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Ich ließ die Tränen einfach zu, die über mein Gesicht liefen. Es war mir egal, ob die Anderen sie bemerkten oder nicht. Ob man mir ansah wie ich zerbrach oder nicht.
Ich hörte den Pflegern nicht zu, ignorierte die Gespräche der Runde und starrte nur auf das Holz vor mir. Wenn ich noch eine Bestätigung gebraucht hatte: Hier war sie. Ein bloßer Satz und Rezo hatte es geschafft mein Herz erneut zu zerschneiden.
,,Dann sehen wir uns nächste Woche", beendete Frau Tuhn die Sitzung. Ohne sie anzusehen stand ich auf und lief in Richtung der Tür.
Ich ignorierte Julien, der etwas zu mir sagte. Ignorierte Rewis Blick, den er mir hinterherwarf. Ignorierte Felix Frage, die ich kaum wahrnahm. Nur Rezo ignorierte ich nicht.
Als ich an ihm vorbeiging, warf ich ihm einen kurzen Blick zu. Blickte noch einmal in seine kalten blauen Augen, die mich kurz musterten. Aber die Wärme darin war verschwunden.
Mühsam löste ich mich von der verschwommenen Sillouhette und ging an dem blauhaarigen Jungen vorbei zum Flur. Dann lief ich diesen mit schnelleren Schrittn entlang und spürte wie ich fröstelte.
Ich hatte gewusst, dass ich Rezo verletzt hatte und er mich hasste. Aber seine Worte taten dennoch weh. Es war schlimmer wie seine Ignoranz zu spüren. Schlimmer als die Unwissenheit, ob er mich wirklich so sehr hasste. Es bestätigte nur, dass ich jetzt wirklich gehen musste.
Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer und ließ mich kraftlos auf mein Bett sinken. Durch den Schleier aus Tränen starrte ich an die Decke und wünschte mir nur nicht mehr hier zu sein. .Seine Worte waren schlimmer als die meiner Eltern gewesen. Schlimmer als jede Therapiesitzung. Sie schmerzten mehr als jede Klinge, die ich mir je über die Haut gezogen hatte. Es war kein körperlicher Schmerz und dennoch schien er mein Herz zu erdrücken. Jedes einzelne seiner Worte schnitt tiefer als jeder je getaner Schnitt. Und es gab kein Pflaster, keine Naht, die diese Schnitte je heilen könnte.
Ich setzte mich auf und zog ruckartig die Ärmel meines Hoodies nach oben. Dann betrachtete ich die Pflaster auf meinen Arm.
Man kann seine scheiß Schnitte nicht ungeschehen machen!
Die plötzliche Wut, die mich packte zog sich wie Gift durch meinen Körper. Wütend griff ich nach einem der Pflaster und knibbelte eine Ecke von meiner Haut.
Man kann nicht verstecken, was man sich angetan hat!
Mit aller Kraft riss ich das Pflaster von meiner Haut und biss mir vor Schmerz in den Stoff meines Hoodies. Zwei Tränen tropften auf meine Haut und ich betrachtete die Schnitte, die zum Vorschein gekommen waren.
Du bist so dumm, scheiß Mexify!
Ich griff nach dem nächsten Pflaster und zog daran.
Du hast dir alles kaputt gemacht!
Ich sog scharf die Luft ein, als sich das Pflaster ruckartig von meiner Haut löste und der Schmerz sich durch meinen Arm zog. Die Schnitte darunter waren dunkel und verheilten bereits. Ich griff nach dem nächsten Pflaster und zog es mir von der Haut. Erneut brannte der Schmerz, als es sich von dieser löste.
Das hat dir alles kaputt gemacht!
Ich starrte auf den tiefen Schnitt, der ebenfalls zu heilen begonnen hatte. Ich wischte mir über die Augen und schluchzte.
Scheiß Schnitt!
Ich sah mich im Raum um.
Du hast überhaupt kein Mitleid verdient!
Ich stand auf und ging zum Tisch auf dem noch die Wasserflasche stand, die Rezo mir nach meinem einen Zusammenbruch mitgegeben hatte.
Wieso hatte Julien überhaupt versucht meine Schnitte zu verstecken? Es machte nicht ungeschahen, was passiert war. Sie waren der Grund weswegen ich meine letzte Hoffnung auf ein halbwegs normales Leben vergessen konnte.
Weil du so verdammt dumm bist, Mexi!
Ich griff nach der Flasche und schraubte den Deckel ab. Kurz betrachtete ich das gerillte Plastik, dann setzte ich die raue Kante an dem heilenden Schnitt an und drückte ihn auf diesen. Sofort schoss Schmerz durch meinen Arm, als ich begann die heilende Haut abzukratzen. Die dunkelrote Kruste wich hellrotem Blut, dass darunter hervorschimmerte.
Ich spürte wie sich erneut Tränen in meinen Augen bildeten. Vor Schmerz und vor Hass. Erst als der Deckel hellrote Schlieren auf der Haut neben dem Schnitt hinterließ, hielt ich inne und betrachtete den Schnitt, den ich aufgekratzt hatte. Es bildeten sich kleine Blutstropfen auf dem Schnitt und wuchsen zu größere zusammen.
Ich legte den Deckel zur Seite und drehte meinen Arm. Es war kein Schnitt, aber es schmerzte dennoch.
Das ist was du bist!
Ich wischte mir die Tränen aus den Augen. Ja, vermutlich war ich das. Nicht mehr und nicht weniger. Nur ein scheiß Psycho, der sich lieber ritzte und Schmerzen zufügte, statt Freunde zu haben.
Du bist so scheiße dumm...
Ich betrachtete das frische Blut, dass sich jetzt über den ganzen Schnitt zog. Ich griff nach dem nächsten Pflaster und knibbelte es von der Haut.
Mehr als das werde ich nie sein...
Dann zog ich es mir kraftvoll von der Haut und zuckte vor Schmerz zusammen. Ich zitterte und ballte meine Hand zur Faust, woraufhin sich zwei Tropfen aus dem Schnitt lösten und langsam über meinen Arm liefen. Ich ließ meinen Arm auf den Tisch sinken und betrachetet die Blutlinien auf meinem Unterarm.
,,Wow, selbst an deinem letzten Tag, ohne Klingen, musst du dir etwas antun", flüsterte ich und ignorierte den bitteren Beigeschmack, ,,Wie armselig kann man sterben..."
Ich griff nach dem letzten Pflaster am linken Arm und zog es mir von der Haut, ehe das Blut sie erreichte. Jetzt betrachtete ich alle Schnitte. Die meisten verheilten bereits sehr gut. Aber es war egal, ob sie es taten oder nicht.
Ich griff nach dem ersten Pflaster am rechten Arm und ignorierte das Blut, das weiter über meinen Arm lief bei der Bewegung. Mit etwas mehr Kraft riss ich das Pflaster von der Haut und zitterte, als sich der Kleber von der Haut losriss und rote Stelle zwischen den Schnitten hinterließ.
Julien hatte mir helfen wollen, aber das war ich nicht. Auch wenn er es versucht hatte, niemand konnte verstecken, dass ich mir hier drinnen etwas angetan hatte. Auch Pflaster belügen also nur...

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt