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,,Du hast echt super gespielt", Felix klopfte mir auf die Schulter und ging an mir vorbei durch die Glastür zu unserer Station.
,,Das stimmt", pflichtete Rezo ihm bei und lächelte.
Ich erwiderte es kurz:,,Danke." Dann betrat ich hinter ihm die Station.
,,Gehen wir gleich noch raus?", fragte Julien und fuhr sich durch die Haare. Sie waren teilweise noch nass vom Schweiß.
Rezo sah zu Felix und mir:,,Von mir aus. Kommt ihr auch mit?"
Felix schüttelte den Kopf:,,Hab gleich Therapie."
,,Jetzt schon?", Rezo sah ihn mit gerunzelter Stirn an, ,,Solltest du nicht erstmal ankommen?"
,,Es geht um Rewi", murmelte Felix kurz angebunden.
,,Willst du nicht vorher noch duschen?", fragte Rezo, als Felix ohne ein weiteres Wort in den Flur zu den Therapieräumen abbog.
,,Muss nicht", sagte dieser nur und ging einfach weiter.
Ich sah ihm verständnislos nach. Manchmal verstand ich Felix einfach nicht.
,,Das mit Rewi setzt ihm immer noch zu", vermutete Julien. Rezo nickte und blieb dann vor seinem Zimmer stehen.
,,Aber du kommst oder Mexify?", er musterte mich.
,,Denke", antwortete ich. Wirklich Lust raus zu gehen hatte ich nicht, aber etwas anderes hatte ich auch nicht zu tun.
,,In einer halben Stunde?", schlug Julien vor. Ich nickte und ging den Flur weiter zu meinem Zimmer.
Ich betrat es, schnappte mir mein Handtuch aus meinem Schrankabteil und eine neue Jogginghose und T-Shirt. Damit verließ ich es wieder und betrat dann eines der Bäder.
Außer einer Toilette, einem Waschbecken und einer Dusche gab es hier nicht viel. Abschließen konnte man auch nicht wirklich, zumindest nicht so, dass man nicht direkt hineinkommen konnte, wenn es sein musste.
Ich zog mir die Stulpen von den Armen und entkleidete mich dann ganz. Dann stellte ich mich unter die Dusche und drehte das Wasser auf. Zuerst kaltes, dann angenehm warmes Wasser prasselte auf meinen Körper und ich schloss die Augen. Es tat gut.
Die Sporttherapie war wirklich nicht schlecht gewesen. Ich hatte sogar ein Tor geschossen. Und das hatte mich kurz wirklich zum Lächeln gebracht, als Rezo mich euphorisch umarmt hatte.
Wir hatten gewonnen. 5:4. Ganz knapp und mein Tor war entscheidend gewesen. Es hatte mich kurz daran erinnert, dass es einen Sinn hatte, dass ich noch hier war. Nur für einige Sekunden, aber dieses Gefühl hatte ich lange nicht mehr gefühlt. Und dennoch wusste ich, dass es ein Trugbild war. Ich mochte das Gefühl, ja. Aber es war kein Gefühl für die Ewigkeit.
,,Dein Sinn ist es sich umzubringen...", flüsterte ich und fuhr mir durch die Haare.
Es versetzte mir einen Stich. Rezo und Julien und irgendwo auch Felix waren sehr nett. Aber ich würde sie enttäuschen müssen. Ich würde sterben. Ein Versuch war gescheitert und doch gab es noch so viele Möglichkeiten.
Ich öffnete meine Augen wieder und drehte den Hahn für das Wasser nach rechts, bis eisige Kälte mich ergriff. Ich holte tief Luft, als das kalte Wasser über meinen Körper lief und ich musste dem Drang aus der Dusche zu springen widerstehen.
Sterben, Mexify. Nicht leben. Das Leben ist nicht warm. Es ist kalt. Es will dich umbringen. Es will nicht das du lebst.
Ich spürte wie mein Körper vor Kälte zu zittern began.
Halt die Kälte aus, wenn du kannst. Ertrag doch das Leben. Kannst du?
,,Ich kann", keuchte ich und biss die Zähne zusammen.
Ach wirklich. Kannst du?
,,Ja", flüsterte ich.
Du gibst wirklich nicht auf? Nach all den scheiß Schnitten? Nach deinem dummen Versuch? Rezo und Julien? Sie werden dich fallen lassen. Lass du sie zuerst fallen? Oder erträgst du die Kälte, das Leben?
,,Ich kann das", sagte ich leise und kniff die Augen zusammen. Es war so kalt.
Du bist schwach Mexify. Zu schwach. Und schwache Menschen bringen sich um!
Ich stürzte aus der Dusche und starrte in den Spiegel vor mir. Sofort wandte ich den Blick ab und stellte die Dusche aus. Mein ganzer Körper zitterte und ich sah mich nach dem Handtuch um. Ich hob es auf und schlang es um meinen Körper. Gott war das kalt.
Mein Spiegelbild war schrecklich gewesen. Ich hasste mein Gesicht. Ich hasste meine Haare, meine traurigen Augen. Alles. Wie konnte man es nur ertragen mit mir zusammen etwas zu unternehmen?
Ich trocknete mich grob ab und schlüpfte dann in meine Klamotten. Aber die Kälte verschwand nicht. Ich zitterte immernoch.
Schnell verließ ich das Bad, verschwand in meinem Zimmer und schmiss mich aufs Bett. Ich fuhr mir durch die nassen Haare und biss mir auf die Lippen.
Jetzt sterben. Ich wollte jetzt sterben. Nicht länger ertragen wer ich war.
Ich stand auf, suchte nach meiner alten Jogginghose, kramte die Tabletten hervor und betrachtete sie in meiner zitternden Hand.
Nimm sie.
Aber ich starrte nur darauf. Es waren zu wenig. Zu wenig um zu sterben. Also schloss ich die Hand und drückte sie zusammen.
Wieso waren es nicht mehr? Wieso war ich hier? Wieso nicht zuhause? Dort gab es genug Tabletten. Dort gab es verdammte Klingen, die mich Schmerzen spüren ließen wenn ich wollte. Ich hatte es vermasselt. Ich war hier und nicht dort. Dort wo ich es beenden könnte. Jetzt.
Ich schlug meine Hand gegen das Holz des Schrankes und zuckte erschrocken zurück. Es schmerzte und ich öffnete die Hand. Die Tabletten fielen auf mein Bett und ich steckte sie schnell in meine Hosentasche. Aber der Schmerz blieb und ich versuchte ruhig zu atmen, bis er weniger wurde.
Dummer Mexify! So dumm!
Jetzt saß ich hier, wollte sterben und konnte nicht. Ein zitternder, vor Schmerzen fast weinender schwacher Junge.
Wow Mexify, du hast es echt geschafft.
Ich wollte weinen. Ich wollte so gerne weinen. Aber ich tat es nicht. Ich saß nur da, hielt meine schmerzende Hand und zitterte.
Es war nichtmal kalt. Aber irgendwie konnte ich nicht aufhören zu zittern. Mein ganzer Körper bebte. Und dieses Gefühl der Machtlosigkeit zerfraß mich. Es ließ mich dort so sitzen ohne mir eine Lösung, einen Ausweg zu bieten.
Du bist allein, Mexify. Akzeptier es.
Und du stirbst allein. Akzeptier es.

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt