felix grinste. Eigentlich nicht.
Aber ich schüttelte den Kopf:,,Vanille geht klar."
,,Dann iss", motivierte mich Rezo. Unsicher kaute ich auf einer Tortillini herum. Wieso machte man die Teller bloß immer so voll?
,,Na komm, ich helf auch", bot Julien an und gabelte sich zwei von meinem Teller.
,,Wer auch sonst", Rewi grinste. Ich nahm eine weitere Tortillini. Sie schmeckten wirklich gar nicht so schlecht, aber die Erinnerungen an meinen damaligen Schulfreund würde ich wohl nie vergessen können.
Vielleicht auch weil er einer der wenigen Freunde gewesen war, den ich in meinem Leben gehabt hatte. Ob ich auch hier gelandet wäre, wenn er nicht weggezogen wäre? Vermutlich schon.
Ich hatte zwar keine wirklichen Freunde gehabt seit der weiterführenden Schule, aber wie sollten sie einen schon von den eigenen Gedanken abhalten?
Ich sah zu Rezo und Julien. Die beiden waren mir irgendwo schon wichtig geworden. Gerade ließ Rezo seine Gabel vor Juliens Gesicht herumsausen:,,Hier kommt das Flugzeug."
,,Immer her damit", Julien grinste und ließ sich mit der Tortillini füttern. Der Anblick war wirklich lustig. Aber keiner der beiden konnte verhindern was ich dachte und fühlte.
Sie halfen mir, indem sie mich zum lachen brachten, aber sie schafften es nicht mich so sehr für das Leben zu begeistern, dass ich bleiben würde.
Mein Blick wanderte zu Rewi und Felix. Beide lachten gerade über Julien, der genüsslich auf der Tortillini herumkaute. Sie waren schon so lange befreundet und dennoch hatte es Rewi auch nicht geschafft, dass Felix für ihn leben wollte. Sonst wäre er wohl kaum mit dem Plan, sich das Leben zu nehmen, abgehauen. Und dennoch wirkten beide unzertrennlich, wenn man sie so sah.
,,Auf zum Nachschub", Rewi stand auf und ich stellte meinen Teller zu den anderen. Dann erhoben wir uns alle und ich folgte ihnen zur Essenausgabe, wo bereits Schalen mit zwei Kugeln Eis drin standen.
,,Ui es gibt sogar wieder Streusel", freute sich Felix und schnappte sich eine Schale. Damit ging er zu einem Metalltisch wo mehrere Schalen mit verschiedenen Streuselsorten standen. Ich nahm mir ebenfalls ein Eis und folgte ihm.
Felix entschied sich gerade für Schokolade. Nach kurzem überlegen entschied ich mich ebenfalls für Schokolade ging dann mit meiner Schale zum Tisch zurück. Dort saß Julien bereits über sein Eis mit bunten Streuseln gebeugt und schob mir den Stuhl zurück.
,,Danke", ich setzte mich und probierte. Für ein Vanilleeis war es gar nicht mal schlecht.
,,Guten Appetit", Rezo setzte sich ohne Schale zu uns.
,,Kein Eis?", fragte ich verwirrt.
,,Vegan", er zwinkerte mir zu, ,,So gut es geht zumindest."
,,Immernoch?", Rewi setzte sich zu uns. Er hatte sich für Krokant entschieden und schob sich gerade eine Portion in den Mund.
,,Er wird das durchziehen", Felix grinste, ,,Bis die Pfleger ihn die Pfleger auf 2 schicken, weil er so abgemagert ist."
,,Ich esse mehr als du", konterte Rezo und sah auffordernd zu Felix.
,,Hab halt nicht so Hunger wie du", Felix verschränkte die Arme, ,,Soll ich auf deiner Diagnose rumreiten?" Es lag ein herausfordernder Unterton in seiner Stimme.
Rezo schüttelte den Kopf:,,Ne danke."
,,Ey, keinen Streit", forderte Rewi sofort, ,,Genießen wir lieber unser leckeres Eis."
,,Tut mir Leid", entschuldigte sich Rezo und stützte den Kopf auf seine Arme, ,,Therapie hat mich echt fertig gemacht vorhin."
,,Versteh ich. War nicht so gemeint", setzte Felix hinzu und lächelte, ,,Wir machen uns doch eh immer übereinander lustig."
,,Stimmt", Julien grinste.
,,Muss wohl, wenn wir nicht weinend im Zimmer verenden wollen", Rewi grinste.
,,Lieber lachend an Gehirnfrost sterben", lachte Julien und prostete uns mit seinem Eislöffel zu.
,,Klingt gut", Rezo grinste und hob seinen Löffel auch wenn kein Eis darauf war.
,,Auf Station 3", Felix folgte dem Beispiel der beiden.
,,Auf das Leben", stimmte Rewi ein und sah dabei kurz zu Felix, Rezo und mir. Auf den Tod. Aber ich sprach es nicht aus.
Stattdessen hob ich meinen Löffel und sagte:,,Auf uns Psychos." 

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Sry, heute nur ein eher langweiligeres Kapitel. Aber kann versprechen, dass die beiden nächsten umso interessanter werden ;)

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