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Ich zuckte zusammen, als ich die Zimmertür hörte. Sofort legte ich die Socken in den Schrank zurück und drehte mich um.
Aber Felix bemerkte mich kaum, ging zu seinem Bett, warf sich darauf und vergrub das Gesicht unter seinen Händen. Dann atmete er tief durch.
,,Alles okay?", fragte ich überflüssigerweise mit wenig interessierter Stimme.
Felix nahm die Hände vom Gesicht und sah mich an:,,Ach nichts." Er sah an die Decke. Ich schloss die Schranktür und setzte mich auf mein Bett.
,,Das ist doch gelogen", murmelte ich mehr zu mir, als zu ihm. Felix musterte mich aus dem Augenwinkel.
,,Es ist nur...", er setzte sich auf und überlegte kurz, ,,...sie vertrauen Rewi und mir nicht, dass wir uns nicht wieder runter ziehen. Das nervt." Ich nickte nur.
Verstehen tat ich sowas einfach null. Ich hatte nunmal niemanden für den ich kämpfen wollte und von dem meine Gefühle abhingen. Naja gut, wenn man es genau nahm, hingen meine Gefühle manchmal doch von Rezo oder Julien ab. Aber dann war es unterbewusst.
,,Wieso bist du nicht bei den anderen im Pavillion?", fragte Felix mich als nächstes. Ich zuckte mit den Schultern.
Eine Ausrede für Felix hatte ich mir nicht überlegt. Felix schien das zumindest als Antwort zu reichen.
,,Gehen wir Mittagessen?", fragte er einfach und stand auf. Ich sah ihn überrascht an.
,,Du isst doch eh nix", sofort bereute ich die Worte, aber ich hatte sie einfach gesagt. Man, Mexify. Erst denken, dann reden.
Aber Felix lächelte nur gequält:,,Trotzdem muss ich ja hingehen." Ohne eine Entschuldigung und mit einen letzten Blick auf den Schrank verließen wir das Zimmer. 

Im Speiseraum waren noch keine anderen Patienten, aber trotzdem gab man uns an der Ausgabe zwei Teller. Reis mit irgendeinem Fleisch und einer ehrlich gesagt sehr gut riechenden Soße. Wir setzten uns an unseren Tisch und starrten dann beide schweigend auf unser Essen. Mein Bauch knurrte leise. Am liebsten wäre ich jetzt aufgesprungen und weggegangen.
Felix war viel dünner als ich und riss sich ja auch zusammen nichts zu essen. Und mir war irgendwie schlecht. Trotzdem nahm ich einen Löffel Reis mit Soße und kaute darauf herum, bis plötzlich zwei Stühle zurückgeschoben wurden.
,,Wie waren eure Therapiestunden?", Rezo setzte sich und stellte seinen Teller ohne Fleisch vor sich ab.
,,Ja, erzählt doch mal", auch Julien setzte sich zu uns. Felix warf mir einen fragenden Blick zu und ich wandte mein Gesicht ab. Fuck, daran hatte ich nicht gedacht.
Aber Felix kommentierte seine Therapie nur mit einem "Gut" und ich zuckte nur mit den Schultern.
,,Ihr seid ja gesprächtig", Julien musterte uns mit gerunzelter Stirn.
,,Ist halt Therapie", Felix warf mir einen weiteren Blick zu, aber ich schüttelte nur unmerklich den Kopf.
Zum Glück wechselte Rezo das Thema:,,Was ist mit Rewi?"
Felix stocherte mit der Gabel im Reis herum. Dann rückte er seinen Stuhl zurück und stand auf.
,,Ich brauch mal frische Luft", sagte er und ging einfach. Wir sahen ihm nach, aber wundern tat es mich nicht mehr. Felix war einfach seltsam. Rezo und Julien sahen jetzt zu mir.
,,Weißt du was?", fragte Julien.
Ich zuckte erneut mit den Schultern:,,Sie sind sich wohl nicht sicher, ob sie Rewi zu Felix verlegen sollen. Soweit ich weiß." Rezo stöhnte genervt auf.
,,Sind die dumm...", er nahm mich Felix Teller und began sich dessen Reis auf seinen Teller zu schieben. Ich beobachtete ihn dabei. Wie konnten die beiden nur so viel essen können hier?
,,Aber echt", pflichtete Julien ihm bei, ,,Ich mein, als wenn Felix ohne Rewi besser drauf wäre."
Rezo reichte Julien Felix Fleisch und began dann dessen Reis zu essen:,,Vor allem wenn man sich Felix gerade anschaut. Der ist alles andere als stabil. Isst nichts, hat Zusammenbrüche und kommt auf gar nichts hier klar."
Ich zuckte zusammen. Bei mir war es nicht mal anders. Aber von Felix kannten sie wohl eine Seite, die ich nicht kannte.
,,Mexify, jetzt iss doch mal was", ermutigte mich Julien. Ich sah zu ihm und merkte erst da, dass ich die ganze Zeit den Reis über den Teller hin und her geschoben hatte. Ohne darüber nachzudenken nahm ich einen weiteren Löffel Reis und kaute lustlos darauf herum.
,,Wir wollen gleich nochmal zum Pavillion, kommst du diesmal mit?", Rezo legte den Kopf schief und sah mir mit einem kleinen Lächeln dabei zu wie ich noch einen Löffel Reis nahm. Am liebsten hätte ich verneint. Aber eine gute Ausrede hatte ich leider nicht. Also nickte ich kurz und schob dann meinen Teller zu Rezo.
Dieser fragte gar nicht erst nach und began auch meinen Reis zu essen, während sich Julien mein Stück Fleisch nahm. Sein drittes. Es war mir wirklich ein Rätsel wie die beiden so viel essen konnten. Sie waren nicht zu dick, nicht zu dünn und hatten keine Probleme zu essen. Aber gut, ich hatte auch nicht damit gerechnet überhaupt nochmal etwas essen zu müssen.
,,Gehen wir?", fragte Julien nach einer Weile und ich stand sofort auf. Nur weg von diesem Essraum.
Ich folgte den beiden zum Pflegerzimmer wo die Pflegerin von vorhin gerade etwas in einen Computer tippte. Sie sah auf und man konnte ihr ihre Überraschung sofort anmerken.
,,Wie kann ich euch helfen?", fragte sie freundlich.
,,Wir würden gerne nochmal raus", sagte Julien und lächelte.
Die Pflegerin tippte auf einen Zettel:,,Yannik und du, ihr wart doch gerade erst draußen?"
,,Frische Luft tut doch gut und ist besser als hier drinnen zu hocken", sagte Rezo sofort.
Die Pflegerin lächelte:,,Das stimmt wohl."
,,Geht es dir denn besser, Maximilian?", sie sah jetzt mich an, ,,Hat das Medikament gewirkt?"
Mir wurde heiß und ich zuckte zusammen. Sofort spürte ich die Blicke von Rezo und Julien auf mir, aber ich schluckte meine Beklemmung schnell herunter und nickte einfach. Immernoch spürte ich wie Rezo und Julien mich ansahen, aber ich riskierte keinen Blick.
,,Na schön", entschied die Pflegerin schließlich und öffnete die Glastür zum Treppenhaus.
,,Danke", sagte Rezo, aber seine Stimme verriet ihn. Es schwang ein merkwürdiger Unterton darin mit. Trotzdem drehte er sich wortlos um und gemeinsam betraten wir das Treppenhaus. Wortlos gingen wir die Treppe herunter und durch die Tür in den Innenhof. Die kühle Luft die mir entgegenschlug ließ mich frösteln. Der Winter kam. Ein Winter, den ich nicht mehr hatte erleben wollen.

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