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,,Maximilian", Frau Ohle lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, ,,Deine Station hat mir von deiner Panikattacke vor ein paar Tagen erzählt. Unsere letzte Therapiestunde wolltest du ja nicht wahrnehmen. Möchtest du darüber reden?"
Ich schüttelte den Kopf und musterte weiterhin den Teppich unter meinen Schuhen. Er war noch genauso hässlich wie beim letzten mal.
,,Gut, dann reden wir jetzt über die konkreten Gründen, wieso du diese Einweisung bekommen hast", redete die Psychologin weiter.
Ich schüttelte innerlich den Kopf.
,,Du hast vor etwas mehr als zwei Wochen versucht dir das Leben zu nehmen", sie öffnete eine Mappe und blätterte darin, ,,Wieso hat es nicht geklappt?"
Ich biss mir auf die Lippen.
,,Ich will nicht darüber reden", antwortete ich leise.
Ich will nicht darüber reden, dass man mich nicht sterben lassen hat.
Ich will nicht darüber reden, dass ich zu dumm war um es zu beenden.
Ich will nicht über mich reden.
,,Du bist in dieser Klinik, damit soetwas nicht nochmal passiert."
,,Richtig, beim nächsten mal soll ich ja auch nicht mehr aufwachen!"
,,Also würdest du es wieder versuchen?", sie notierte sich etwas.
,,Wieso nicht?", hakte ich nach.
,,Wie würdest du es versuchen?", sie sah mich an.
,,Es gibt genug Möglichkeiten", sagte ich stumpf.
,,Zum Beispiel?", fragte sie.
Ich stöhnte auf.
,,Ein Zug, eine Brücke, eine Autobahn, eine Klinge, ein zehnter Stock. Ich finde einen Weg", zählte ich auf.
,,Und Tabletten würdest du nicht wieder wählen?", fragte sie.
,,Vielleicht", ich zuckte mit den Schultern.
,,Weißt du wieso dein Versuch gescheitert ist?"
,,Ja, weil meine Eltern mich gefunden haben", ich biss mir stärker auf die Lippen um die Erinnerungen zu verdrängen.
,,Richtig. Glaubst du nicht, das du ihnen wichtig bist?", fragte sie ruhig.
Ich kannte die Frage.
,,Mir ist niemand wichtig. Und ich auch niemandem", ratterte ich meine gewöhnliche Antwort runter.
,,Sonst hätten sie wohl kaum den Rettungswagen gerufen und dich hier eingewiesen", entgegenete sie und spürte Blut im Mund. Aber ich hörte nicht auf mir auf die Lippe zu beißen.
Erst sollte sie aufhören zu fragen. Und ich sollte meine Klappe halten...
,,Wäre ich ihnen wichtig, hätten sies gelassen", ich sah kurz auf und starrte sie wütend an, als wäre sie der Grund, das ich hier war.
,,Das ergibt doch keinen Sinn, Maximilian", sie klang wie eine tadelnde Mutter.
Doch.
Aber ich schwieg. Es reichte mir.
Immer dieselben Fragen.
Wieso wolltest du dich umbringen? Würdest du es wieder tun? Wie geht es dir? Was belastet dich?
Ich hatte diesen Fragen entgehen wollen und sie nicht in Dauerschleife hören wollen.
,,Hast du hier schon Freunde gefunden?", wechselte Frau Ohle das Thema.
Freunde auf Zeit.
,,Man hat mir berichtet, dass du dich gut mit Yannik und Julien von deiner Station verstehst. Offensichtlich bist du auch mit anderen Patienten von Station 4 in Kontakt", griff sie das Thema auf, nachdem sie gemerkt hatte, dass keine Antwort kommen würde.
Yannik. Ich hätte am liebsten aufgelacht. Rezo hieß er, aber solange man mich hier Maximilian nannte, konnte ich eh vergessen, hier ansatzweise verstanden zu werden.
Ich zuckte zusammen und hörte azf mir auf die Lippen zu beißen. Es schmerzte ziemlich und der salzige Geschmack von Blut nervte mich.
Und auf einen Tadel zum Thema "Maximilian verletzt sich selbst" konnte ich gut und gerne verzichten.
,,Naja immerhin warst du heute schonmal etwas gesprächiger als beim letzten mal. Wir machen Fortschritte", beendete sie die Stille erneut.
Fortschritte. Ja sicher.
Sie redete irgendwas von meinet Medikation, dann sagte sie etwas zu meinem nächsten Gespräch bei ihr.
Aber ich sah nur auf meine Fingernägel, die sich um den Ärmel meines Hoodies krallten.
Der Nagellack war das einzige, was mich noch an meinen Versuch erinnerte...
,,Du kannst gehen", riss mich die Psychologin aus meinen Gedanken und ich stand sofort auf.
Ohne ihr in die Augen zu sehen drehte ich mich um und verließ den Raum.

,,Alles okay?", Rezo stand plötzlich neben mir.
,,Hast du hier gewartet?", fragte ich überrascht.
Er nickte und ich nickte ebenfalls auf seine Frage hin.
,,Julien hat Therapie. Wollen wir raus?", er lächelte.
,,Schon wieder?", fragte ich verwirrt.
,,Ja, er hat gerade Konfrontationen mit seiner PTBS, da hat er täglich eine Stunde Therapie", erklärte Rezo und ging in Richtung des Ausgangs der Station.
,,Klingt scheiße", murmelte ich.
,,Wenn du redest, gefällst du mir besser", Rezo lächelte wieder, während ich ihm folgte.
,,Mal schaun wie lange", ich zuckte mit den Schultern.
,,Passt schon", sagte Rezo und klopfte ans Pflegerzimmer.
Frau Tuhn öffnete die Tür und Rezo fragte sie mit einem besonders netten Unterton ob wir raus durften.
Diese sah auf einen Plan, der an der Wand hing und nickte dann.
,,Aber vorher müsst ihr noch eure Medikamente nehmen", sie kam mit zwei Bechern und den Wasserflaschen mit unseren Namen wieder.
Ich betrachtete die Tabletten und schluckte sie dann besonders schnell herunter. Widerlich.
,,Rezo, deine Pflaster müsste ich auch erneuern. Am besten solltest du dafür raus gehen, Maximilian", fügte sie an mich gewandt hinzu.
,,Geht schon", log ich.
,,Nein, du gehst raus", sagte Rezo bestimmt und schob mich bestimmt vor die Tür.
Dann schloss er sich und ich atmete erleichtert aus. Es stimmte schon, so war es besser.
Ich stand etwas verloren im Flur und wartete.
Nach etwa fünf Minuten kam Rezo wieder aus dem Raum und lächelte mich erneut an:,,Können gehen."
Ich nickte.
Er tat mir Leid. Sein Lächeln war nicht echt. Er setzte es nur auf, um mich und Andere nicht sehen zu lassen, wie es ihm wirklich ging.
Ich konnte das nicht.
Immer wenn ich es versuchte misslang es kläglich.
,,Musst nicht lügen", sprach ich es auf dem Weg die Treppe hinunter aus.
,,Wie lügen?", fragte er verwirrt.
,,Dein Lächeln", sagte ich unsicher.
,,Ist ne Angewohnheit", er zuckte mit den Schultern und öffnete die Tür nach draußen.
,,Ist ne scheiß Angewohnheit", ich trat nach draußen.
,,Kann sein", er schloss die Tür und überholte mich, ,,Aber sehr nützlich."
Ich sah ihn fragend an, aber er lächelte nur und ich verstand.
Wenn man es nicht wusste, könnte man denken es ginge ihm gut.
Wow und du bist auch drauf reingefallen. Manchmal bist du wirklich oberdumm Mexi.

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt