,,Erzählt doch mal von zwei", wechselte Taddl schließlich das Thema und setzte sich gegenüber von uns auf die Bank, ,,Ist es da wie immer?" Er öffnete seine Jackentasche, kramte seine Zigaretten heraus und holte zwei heraus.
,,2 war schon immer scheiße", meinte Rezo etwas genervt. Er warf Taddl einen herausfordernden Blick zu. Offenbar schien er immernoch ungern drüber zu reden.
Aber Rewi antwortete trotzdem:,,Denke es ist wie immer. Nervige Pfleger, Medikamente, jeden Tag schreit wer rum, jeden Tag muss wer fixiert werden... das übliche halt."
Auch Felix zuckte mit den Schultern:,,Man hat sich ziemlich schnell dran gewöhnt, denk ich."
Taddl nickte, bevor er zu mir sah und mir eine der Zigaretten fragend entgegenhielt. Sofort stand ich auf und griff danach, als er sie mir angezündet hatte. Gerade schien ich es mehr denn je zu brauchen meinen Kopf frei zu bekommen.
,,Du rauchst?", fragte Rewi und grinste, ,,Hätt ich dir nicht zugetraut."
,,Ab und zu", lenkte Rezo ein, als ich mich neben ihn setzte.
Ich nahm einen tiefen Zug und blies dann den widerlich schmeckenden Rauch aus. Ich schloss die Augen und atmete tief durch.
Ich erinnerte mich an meinen ersten Zug vor knapp zwei Jahren. Es war mitten in der Nacht gewesen und ich hatte getrunken. Allein auf einer Brücke. Irgendwie hatte ich wohl gehofft mir den nötigen Mut antrinken zu können um zu springen. Aber damals war ich noch unentschlossen gewesen ob ich Leben wollte oder nicht. Der Alkohol hatte mich auch nicht überzeugt es zu tun.
Stattdessen war ich mehr oder weniger elegant durch die Straßen gelaufen, bis ich an einer Hauswand zusammengebrochen war. Ich hatte viel geweint in der Nacht, auch wenn es mir damals nicht mal ansatzweise so schlecht gegangen war wie heute. Und dann hatte mich der Mann gefunden. Einen heulenden nach Alkohol riechenden Jungen, der allein an einer Hauswand gesessen hatte. Theo, so hatte er sich genannt. Theo war obdachlos gewesen und hatte mir ohne zu fragen eine Zigarette hingehalten. Ohne es zu überdenken hatte ich danach gegriffen und meinen ersten Zug genommen. Und als ich wieder klarer im Kopf war, war der Mann auch wieder weg gewesen.
Er hatte nicht die Polizei gerufen, hatte mich nichts gefragt, hatte nicht versucht zu helfen, sondern mir nur eine Zigarette gegeben und war gegangen. Und bis heute konnte ich mich an diese Nacht erinnern. Daran, dass der Geschmack mir die Tränen genommen hatte. Daran, dass der Rauch mir die Gedanken genommen hatte. Daran, dass die innere Ruhe mich beruhigt hatte. Als ich nicht bereit gewesen war zu springen, hatte man mir keine Hilfe geschickt, sondern mir eine Möglichkeit gegeben mit meinen Gedanken klarzukommen. Zumindest in dieser Nacht. Ich wusste sogar noch wie ich irgendwann aufgestanden war und erstaunlich zügig nach Hause gelaufen war. Wie ich es ohne Mühe geschafft hatte ins Haus zu kommen. Und wie ich danach bis zum Sonnenaufgang im Bett gelegen hatte mit den Gedanken, dass ich irgendwann doch springen würde.
Vielleicht hatte ich damals nicht ganz Recht gehabt, denn aus der Brücke waren Tabletten geworden. Aber in jener Nacht hatte mein Kopf wohl für sich entschieden, dass er irgendwann bereit sein würde aufzugeben, ohne das ich selbst es gewusst hatte.
Danach hatte ich immer wieder Zigaretten von älteren Mitschülern abgekauft, bis ich erwischt worden war und ein Gespräch mit dem Vertrauenslehrer bekommen hatte. Daraufhin hatte ich nur noch einmal im Monat geraucht. Bis zu meinem Versuch...
,,Und wie ist es wieder auf 4 zu sein?", Taddls Frage riss mich aus meinen Erinnerungen und ich sah zu Rewi, der sich entspannt auf der Bank ausgestreckt hatte.
,,Herrlich. Dank Mark habe ich Ausgang zum Pavillon. Dank Felix den besten Zimmernachbarn den es gibt. Und dank euch wieder gute Unterhaltung."
Julien rollte mit den Augen:,,Wir sind gerne deine Comedyshow."
,,Ich werd euch schon noch genug unterhalten", Rewi lächelte verheißungsvoll und zwinkerte Taddl zu.
,,Zum Glück nicht wieder auf 4", Taddl zwinkerte zurück, ,,Das Drama muss ich nicht nochmal haben."
,,Ich bin eben eine Dramaqueen", konterte Rewi und fuhr sich durch die Haare.
,,Frau Haselmann ist jetzt zu 1 gewechselt wegen dir, Rewi", erzählte Taddl wieder etwas ernster, ,,Die ist immernoch total fertig."
Rewi zuckte mit den Schultern:,,Ist kein Ponyhof hier."
,,Willst du dich nicht wenigstens entschuldigen? Das können die bestimmt arangieren", fragte Rezo jetzt und sah interessiert zu Rewi.
Aber dieser schüttelte sofort den Kopf:,,Wieso soll ich mich für etwas entschuldigen, wofür ich nichts kann?"
Keiner antwortete. Ich nahm einen weiter Zug. Irgendwie hatte Rewi nicht unrecht. Wenn er so handelte, wie er gehandelt hatte, war er definitiv nicht er selbst gewesen. Und er war hier, damit man ihm damit half, oder nicht?
,,Deine Entscheidung", sagte Julien schließlich versöhnlich, ,,Du weißt ja jetzt wo sie zu finden ist."
,,Die kleinen Kinder werden bestimmt eher handgreiflich als ich", Rewi verschränkte die Arme.
,,Mag sein. Es sollen da viele mit starkem Autismus sein", erzähle Felix.
,,Wir sollten wieder rein", Rezo sah zu Rewi, ,,Du hast fünfzehn Minuten bekommen. Ehe du die doch verlierst."
Dieser nickte und stand auf:,,Bald sinds schon mehr."
,,Na dann", brummte Julien und hievte sich hoch. Ich drückte meine Zigarette aus und schmiss sie in den Mülleimer, bevor ich mich der Gruppe anschloss. Rezo stand ebenfalls auf und ging zu Taddl.
,,Wann ist Luca mal wieder draußen?", fragte er mit gesenkter Stimme. Ich blieb stehen und mein Blick wanderte interessiert zu den beiden. Wer war Luca?
Taddl sah an Rezo vorbei, beachtete mich aber nicht, sondern sah wieder fragend zu Rezo.
,,Wozu, Rezo?", in seiner Stimme klang ein verunsicherter Unterton. Rezo erwiderte seinen Blick:,,Das übliche."
Taddl biss sich auf die Lippen und wirkte mit einem mal sehr unsicher.
,,Du hast gesagt, dass du es lässt", in seine Augen trat ein fast flehenden Ausdruck, ,,Bitte Rezo, ich..."
,,Und ich habe dir etwas versprochen", unterbrach ihn Rezo und senkte die Stimme noch mehr, ,,Vertrau mir bitte."
Taddl wollte etwas sagen, aber schließlich seufzte er nur und atmete tief durch. ,,Ich sage Luca, dass du morgen früh hier bist", gab er nach, bevor er wieder seufzte und Rezo leise etwas ins Ohr flüsterte, was ich nicht verstand.
Rezo nickte nur und drehte sich dann zu uns um.
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...