,,Hallo Maximilian", hörte ich meine Mutter leise sagen, als ich den weiß gestrichenen Raum betrat. Ein runder Tisch stand in der Mitte. An einer Seite saß Frau Ohle, an der anderen meine Eltern.
Meine Mutter hatte ihre dunkle Bluse an und musterte mich mit besorgten Augen. Mein Vater hingegen nickte mir nur kurz zu. Er sagte kein Wort.
Am liebsten hätte ich den Raum sofort wieder verlassen, aber Frau Ohle deutete bereits auf den letzten freien Stuhl. Unsicher ging ich drauf zu und setzte mich, auch wenn meine Gedanken mich anschrien wegzugehen. Einfach nur weg von hier.
,,Maximilian, dies ist unsere erste Familiensitzung", fing Frau Ohle an, ,,Hast du deinen Eltern irgendwas zu sagen?"
Sofort schüttelte ich den Kopf und sah auf den Tisch vor mir. In der Mitte stand eine Box mit Taschentüchern, nach der meine Mutter sofort griff.
,,Haben Sie seine kindlichen Suizidgedanken endlich in den Griff bekommen?", fragte sie und tupfte sich die Augen mit einem der Tücher. Ich warf ihr einen achtlosen Blick zu. Sie hatte sich nicht geändert.
Immer war ich der kindliche, der Dumme.
Der, der die schlechten Noten nach Hause brachte.
Der, der keine Freunde hatte.
Der, der sich ritzte.
Der, der rauchte.
Der, der sich versucht hatte umzubringen.
,,So einfach ist das leider nicht", antwortete Frau Ohle mitfühlend, ,,Ihr Sohn braucht Zeit."
,,Können Sie ihm nicht einfach irgendwelche Medikamente geben?", meine Mutter sah fast flehend zu meiner Psychologin. Widerlich. Stopft meinen Jungen mit scheiß Medikamenten voll. Hauptsache er kann nach Hause, wo wir ihn wieder anschreien können.
,,Wir haben seine Medikation bereits in Angriff genommen. Allerdings zeigt Maximilian noch nicht so viel Mitarbeit in der Therapie, wie erhofft", antwortete die Psychologin sachlich.
,,Du arbeitest in der Therpie nicht mit?", fragte mein Vater und sah streng zu mir, ,,Weißt du eigentlich was uns das Ganze hier kostet, Max?"
Da war er wieder. Der unverständliche und strenge Vater, den ich hatte. Er hatte mich nie auch nur ansatzweise verstanden. Sein Sohn war schwach und dumm. Eine absolute Enttäuschung. Mehr nicht.
Ich sah ihn nicht an, spürte nur wie ich meine Finger in die Tasche meines Hoodies krallte. Das Gespräch ging ja super los.
,,Manche Jugendlichen brauchem ihre Zeit", sagte Frau Ohle besänftigend und achlug die Mappe vor ihr auf dem Tisch auf.
,,Ich habe hier die vorläuftige Diagnose von Maximilian. Ich schlage vor, dass wir jetzt darüber reden", setzte sie hinzu und sah in die Runde.
Ich wusste nicht was mir lieber war. Mir anzuhören was nicht mit mir stimmte oder mir meine dämlichen Eltern anhören zu müssen.
,,Ihr Sohn hat eine schwere Depression, wie im Krankenhaus bereits vermutet. Sein Suizidversuch und depressive Stimmung haben ja schon länger Anzeichen dafür gegeben. Außerdem denken wir, dass er unter einer Angststörung leiden könnte", las Frau Ohle vor und sah dann zu meinen Eltern.
,,Aber das denkt er sich doch alles nur aus. Er versucht von der Schule wegzukommen, weil er nicht gut dort ist und keine Freunde hat", fuhr mein Vater energisch dazwischen und sah wütend zu mir, ,,Max, gib endlich zu, dass du dir das alles nur ausdenkst. Das Kaspertheater reicht deiner Mutter und mir langsam."
Ich spürte wie sich mein Körper verkrampfte. Seine Worte taten weh. Nicht das sie neu waren, ich hatte nur vor meinem Versuch gedacht sie nie wieder hören zu müssen. Ich hatte ea mir gewünscht.
,,Eine schwere Depression kann man nicht vortäuschen", Frau Ohle nickte mir zu, ,,Maximilian hat versucht sich das Leben zu nehmen. Soetwas tut man nicht zum Spaß."
,,Er braucht eben Aufmerksamkeit", entgegnete mein Vater, ,,Deswegen ritzt er sich ja auch. Komm, zeig deiner Psychologin mal deinen Arm."
Sofort zuckte ich zusammen und mir wurde heiß. Nein. Meine Sicht verschwamm und mein Körper machte sich bereit aufzuspringen und zu rennen.
Aber Frau Ohle kam mir zuvor:,,Wir wissen, dass er sich geritzt hat. Aber das haben wir hier unter Kontrolle."
Sofort zuckte ich wieder zusammen, aber die Anspannung blieb. Meinen Arm zeig ich euch nicht!
,,Maximilian hat hier zumindest Freunde gefunden", Frau Ohle lächelte meinen Eltern zu, ,,Yannik, Julien, Felix und Sebastian sind auch auf seiner Station. Sie verstehen sich sehr gut."
,,Du hast Freunde gefunden?", fragte meine Mutter und lächelte mir aufmunternt zu, ,,Das freut mich aber."
Du verstehst es nicht. Ich ignorierte ihr Lächeln. Innerlich konnte ich nur den Kopf schütteln. Du denkst, dass es mir nur darum geht. Freunde zu haben.
,,Wann kann er denn nach Hause?", fragte mein Vater weiter und würdigte mich keines Blickes. Wenigstens schien er meinen Arm vergessen zu haben, auch wenn ich mich nicht entspannen konnte.
,,So einfach ist das alles nicht", Frau Ohle klang immernoch bemüht freundlich, obwohl es ihr schwer zu fallen schien. Zum ersten mal war ich froh, dass sie da war. Einfach nur, weil sie mit meinen Eltern sprach. Aber auf der anderen Seite war da nur eine Hoffnung: Das sie sagte, dass ich gehen konnte.
Der Gedanke tat weh. Sehr sogar. Mehr als die Worte meines Vaters.
Denn das würde bedeuten, dass ich Rezo und die Anderen nie wieder sehen würde, weil ich gehen würde. Wenn ich nach Hause konnte, wäre dies mein letzter Tag. Dann würde ich es schaffen, egal wie.
,,Ihr Sohn muss jetzt richtig behandelt werden, wird eine bessere Medikation bekommen, wir werden ihn beobachten und weiterhin solche Gespräche führen. Drei Monat dauert eine solche Therapie meist, wenn sie anschlägt. In Maximilians Fall vermutlich sogar noch länger, solange er nicht stabil genug ist", Frau Ohle blätterte in der Mappe.
Mein Vater warf mir einen genervten Blick zu, aber ich wich ihm bloß aus. Unterbewusst krallte ich meine rechte Hand in meinen linken Arm und zuckte sofort zusammen.
Die Schnitte brannten und gleichzeitig tat es gut. Es ließ mich aus diesem Gespräch entkommen. Nicht wie es eine Klinge gekonnt hätte, aber auch dieser Schmerz lenkte mich ab.
,,3 Monate kann er hier aber nicht bleiben", flüsterte meine Mutter fast, ,,Ihm geht es doch schon besser, wenn er doch Freunde hat."
Ich schloss für einen Moment die Augen. Du verstehst es nicht... niemand versteht es...
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...