Ich schloss meine Hand fester um die Tabletten in meiner Hand und atmete tief durch, bevor ich Rezo nach draußen folgte. Die Luft war so kühl, dass ich fast erwartete Rauchwolken aufsteigen zu sehen.
Instinktiv drückte ich meine Arme noch mehr an meinen Körper uns musterte die kahlen Sträucher neben der Tür. Lediglich ein kleiner Baum trug noch gelbe Blätter. Waren sie nicht beim letzten mal noch hellgrün gewesen?
Manchmal hatte ich das Gefühl die Zeit hier würde nicht verstreichen, aber jedes mal waren es kleine Momente die mich erinnerten wie lange ich schon hier war.
Mein Blick schweifte zum Pavillion und sofort atmete ich erleichtert aus. Weder Taddl noch Luca saßen dort, die Bänke waren leer. Zumindest vorerst.
Rewi und Julien hatten sich bereits auf den Weg zu diesen gemacht, während Felix durch das Laub auf einer der kleinen Grünflächen schlurfte und nachdenklich das bunte Laub unter seinen Füßen betrachtete.
Kurz wollte ich irgendwas dämliches zu ihm sagen, schluckte die Worte dann jedoch herunter. So gedankenverloren wie er die Blätter musterte schien jedes Wort fehl am Platz zu sein. Viel mehr erinnerte er mich an einen kleinen Jungen, der am liebsten lachend durch das Laub gesprungen wäre, hätte man es ihm nicht verboten.
Ich riss mich von Felix Anblick los und musterte Rezo, der genauso gedankenverloren die kahlen Äste der Sträucher musterte. Allerdings schien er nicht so sehr in seinen Gedanken gefangen zu sein wie Felix.
,,Ich vergesse manchmal, dass es fast Winter ist", murmelte ich und beobachtete Rezos Reaktion.
,,Ja, wenn man die Welt einmal aus den Augen verliert, dreht sie sich erschreckend schnell", er nickte und musterte ein orangenes Blatt, dass sich gerade über seinem Kopf löste und vor seinen Schuhen auf den Boden fiel. Dann bückte er sich und hob es auf. Interessiert drehte er es in seiner Hand und sah dann wieder zu mir.
,,Ist schon komisch zu wissen, dass dieser Herbst nicht mehr hätte sein sollen, nicht wahr?", er lächelte kurz, aber die eigentlichen Worte sickertern dennoch zu mir durch. Du spielst auf meinen Suizidwunsch an. Auf meinen Versuch und wie du mich mit der Klinge gesehen hast, bereit es zu beenden.
Ich nickte zögernd und ging dann an ihm vorbei zum Pavillion, wo Rewi und Julien gerade lachend nebeneinandersaßen. Rezos Worte hallten in meinen Kopf wieder. Wieso musste er mich jetzt daran erinnern?
Ich ließ mich auf der Bank gegenüber von Julien und Rewi nieder. Dann zog ich die Beine an den Körper und fröstelte. Wieso lässt man depressive Jugendliche ohne Jacke nach draußen und kleine tobende Kinder nicht? Aber vielleicht war das auf Station 1 auch anders.
Wieder wanderte mein Blick zu Felix, der wie Rezo ein Blatt aufgehoben hatte und es nachdenklich musterte. Ich war fast erwachsen und saß hier fest. Wie musste es da für ihn gewesen sein als Kind an einen solchen Ort gebunden aufzuwachsen?
,,Ey Mexify", riss mich Rewi aus den Gedanken und ich wandte meinen Kopf in dessen Richtung, ,,Was ist deine Lieblingsjahreszeit?" Etwas verwirrt hob ich eine Augenbraue. Lieblingsjahreszeit?
,,Also ich mag Winter am liebsten", erklärte Julien, ,,Und Rewi mag Sommer lieber. Was ist deine Meinung dazu?" Jetzt lagen beide mit fragenden Blicken auf mir.
,,Ähm", murmelte ich nachdenklich und versuchte zu ergründen, welche Jahreszeit ich am liebsten mochte. Darüber hatte ich mir nie wirklich Gedanken gemacht. Aber den Winter konnte ich sofort ausschließen. Er war kalt und schneien tat es sowieso nie. Außerdem war der Winter so dunkel, dass ich kaum Zeit hatte meinen Gedanken zu entfliehen.
Und den Sommer mochte ich auch nicht sonderlich. Es war warm und ich hatte die Möglichkeit mich zwischen Hoodie und vernarbten Armen zu entscheiden.
Der Herbst war am Ende auch nicht besser als der Winter. Vielleicht ein wenig bunter, aber er war dennoch der Vorbote des Winters. Ist Frühling dann meine Lieblingsjahreszeit?
,,Ich denke Frühling", ich zuckte unsicher mit den Schultern.
,,Also genau in der Mitte", stellte Julien fest. Ich nickte.
Im Frühling war es nicht zu warm und nicht zu kalt. Vielleicht war das auch einer der Gründe, weswegen ich versucht hatte den letzten Frühling noch zu leben, bevor ich Ende des Sommers gescheitert war. Wobei ich am Ende ja dennoch noch hier stand und auf den nächstem Frühling zulebte. Wollte ich den überhaupt erleben?
Der Gedanke war merkwürdig. Zum einen hieß es, dass ich einen weiteren Winter vor mir hatte. Und zum anderen hieß es, dass ich bleiben müsste um ihn zu erleben.
,,Ich glaub Felix mag den Herbst", Rezo ließ sich neben mir nieder und nickte zu dem braunhaarigen Jungen. Ich folgte seinem Blick und musste lächeln, als ich sah wie Felix mehrere Blätter in der Hand hielt und damit eine Farbpalette bildete. Grüne, gelbe und rote Blätter hatte er bereits gesammelt.
Rewi nickte:,,Hat er letztes Jahr auch gemacht. Ich glaube es ist ein Teil der Kindheit die er nie hatte." Es schwang eine Spur Traurigkeit darin mit. Aber es passte zu meinen Gedanken.
Felix hatte als Kind viel Zeit in der Klinik verbracht. Wie viel er dort Kind hatte sein können wusste vermutlich nicht einmal er selbst.
Gerade als ich den Blick abwenden wollte, hörte ich wie hinter mir eine Tür ins Schloss fiel und drehte mich um. Sofort zuckte ich zusammen, als ich Taddl aus der Tür von Station 4 treten sah. Ardy und Luna folgten ihm und grinsten genauso sehr wie der Blauhaarige.
,,T", Julien stand auf und ging diesem entgegen. Dann umarmte er ihn:,,Wie gehts?"
,,Hi Ju", dieser erwiderte sie und lächelte, ,,Gut und euch?"
,,Auch", beantwortete Julien und begrüßte Ardy und Luna mit einem Lächeln, ,,Und euch beiden?"
,,Alles top", antwortete Ardy sofort und streckte seinen Daumen nach oben. Dann legte er einen Arm um Luna und diese musste sofort lächeln. Gemeinsam gingen die vier zu den Bänken und ließen sich auf der Bank zwischen uns nieder.
,,Hi Mexi, Rewi und Rezo", begrüßte uns Ardy, als er neben Luna saß, ,,Lange nichts von euch gehört."
,,Ebenfalls", bemerkte Rewi und lächelte, ,,Ihr habt lange nichts von euch hören lassen."
,,War nicht so leicht mit der vielen Therapie", erklärte Ardy, ,,Aber kann ja nur besser werden, ne?"
Kann es das?
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...