Ich folgte Julien und Rezo in deren Zimmer. Etwas ungeschickt kickte Julien zwei Hosen zur Seite und setzte sich auf sein Bett.
,,Freie Bettenwahl", stellte Felix erfreut fest und warf sich auf das Bett von Rezo. Rewi schloss sich ihm an, also ging ich zu Julien und setzte mich neben ihn auf sein Bett.
Rezo beobachtete uns dabei, dann schloss er die Tür und ging zu Julien und mir. Überrascht rückte ich zur Seite und Rezo setzte sich zwischen Julien und mich.
,,Danke", er winkelte die Bein an und stützte seine Arme darauf. Dann seufzte er zufrieden.
,,Der dickste in die Mitte", beschwerte sich Julien grinsend und drückte sich gegen Rezo.
,,Pff", Rezo drückte sich dagegen, ,,Ich will doch nur kuscheln."
,,Hey, ihr Turteltauben", mischte sich Rewi ein, ,,Sucht euch mal lieber ein Thema aus." Rezo und Julien unterbrachen ihre Rangelei, konnten sich ein Grinsen jedoch nicht verkneifen.
Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ich konnte Felix und Rewi auf dem anderen Bett an die Wand gelehnt ausmachen.
,,Ich habe ein Thema", hob Julien nach einer Weile zögernd an und warf Felix einen fragenden Blick zu, ,,Aber da musst du sagen, ob du dazu bereit bist, Felix."
Felix beugte sich nach vorne und sah interessiert zu Julien:,,Und zwar?"
,,Du hast uns noch nichts von deinem Versuch erzählt", hob Julien zögernd an, als schien er zu merken, dass er vielleicht zu weit gegangen war.
Felix Versuch. Tatsächlich hatte Felix bisher nicht viel darüber geredet. Aber vermutlich hatte genau das auch seinen Grund. Trotz der Dunkelheit glaubte ich zu sehen, wie sich Felix Gesichtsausdruck wandelte. Er wurde ein wenig nachdenklicher.
,,Also nur, wenn du willst", fügte Julien mit Nachdruck hinzu.
,,Klar", antwortete Felix sofort und setzte sich in den Schneidersitz. Dann sah er zu uns.
,,Ich weiß nicht mehr alles, irgendwie hab ich vieles auch einfach verdrängt", er zuckte gleichgültig mit den Schultern, ,,Es war ein scheiß Tag. Ich hatte direkt nach dem Frühstück Therapie, Rewi auch und Simon war an dem Tag irgendwie auch voll down." Er sah kurz zu Rewi und dieser nickte. Für seine Verhältnisse schien er gerade sehr in sich gekehrt und nachdenklich zu sein.
,,Und dann meinte Simon plötzlich, dass wir unseren wöchentlichen Ausgang doch nutzen könnten um uns was beim Lidl zu kaufen. Und ich hab einfach zugestimmt, weil ich einfach da rausmusste. Dann sind wir raus und irgendwie kam da plötzlicher dieser Gedanke in meinen Kopf. Das ich es einfach beenden könnte, um dem zu entgehen, was mich schon die ganze Zeit fertig machte." Er stockte und überlegte einen Moment. Ich musterte ihn interessiert.
,,Und dann waren wir vorm Lidl und ich hab zu Simon gesagt, dass ich noch einen Einkaufswagen holen würde und er ist vorgegangen. Da hab ich mich einfach umgedreht und bin die Haupstraße Richtung Bahnhof gerannt." Er warf einen Blick aus dem Fenster.
,,Und Simon?", fragte Rezo neben mir in die Stille hinein.
Felix zuckte mit den Schultern:,,Dem ist das glaube ich nach zehn Minuten aufgefallen und er ist zur Klinik zurück. Da ist dann Panik ausgebrochen und Simon hat sich voll die Vorwürfe gemacht. Dann haben die irgendwie die Polizei hinzugezogen und einige Pfleger sind Richtung Bahnhof."
Er lachte auf. Dann schüttelte er den Kopf, als wolle er es abschütteln:,,Ey wie kann man so lost sein und zum Bahnhof rennen, wenn sie genau dort nach einem suchen würden?"
Ich konnte mir ein kurzes Lächeln nicht verkneifen, aber nur weil Felix es auch nicht tat. Er hatte Recht. Sein Plan war irgendwie nicht ganz schlüssig.
,,Jedenfalls stand ich dann da und hab gewartet. Ich hab nichtmal an irgendwas besonderes gedacht, nur daran, dass mir alles egal war. Und dann sind da irgendwie zwei Polizisten aufgetaucht. Ich hab noch versucht irgendwie auf den Gleisen Richtung Zug zu laufen, aber die waren eh viel schneller. Und da war auch kein Zug", erzählte er weiter und seufzte, ,,Die Idioten haben mich dann halt wieder mitgenommen. Ich hätt sowieso nicht weglaufen können. Wohin auch?"
Er rückte wieder zur Wand und schwieg. Rewi legte ihm den Arm um die Schulter und drückte ihn an sich. Aber auch er schwieg.
,,Du wolltest uns echt einfach so verlassen?", man hörte die Betroffenheit in Juliens Stimme heraus.
Felix zuckte wieder mit den Schultern:,,Mir war echt alles egal, sorry Ju." Ich sah von Felix zu Julien.
Verstand er, wie es war sterben zu wollen? Die Frage hatte ich mir noch nie so wirklich gestellt. Felix, Rezo und ich hatten jetzt schon mindestens einen mehr oder weniger guten Suizidversuch hinter uns. Aber Julien nicht. Er war auch nie auf der Geschlossenen gewesen. Vielleicht dachte er wirklich, dass wir alle uns entscheiden könnten für die anderen am Leben zu bleiben? Aber dann verwarf ich den Gedanken.
Nein, Julien kannte Rezo besser als jeder andere hier. Und auch er wusste, dass man solche Gedanken nicht einfach ausradieren konnte.
,,Auf 4 hatte ich dann ein Gespräch, aber irgendwie habe ich nichtmal versucht mich dagegen zu wehren auf 2 zu kommen. Irgendwie war mir da echt alles egal. Dann haben die mich halt auf 2 gesteckt", er beendete seine Erzählung recht trocken und klatschte in die Hände, ,,Tja, so endet sowas hier Kinder."
Er grinste, aber wir alle wussten, dass er es nur tat um die schmerzenden Erinnerungen daran zu verdrängen. Felix war so jemand, der das tat. Bei ihm kam immer wieder die Seite durch, die zeigte, dass ihm alles egal war. Ob er etwas falsches sagte, nicht aß, sich nicht bemühte gut drauf zu sein oder sonst was. Manchmal hatte er genau diese Phasen der Gleichgültigkeit.
,,Du solltest das nicht so lustig erzählen", murmelte Rewi, dem man seine Bemühungen nicht allzu nachdenklich zu werden, merklich anhörte.
,,Boar, Rewi", Felix stieß ihm in die Seite, ,,Das Leben ist nicht so besonders, wie du denkst. Nur weil wir eins haben, heißt es nicht, dass jeder eins will."
,,Also willst du immernoch sterben?", hörte ich mich sagen und sah nachdenklich zu Felix. Es war mehr reine Neugier, als Anteilnahme. Mehr ein Du willst also auch sterben?
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...