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Ich fuhr mir durch die Haare und starrte auf die Türklinke vor mir. Mein Herz began wieder schneller zu schlagen und ich spürte wie die Angst meinen Nacken mit ihren eisigen Fingern packte.
Die Angst vor dem Gespräch, was folgen würde, wenn ich das Zimmer betrat. Die Angst mich dem zu stellen, vor dem ich immer wegrannte. Meinen Fehlern.
Wieder fuhr ich mir nervös durch die Haare und biss mir auf die Lippen. Wieso konnte ich nicht einfach akzeptieren, dass ich dumm war? Wieso musste ich mich immer wehren, wenn ich wusste, dass ich nunmal genau das war?
Zögernd griff ich nach der Klinke und atmete tief durch. Rewi, hat gesagt, du hast es nicht kaputt gemacht. Dann glaub ihm auch.
Aber ich tat es nicht.
Schließlich drückte ich die Klinke herunter und öffnete die Tür. Sofort suchten meine Augen den Raum ab und fanden Rezo auf Juliens Bett sitzend. Er hatte sich mit dem Rücken an die Wamd gelehnt und starrte aus dem Fenster.
Sein Anblick erinnerte mich für einen kurzen Moment an Felix, als wir damals das erste mal wirklich gesprochen hatten.
Aber die Erinnerung verschwand, als Rezo den Kopf drehte und mich kurz musterte, bevor er wieder aus dem Fenster sah. Ich biss mir erneut auf die Lippen, schloss die Tür und sah mich unschlüssig im Raum um. Und nun?
Am liebsten wäre ich gegangen, aber das hätte nichts gebracht. Stattdessen ging ich langsam zu einem der Stühle und setzte mich. Dann warf ich Rezo einen kurzen Blick zu, doch er ignorierte ihn.
,,Tut mir Leid...", murmelte ich zögernd und schwieg dann. Was tat ich hier eigentlich?
,,Was tut dir Leid?", fragte Rezo so plötzlich, dass ich zusammenzuckte. Seine Stimme hatte einen scharfen Unterton und gleichzeitig traf mich sein fragender Blick. Ich wandte den Kopf ab und starrte auf den Boden.
Ja, was tut dir Leid? Ich schwieg.
Tut mir Leid, dass ich noch lebe. Ich wollte mich Ohrfeigen. Was brachte es, jetzt im Selbstmitleid zu verfallen? Erneut biss ich mir auf die Lippen bis es schmerzte.
,,Ich will nicht streiten, Mexi", Rezo seufzte schwer und schloss für einen Moment die Augen, ,,Dafür haben wir schon genug Probleme, nicht wahr?" Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und nickte langsam.
Er hatte Recht. Ich war nicht hier um zu streiten.
Wieder seufzte Rezo:,,Ich bin dir wirklich nicht böse, Mexi. Wirklich nicht. Wer weiß, ich hätte wohl genauso gehandelt wie du." Er musste kurz auflachen und schüttelte den Kopf. Aber es klang mehr traurig und bedauernd als humorvoll.
,,Nein, hättest du nicht", hörte ich mich zögernd sagen, ,,Du hättest deine Freunde nicht belogen und ausgenutzt." Die Worte taten weh. Es war die schmerzhafte Wahrheit hinter meinem Handeln. Rezo und Taddl waren bloß ein Mittel zum Zweck gewesen und Julien, Felix und Rewi eine unwichtige Nebenrolle.
Egoist.
Der Gedanke traf mich. Denn genau das war ich. Ich wollte genau das nicht von mir denken und doch bewies ich mir immer wieder, dass ich nichts anderes war, als ein Egoist.
Rezo musterte mich nachdenklich:,,Du denkst zu gut von mir, Mexi-"
Aber ich unterbrach ihn:,,Du bist gut, Rezo. Du würdest sowas nicht machen." Rezo hob zu einem weiteren Satz an, doch dann hielt er inne und schluckte ihn herunter.
Für einen kurzen Moment glaubte ich einen stummen Kampf in seinen Augen zu sehen. Nur für einen winzigen Moment, aber ich nahm ihn dennoch wahr, bevor er ihn überspielte. Was wolltest du sagen?
Doch die Neugier überwog nicht. Das war nicht der Zeitpunkt. Stattdessen sah ich zerknirscht wieder zu Boden.
,,Was hat Taddl dir gesagt?", fragte ich vorsichtig. Eigentlich wollte ich es nicht wissen. Ich wollte nicht mit meinen Lüfen konfrontiert werden, auch wenn ich es verdient hatte.
Rezo sah wieder aus dem Fenster, bevor er tief Luft holte:,,Er hat mich gefragt, wieso ich mich wieder verletzt habe. Ich hätte nach Luca gefragt. Oder nein, viel eher hättest du in meinem Namen nach ihm gefragt."
Jetzt sah er wieder zu mir:,,Jetzt verstehe ich woher die Klinge war, richtig?" Ich nickte unscheinbar. Rezo nickte langsam und sah wieder aus dem Fenster.
Ich mustere ihn. Was dachte er? Gab er sich die Schuld dafür? Hasste er mich? So viele Fragen, jedoch keine die ich wagte laut auszusprechen. Stattdessen folgte ich seinem Blick zum grauen Himmel und dem Wind, der durch die kahlen Bäume strich. Und was nun?
,,Kannst du mir das irgendwie verzeihen?", ich spürte wie sich mir die Brust zusammenzog bei der Frage. Ich hatte Angst vor der Antwort. Denn es gab nur eine, die fair war. Und die war, dass er mir das nicht verzieh. Alles andere war nicht fair und würde es nie sein.
Er hatte mir genug Chancen gegeben, die ich verspielt hatte. Wie ein süchtiger hatte ich die Chancen genommen und immer höher gepokert. Egoistisch und dumm.
Rezo schien nachzudenken, denn er starrte weiterhin nach draußen. Schließlich sah er wieder zu mir, stand auf und kam auf mich zu. Nervös beobachtete ich ihn dabei und versuchte abzuschätzen, was er tun würde. Er blieb vor mir stehen und griff nach dem Stoff meines Hoodies.
Ich hielt die Luft an und sah unsicher zu Rezo hoch. Dann zog er mich hoch und drückte mich an sich. Seine Arme legten sich sanft um mich und ich spürte seinen Herzschlag.
,,Ich würde dir fast alles verzeihen, Mexify." Ungewollt erwiderte ich die Umarmung.
Es war anders als bei Rewi. Diese Umarmung bedeutete viel mehr. In ihr lagen Ehrlichkeit und Vertrauen. Es war als würde ich einen Teil von mir selbst umarmen. Wie ein Spiegelbild, dass in den Spiegel griff und sein Abbild an sich zog.
Zwei Herzen, die nicht mehr schlagen sollten und es trotzdem taten. Zwei ungewollte Lebende. Mehr nicht.
Aber seine Worte trafen mich mehr. Ich wollte ihn anschreien mir nicht zu verzeihen. Mich stattdessen zu hassen. Mich wegzustoßen und zu sagen, dass ich egoistisch war. Auch wenn ich das nicht packen würde.
Verzeihst du mir, weil du es willst oder weil du denkst es zu müssen?

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Sry, dass das Kapitel erst jetzt kommt. Ich habe die letzten Tage mehrere Fassungen des Kapitels geschrieben und war immer so unzufrieden, dass ich alles wieder gelöscht habe. Bin immernoch nicht ganz zufrieden, aber das Buch soll weitergehen und ich bin nicht so unzufrieden, dass ich es lösche^^
Als Entschädigung kommt morgen Abend das nächste Kapitel direkt :)

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt