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,,Was fühlst du denn?", fragte Rezo und musterte mich, ,,Wenn du sagts, dass ich mich belüge: Was fühlst du?"
Seine Stimme hatte einen merkwürdig herausfordernden Ton. Ich sah auf den dunklen Boden und schwieg. Wenn ich das nur wüsste. Gib mir eine Klinge und ich beschreibe es dir.
Bei dem Gedanken zuckte ich zusammen. Nein. Gerade wollte ich mir nichts antun. Gerade wollte ich nur versuchen zu beschreiben was ich fühlte.
,,Schmerzen", antwortete ich schließlich und musste kurz lächeln. Es war ein trauriges Lächeln und mir war bewusst, dass es niemand außer mir sah. Aber es passte zu dem was man fühlte, wenn man sich etwas antat.
Felix lachte kurz auf:,,Poetisch bist du nicht, Mexify." Ich sah in seine Richtung und setzte mich in den Schneidersitz. Stimmt, war ich nicht. Aber es war nunmal das einzige Wort das beschrieb was ich fühlte.
Wieder legte sich eine schwere Stille über den Raum und ich stützte meine Arme auf den Knien ab. Dann stützte ich meinen Kopf darauf und sah aus dem Fenster. Irgendwo war ein heller Punkt in der Dunkelheit auszumachen. Vermutlich ein Stern.
,,Was wollt ihr eigentlich mal werden?", fragte Rewi plötzlich, ,,Ich meine so beruflich?"
Julien war der erste, der ohne zu zögern antwortete:,,Youtuber, was sonst?" Er lachte und die anderen fielen kurz mit ein.
Dann wurde seine Stimme etwas ernster:,,Nein im Ernst: Irgendwas mit Kunst."
Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und folgte meinem Blick in den nächtlichen Himmel:,,Irgendwas wo ich machen kann, was ich will."
,,Zeichnen kannst du ja", kommentierte Rewi, ,,Du zeichnest doch noch, oder?"
Julien nickte:,,Klar."
,,Find ich cool", Rewis Stimme klang ehrlich erfreut darüber und ich musste kurz lächeln.
Es musste cool sein, etwas gut zu können. Und es musste cool sein ein Ziel im Leben zu haben.
Was ist dein Ziel? Ich überlegte kurz, aber es überraschte mich kein bisschen, das sich nur Leere in meinen Kopf schob. Es war die traurige Wahrheit: Ich hatte kein Ziel im Leben.
War Sterben ein Ziel? Konnte etwas ein Ziel sein, was unausweichlich eintraf? Die Frage war schwer.
Ehe ich weiter nachdenken konnte ergriff Felix das Wort:,,Ich will Psychologe werden. Aber für Kinder."
,,Wieso das denn? Reicht es dir nicht selbst ein Psycho zu sein?", fragte Rezo mit der gleichen herausfordernden Stimme wie zuvor.
Aber Felix ging nicht auf den bissigen Unterton ein:,,Ich denke es hätte mir als Kind sehr geholfen einen Psychologen zu haben der mich versteht. Und der Psychologe wäre ich gerne." Ich sah ein wenig überrascht in seine Richtung.
,,Du warst schon als Kind bei einem Psychologen?", fragte ich ohne wirklich darüber nachzudenken. Sofort biss ich mir auf die Lippen und kniff die Augen zusammen. Hör auf so dumme Fragen zu stellen!
Aber Felix schien nicht genervt von der Frage, sonden antwortete:,,Ja. Mein Vater war gewalttätig und meine Mutter hat mich vernachlässigt. War nicht so schön."
,,Das tut mir Leid", flüsterte ich und seufzte. Irgendwie ergab Felix Verhalten jetzt etwas mehr Sinn. Meine Eltern waren nie schlecht zu mir gewesen. Eher war ich es gewesen, der schlecht zu ihnen war. Wer wollte schon einen Sohn, der rauchte, sich ritzte und sich so sehr hasste, dass er sich versuchte das Leben zu nehmen?
,,Ich komm damit klar", Felix rückte auf seinem Bett herum.
,,Irgendwann bestimmt", ich sah wie Rewi sich zu ihm beugte und durch die Haare fuhr, ,,Du machst das toll." Auch wenn ich es nicht erkennen konnte wusste ich, dass Felix wenigstens kurz lächelte.
,,Ich will mal in einem Gefängnis arbeiten", Rewi griff das vorherige Thema auf, ,,Das stelle ich mir cool vor."
,,Du wohnst in einem", Julien konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
,,Dann kenn ich mich da bestimmt besser aus als der Rest", Rewi lachte ebenfalls.
,,So schlimm ists hier ja auch wieder nicht", winkte Julien ab und beugte sich vor.
,,Wers glaubt", schnaubte Rezo und schüttelte den Kopf.
,,Was willst du denn mal werden?", fragte Felix ihn.
Rezo zuckte mit den Schultern:,,Keine Ahnung. Hab ich mir noch nie Gedanken drüber gemacht." Ich auch nicht.
Ich sah zu Rezo. Gerade schien Rezo wie ein Spiegel zu sein in den ich blickte. Dieses Gefühl hatte ich bisher nur einmal gehabt. Als ich ihn mit Schnittwunde in seinem Zimmer gesehen hatte.
Gerade war er nicht stark. Gerade war er so verletzlich wie ich. Gerade setzte er sich keine Maske auf. Gerade log er nicht.
,,Jeder überlegt doch mal was er werden will", kommentierte Rewi verwirrt.
,,Ich hatte nicht vor so alt zu werden, dass ich es entscheiden muss", sprach Rezo meinen Gedanken laut aus. Ich spürte ein Ziehen in der Brust. Ich weiß, was du fühlst. Ich weiß, was zu denkst.
Rezo sah in meine Richtung und auch wenn es nur ein Schatten war, spürte ich wie sein Blick meinen traf. Zwei dunkle Seelen die aufeinander trafen.
,,Jetzt hast du ja Zeit es dir zu überlegen", versuchte es Julien. Rezo zuckte nur mit den Schultern.
Die Erkenntnis traf mich hart, auch wenn ich sie schon kannte. Er wollte immernoch gehen. Genau wie ich. Auch wenn ich nicht wusste was ich fühlte, irgendwas machte es mit mir, Rezo so zu sehen. Aber was war es?
,,Und du, Mexify?", Felix Frage riss mich aus meinen Gedanken, ehe ich sie zuende denken konnte,
,,Was willst du mal werden?"
,,Bänker", sagte ich schnell. Es ist gelogen.
,,Viel Geld ist doch immer gut", fügte ich hinzu. Es ist gut gelogen.
Julien und Felix lachten. Aber ich verzog nicht einmal das Gesicht, sondern sah weiter zu Rezo. Gerade lüge ich und du sagst die Wahrheit. Wieso log er nicht einfach?
,,Es ist spät, wir sollten langsam auf unsere Zimmer, ehe wir ärger bekommen", sagte Rewi schließlich und gähnte.
,,Stimmt", Julien nickte und stand sofort auf, ,,Übermorgen sollten wir früher anfangen."
,,Und ein besseres Thema finden", lachte Felix und stand ebenfalls auf. Er ging zum Lichtschalter und schaltete das Licht ein. Sofort blinzelte ich und hielt mir die Hand vors Gesicht. Die plötzliche Helligkeit brannte in den Augen.
,,Guten Morgen", grinste Julien und zog mich hoch. Ich sah blinzelnd zu Rezo, der ebenfalls von seinem Stuhl aufstand.
,,Dann sehen wir uns morgen?", fragte er zu Felix und Rewi.
Die beiden nickten:,,Wie immer."
,,Nacht", Julien öffnete die Tür und verließ den Raum. Ich folgte ihm und hinter mir schloss Rezo die Tür.
Gerade als ich Julien folgen wollte, hielt er mich am Arm fest. Verwirrt drehte ich mich zu ihm um.
,,Man lügt bei diesen Gesprächsabenden nicht", sagte er mit fester Stimme. Dann ging er an mir vorbei zu seinem Zimmer.

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt