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,,Wenigstens ein Toast", Rezo sah mich bittend an, während er sich eine Scheibe Brot auf den Teller legte. Aber ich schüttelte nur den Kopf und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. 
Auch wenn ich mich nicht umgebracht hatte, Hunger hatte ich dennoch nicht. Zu erwarten, dass jetzt alles gut war, war gelogen. Zum Glück schien Rezo das zu verstehen, denn er seufzte nur und ging mit seinem Teller zu unseren Tisch. Julien saß bereits dort und biss genussvoll in sein Brot.
Etwas unsicher setzte ich mich neben ihn und goss mir ein Glas Wasser ein. Immerhin Durst hatte ich. Allerdings hatte ich den ganzen Tag schon nichts getrunken, irgendwann setzte der Instinkt wohl doch ein.
,,Kein Essen?", fragte Julien und zeigte auf den nicht vorhandenen Teller vor mir.
,,Heute nicht", ich schüttelte den Kopf und trank einen Schluck.
,,Morgen wieder", fügte Rezo hinzu und ich nickte langsam.
Morgen. Es würde ein Morgen geben. Der Gedanke war merkwürdig.
Wenn man sich entschieden hatte zu gehen und doch blieb fühlte sich jede weitere Sekunde unwirklich an. Als wäre ich an einer Kreuzung falsch abgebogen und jetzt in einer ganz anderen Straße. In einer, die ich weder kannte noch traute. Der ich folgen musste, weil ich den Weg zurück nicht kannte.
,,Mexify", hörte ich Rewi in dem Moment sagen und sah auf. Wie immer hatte er seine Haare auffällig gestylt und trug einen makellosen grauen Hoodie. Ich erwiderte sein Lächeln so gut es ging.
,,Habt ihr euch endlich vertragen?", fragend sah er von mir zu Rezo. Dieser nickte lächelnd.
,,Mega", freute sich Rewi und setzte sich mir gegenüber auf den Stuhl.
,,Wo ist Felix?", fragte Julien und biss wieder in sein Brot.
,,Der hat keinen Hunger", Rewi zuckte mit den Schultern, ,,Therapie halt."
,,Klingt nicht gut", stellte Rezo leicht besorgt fest.
,,Ach, ich denke das übliche", winkte Rewi ab, ,,Wenn ich ihm sage, dass ihr beide wieder am Start seid, dann heitert ihn das sicher auf."
,,Hoffentlich", bemerkte Julien trocken.
,,Wir haben aber noch etwas zu verkünden", Rezo grinste voller Vorfreude zu Rewi.
,,Seid ihr zusammen?", scherzte dieser sofort und entlockte Julien sofort ein Lachen.
,,Nein", lachte auch Rezo und warf gespielt genervt ein Stück Brot nach Rewi. Dieser duckte sich sofort grinsend.
,,Mexi zieht zu Julien und mir", Rezo lachte wieder auf.
,,Echt? Wie habt ihr das denn durchbekommen?", fragte Rewi erstaunt und sah verwundert von einem zum anderen.
,,Tja, die können mir nichts abschlagen", Rezo zuckte mit den Schultern.
,,Wie cool, dann ist keiner mehr allein", Rewi lächelte erfreut und biss in sein Toast.
,,Ja", ich nickte um mich irgendwie in das Gespräch einzubinden. Es ist cool. Auch wenn ich kurz überlegt hatte, ob die Idee so gut war.
Manchmal brauchte ich es allein zu sein. Nur mit mir und meinen Gedanken zu ringen, um danach zu verstehen, wie sinnlos es war. Aber momentan konnte ich das einfach nicht. Allein der Gedanke die Nacht allein im Zimmer verbringen zu müssen, schnürrte mir die Luft ab.
Ich hatte genug Nächte allein verbracht, gerade brauchte ich wenigstens das Gefühl es nicht zu sein. Sogar Felix hatte die Einsamkeit ferngehalten, als wir am Anfang in einem Zimmer gewesen waren. Und da waren wir nichtmal wirklich Freunde gewesen. Zumal ich Felix eine meiner Panikattacken zu verdanken hatte.
,,Wann ziehst du um?", fragte Rewi und sah erwartungsvoll zu mir.
,,Schätze gleich", ich zuckte mit den Schultern und sah fragend zu Rezo und Julien.
,,Nach dem Essen", Rezo nickte, ,,Wir nehmen sein ganzes Zeug mit zu uns. Ich nutze eh nur meinen halben Schrank und wir können seine Matratze ins Zimmer legen. Dann ist es fast wie eine Übernachtungsparty."
Rewi grinste:,,Klar. Mit den vergitterten Fenstern, den Pflegern die alle zwei Stunden ins Zimmer stürmen um zu schauen ob man sich auch ja nicht umbringt-"
,,Jetzt übertreib mal nicht", lenkte Rezo ein, ,,Vergitterte Fenster sehe ich nicht."
,,Du weißt was ich meine", seufzte Rewi lächelnd und biss wieder in sein Brot.
Innerlich dankte ich Rezo, dass er Rewis Gedankengang unterbrochen hatte. Allein bei seinen Worten hatte ich wieder an heute Morgen denken müssen.
Was wohl gewesen wäre, hätte ich es getan? Ich sah zu Rewi und Julien. Wäre ihr Abend anders verlaufen? Auch wenn mein Kopf mir sagte, dass es ihnen egal wäre, irgendwas musste ihnen an mir liegen oder nicht? Funktionierte eine Freundschaft nicht genau so? Zumindest glaubte ich das, denn viele Freundschaften hatte ich nicht geführt.
,,Braucht ihr Hilfe dabei?", bot Rewi an.
,,Denke schaffen wir so", entschied Julien, ,,Kümmer dich lieber um Felix."
Rewi überlegte einen Moment, dann nickte er:,,Ist vielleicht besser." Ich nahm noch einen Schluck Wasser und stellte das leere Glas vor mir ab.
Dann seufzte ich leise und schloss die Augen. Meine Gedanken kreisten wieder um den heutigen Morgen. Irgendwie hatte Rewi es unbewusst geschafft mich wieder genau dorthin zurück zu versetzen.
An den Moment als Luca mir die Klinge gegeben und ich auf mein Zimmer gegangen war. An meine letzten Gedanken und wie ich die Klinge angesetzt hatte.
Bereit durchzuziehen.
Bereit es zu beenden.
Wie Rezo ins Zimmer gekommen war. Unser Streit. Einfach alles.
Es waren Sekunden, Minuten gewesen, die entschieden hatten ob ich lebte oder versuchte zu sterben. Ein kurzer Augenblick, der mein Leben gekippt hatte. Vielleicht nicht für immer, aber den Moment. Für andere Menschen war es nichts, nicht mal einen Gedanken wert. Aber es war mein Leben und für mich bedeutete es viel. Ob nun gut oder schlecht.
,,Kommst du Mexi?", fragte Rezo und ich hörte wie Stühle verrückt wurden. Sofort öffnete ich meine Augen wieder und stand auf. Ich lebte nicht im heute Morgen. Ich lebte im jetzt. Und ich lebte. Also sollte ich aufhören daran zu denken. Zumindest solange wie sie mich noch ablenkten.
,,Klar", ich schob meinen Stuhl an den Tisch zurück und trat zu ihnen. Du lebst jetzt, Mexi.
Ich nickte innerlich.
Und du hast dem Leben eine dritte Chance gegeben.
Wieder nickte ich.
Und du wirst sie nutzen.
Doch dieses mal zuckte ich nur mit den Schultern.
Vielleicht.

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt