Wir saßen eine halbe Stunde unter dem Pavillon, dann verabschiedeten sich Julien und Rezo. Ich folgte ihnen wieder zurück auf die Station. Ein Pfleger machte uns auf. Auch wenn sich alles in mir sträubte wieder auf die Station zu gehen, riss ich mich zusammen und versteckte meine Hände unter meinen Ärmeln. Ich hatte immernoch einen rauchige Geschmack im Mund, mir war übel und ich verdrängte wieder meine Tränen. ,
,Kommst du mit zu uns?", fragte Julien, als sie vor ihrem Zimmer stehen blieben. Aber ich schüttelte den Kopf und ging den Flur weiter.
Mein Zimmer sah genauso aus wie gestern. Der Koffer vor dem Schrank, ein zerwühltes Bett.
Ja, ich hatte schlecht geschlafen. Immer wieder war ich wach geworden, hatte kaum atmen können und hätte am liebsten alles zusammengeschrien. Mein Kopf war nie still gewesen. Jedem Aufwachen waren kalte Gedanken gefolgt.
Wieso bist du gescheitert? Wieso bist du hier? Wieso bist du so dumm? Wieso lebst du noch?
Und jetzt wurden sie wieder laut. Ich ging zum Tisch, setzte mich davor und stützte meinen Kopf auf meine Hände.
Dann nahm ich den Wochenplan und überflog ihn, während mir die Tränen in die Augen schossen. Heute um 16 Uhr hatte ich eine Therapiestunde.
Ich will keine Therapiestunde!
Ich vergrub das Gesicht im Ärmel meines Hoodies und hoffte irgendwie all dem hier entkommen zu können.
Wärst du schlauer gewesen, wärst du all dem hier entkommen...
Ich sprang auf und sah mich im Raum um. Dann grallte ich die Finger in meine Kapuze und unterdrückte den Drang zu schreien. Ich sank auf die Knie und spürte wie mein Körper zu zittern begann.
Dummer Mexify. Dummer, dummer Mexify!
Die Welt um mich herum verschwamm, als eine Träne über meine Wange lief. Immernoch zitternd stand ich auf und setzte mich wieder an den Tisch. Die Gedanken schossen durch meinen Kopf, schienen auf mich einzustechen. Und ich konnte nichts tun.
Sollte mir dieser Ort nicht helfen? Mich von genau den Gedanken befreien? Ich schluchzte und presste mir mein Handgelenk vor den Mund. Ich versuchte aufzuhören zu weinen. Aber es ging nicht. Ich wollte doch nur weg.
Weg von den Gedanken.
Weg von dem Hass.
Weg von den Tränen.
,,Scheiße...", meine Stimme zitterte und ich wischte mir die Tränen aus den Augen.Ein Klopfen an der Tür ließ mich aufschrecken. Nach kurzem Zögern öffnete sich die Tür und Rezo und Julien betraten den Raum. Wieder wischte ich mit dem Ärmel über mein Gesicht.
Ich stand auf, bereute es aber sofort. Ich konnte nicht weglaufen. Wohin auch? Ich starrte auf den Boden und versuchte mein Zittern unter Kontrolle zu bekommen.
In dem Moment spürte ich zwei Arme, die sich um mich legten und an einen weißen Hoodie zogen. Ich spürte den weichen Stoff und das gleichmäßige Schlagen des Herzens darunter. Ein weiteres Herz, das schlug. Nur das meins nicht mehr schlagen wollte. Ich erwiderte die Umarmung nicht, entriss mich ihr aber auch nicht. Stand einfach nur da und starrte auf den Boden. Ich kniff meine Augen zusammen.
,,Ist okay", flüsterte Rezo und strich mir über die Kapuze.
,,Geht schon", log ich und versuchte das Zittern in meiner Stimme zu verbergen.
,,Soll ich einen Pfleger holen?", fragte Julien hinter Rezo, aber dieser schüttelte den Kopf. Langsam löste er die Umarmung und zog mich zu meinem Bett. Ich ließ mich darauffallen und atmete tief durch. Na super, jetzt hatten sie mich weinen gesehen.
,,Ist okay zu weinen, Mexify", sagte Rezo und kniete sich vor mir auf den Boden. Er musterte mein Gesicht und ich sah ihm in die blauen Augen. Irgendwie beruhigte mich das. Julien setzte sich neben mich und beide warteten, bis mein Zittern aufhörte und ich wieder ruhig atmete.
,,Am Anfang ist es am Schlimmsten", sagte Julien und legte den Arm zögern um mich.
,,Wir sind hier alle gleich, weißt du?", sprach er weiter, ,,Das hier ist nunmal eine Psychiatrie. Wir haben alle unsere Probleme hier."
Ich wollte meins beenden, erst das hat mich hier rein gebracht!
Aber ich schwieg und nickte. Rezo stand auf und lief durch den Raum.
,,Du solltest deinen Koffer ausräumen", sagte er und sah mich an. Ich zuckte mit den Schultern. Ohne zu fragen begann er stattdessen damit. Ich wusste ja selbst nicht man was in dem Koffer war. Meine Eltern hatten ihn gepackt. Ich sah Rezo dabei zu wie er meine Klamotten in den Schrank legte, zwei Bücher auf den Tisch stellte und den Rest im Koffer ordnete. Dann trat er wieder zu mir.
,,Es gibt gleich Mittagessen", sagte er und hielt mir seine Hand hin.
,,Ich will nichts essen", sagte ich.
,,Du musst. Wenn du nochmal nichts isst, zwingen die dich. Und glaub mir das ist sehr unschön", konternte Rezo und griff nach meiner Hand.
Ich ließ mich hochziehen.
,,Heute gibt es sogar Pommes", versuchte Julien mich zu überzeugen.
,,Und Eis als Nachtisch", fügte Rezo hinzu.
Toll.
Als würde mich das interessieren.Wir betraten den Speiseraum und Julien schob mich sanft aber bestimmt zum Esstisch. Ich setzte mich und sah zu, wie sich Julien zu Rezo in die Schlange vor der Essensausgabe stellte. Dann kamen beide mit drei Tellern zu mir und stellten einen vor mir ab. Ich musste zugeben, das es wirklich ziemlich lecker aussah.
,,Ich wusste gar nicht das du rauchst", sagte Rezo und begann zu essen.
,,Tu ich auch nicht", sagte ich, ,,Also eigentlich."
Julien gab mir eine Gabel:,,Solltest aufhören. Nicht das die Pfleger was dagegen unternehmen würden, aber ist ziemlich ungesund."
Ich nahm eine Pommes und biss lustlos hinein. Als wüsste ich das nicht.
,,Macht eh keinen Unterschied", sagte ich leise.
,,Naja musst ja nicht noch körperlich krank werden", scherzte Rezo und schob mir einen Becher mit Wasser zu.
Wäre mir egal.
Widerwillig nahm ich einen Schluck und hätte es am liebsten ausgespuckt. Ich hatte den Geschmack von Rauch ganz vergessen.
Ja, vielleicht sollte ich es wirklich lassen.
,,Weißt du schon, wann du Therapistunden hast?", fragte Julien.
Ich nickte:,,Um 16 Uhr heute."
,,Weißt du schon wen du hast?", fragte Rezo.
,,Frau Ohle oder so", erinnerte ich mich. Rezo und Julien wechselten einen Blick.
,,Ist nicht die Beste", gab Rezo dann zu. Ich zuckte mit den Schultern. War mir doch egal. Als würde eine gute Psychologin etwas daran ändern können, das ich nicht hier sein wollte.
,,Sollen wir dir danach die Station zeigen? Das haben wir noch gar nicht getan", fragte Julien. Ich zuckte wieder mit den Schultern und aß noch eine Pommes.
,,Auch wenn sich das scheiße anhört, die lassen dich hier erstmal nicht weg", sagte Rezo verständnisvoll. Ich nickte und unterdrückte den Hass der in mir aufstieg. Ich will aber weg.
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...