,,Kann ich zuerst duschen?", fragte Felix und blieb kurz stehen um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
,,Mexify hat getroffen, ich finde ihm gebührt heute die Ehre", widersprach Rewi und drehte sich zu mir um.
,,Ne, Felix kann erst", versicherte ich schnell mit einem Blick auf den verschwitzten Jungen. Er zitterte sogar leicht und seine Netzstulpen hatten graue Flecken vom Schweiß bekommen.
,,Danke", Felix klopfte mir auf die Schulter und lief an uns vorbei de Flur entlang.
,,Ich dusche bei uns zuerst", entschied Rezo und hielt vor dessen Zimmertür.
Julien zuckte nur gleichgültig mit den Schultern:,,Von mir aus."
,,Dann sehen wir uns später beim Abendessen?", fragte Rewi und blieb ebenfalls kurz stehen, ,,Denke Felix und ich werden gleich unsere Achtsamkeitsübungen machen müssen." Ich warf ihm einen fragenden Blick zu, während Julien sich ein Lachen verkniff.
Rewi bemerkte meinen Blick und seufzte:,,Ich soll jetzt jeden Tag eine Stunde in den Entspannungsraum und so Übungen machen. Yoga glaube ich." Er rollte mit den Augen.
,,Und Felix auch?", grinste ich. Die Vorstellung Rewi beim Yoga zu sehen war einfach zu komisch.
,,Ne eigentlich nicht, ist eher so ne Solidaritätssache", antwortete Rewi.
,,Glaube eher Felix will sich totlachen", lachte Julien leise.
,,Auch eine Möglichkeit", Rezo zuckte mit den Schultern und öffnete die Zimmertür.
,,Och Rezo", rief Rewi ihm gespielt beleidigt nach, ,,Sei doch nicht immer so negativ." Aber auch er hatte Rezos schmunzeln bemerkt, bevor er im Zimmer verschwunden war.
,,Dürfen wir auch zuschauen?", lenkte Julien ein.
,,Morgen vielleicht", wich Rewi aus, ,,Muss da ja erstmal reinkommen."
,,Okay, dann morgen", Julien grinste bevor er Rezo ins Zimmer folgte.
,,Dann bis später, viel Spaß", ich grinste.
,,Stimmt, du wohnst ja jetzt auch hier", stellte Rewi lachend fest und schüttelte den Kopf, ,,Ja, dann bis später." Dann ging er den Flur zu seinem Zimmer entlang, während ich Julien in dessen Zimmer folgte. Rezo kam mir mit Handtuch und frischen Sachen unterm Arm entgegen.
,,Viel Spaß", ich hielt ihm die Tür auf.
,,Danke", er lächelte und verließ das Zimmer.
Etwas unentschlossen sah ich mich im Zimmer um. Was ich bis zum Duschen machen wollte hatte ich noch nicht überlegt. Julien hingegen schon. Er saß am Tisch und zeichnete an seiner Drachenskizze weiter.
Nach kurzem Überlegen ließ ich mich auf dem anderen Stuhl nieder und beobachtete ihn dabei. Er konnte wirklich unfassbar gut zeichnen. Immer wieder zeichnete er einen Strich, radierte einen weg oder fügte etwas ganz neues hinzu.
,,Alles okay bei dir?", fragte er nach einer Weile ohne aufzusehen oder sein Zeichnen zu unterbrechen.
,,Wieso?", fragte ich verwirrt. Die Frage kam überraschend.
,,Keine Ahnung", Julien zuckte mit den Schultern, ,,Du warst nur den ganzen Tag so glücklich und am Ende hast du Rezo einen ganz komischen Blick zugeworfen." Ich zuckte zusammen. Das hast du gemerkt?
Aber eigentlich überraschte es mich auch nicht wirklich. Julien war ein ziemlich aufmerksamer Mensch. Dennoch bereitete die Frage mir Unbehagen. Julien hatte ja Recht, ich hatte meine Maske einen kurzen Moment abgelegt. Oder eher meine Gedanken hatte es. Sie hatten einen kurzen Moment der Unachtsamkeit ausgenutzt und zuschlagen. Hatten sich auf mich gestürzt und mir einen neuen Anhaltspunkt zum Denken gegeben, auch wenn ich ihn schnell wieder verdrängt hatte. Doch Juliens Worte holten genau diesen Gedanken zurück.
Für einen Moment überlegte ich Julien anzulügen. Andererseits schuldete ich dem Jungen wirklich wenigstens eine Wahrheit. Er hatte mich nicht ignoriert wie Rezo und mir bei der Versorgung der Schnitte geholfen. Am Ende hatte er sich sogar so viel Sorgen gemacht, dass Rewi und er mein Zimmer nach der Klinge durchsucht hatten.
,,Ich habe nur darüber nachgedacht was wäre, wenn Rezo und ich, oder auch du und ich uns nicht hier drinnen begegnet wären. Was wäre zum Beispiel, wenn wir in einer Klasse gewesen wären? Ganz normal, ohne Probleme und so. Ob wir dann auch Freunde geworden wären, meine ich", antwortete ich schließlich und versuchte irgendwie meine Gedanken in Worte zu fassen. Julien radierte einen Strich weg und schien über das Gesagte nachzudenken, während ich ihn interessiert musterte. Es interessierte mich, was er darüber dachte.
,,Die Frage hat Rezo sich auch schon unzählige male gestellt", Julien legte das Radiergummi weg und sah kurz auf, ,,Und er hat immer noch keine Antwort gefunden, also hör auf dir den Kopf darüber zu zerbrechen." Irgendwie überraschte es mich nicht, dass Rezo darüber nachgedacht hatte.
,,Und was denkst du darüber?", lenkte ich ein neues Thema ein. Julien schwieg einen Moment.
,,Es ist schwer", er seufzte, ,,Weißt du, ich mag euch alle und Rezo ist der beste Freund den ich je hatte, aber ich weiß nicht was für ein Mensch ich ohne das hier wäre." Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und ich folgte ihm.
Du meinst die Klinik.
Die Probleme.
Das nicht normal sein.
,,Was Rezo, Felix, Rewi und du ohne das alles wärt. Ich meine hier drinnen braucht man Freunde und irgendwo sind wir alle uns dadurch ähnlich, aber ohne das alles... es fällt mir echt schwer zu glauben, dass wir genauso wären wie wir sind." Er sah mir in die Augen.
,,Du meinst wir wären keine Freunde geworden?", fragte ich vorsichtig. Es versetzte mir einen leichten Stich.
Julien nickte leicht:,,Ich denke, das denke ich, ja." Du denkst wir sind nur Freunde, weil wir es müssen. Weil wir niemanden sonst haben. Weil uns niemand sonst versteht. Seine Worte trafen mich. Unerwartet, aber genauso schmerzhaft.
Ich wusste was er meinte, aber seine Worte sagten etwas anderes. Deine Worte sagen, dass du lieber Freunde ohne Probleme hättest...
Julien wandte sich wieder seinem Bild zu und schwieg. Ich musterte ihn. War es das was er wirklich dachte? Oder wählte er seine Worte so ungeschickt, dass sie nur so klangen?
Ich wollte sie nicht so verstehen, wie sie klagen. Denn sie klangen falsch. Nicht nach Julien.
Interpretiere ich zu viel in manche Dinge hinein?
Ich schluckte den Schmerz herunter und biss mir auf die Lippen. Er meint es nicht so, Mexi. Er hat sich falsch ausgedrückt. So wie mit Rezo noch vor ein paar Tagen.
Aber die Zweifel verschwanden nicht.
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...