Ich beobachtete wie der Himmel sich dunkler färbte und saß einfach nur auf der Fensterbank. Gegen die Wand gelehnt, den Kopf gegen die Scheibe gedrückt und die Beine an den Körper gezogen.
Eine Pflegerin kam, sagte irgendwas und gab mir Medikamente, die ich wortlos herunterschluckte. Dann ging sie wieder und ich war allein. Der Mond ging auf, einzelne Sterne brachen durch die Wolken und wurden dann wieder von ihnen verschluckt.
Irgendwann kam erneut eine Pflegerin, fragte etwas, doch ich schwieg. Sie ging und ich sah weiterhin in die Nacht.
So ging es immer weiter, bis irgendwann ein sanfter Regen einsetzte und erste Tropfen gegen die Scheibe schlugen. Im Zimmer war es mitlerweile stockdunkel. Nur das Licht vom Flur schien unter der Zimemrtür durch und erinnerte mich daran, dass die Welt nicht nur aus Dunkelheit bestand. Und natürlich die wenigen Lichter der Häuser hinter dem Fenster.
Ich holte tief Luft und seufzte schwer. Mit dem Regen waren auch die Tränen gekommen, die lautlos über mein Gesicht liefen und sich ein Wettrennen mit dem Regentropfen an der Scheibe lieferten. Doch dieses mal blieb ich still. Kein Schluchzen, kein Schreien, kein Hass. Es war eher eine stumme Akzeptanz.
Ich drehte den Kopf ein Stück und spürte wie einige Tränen von meiner Wange auf meinen Hoodie tropften. Nein, nicht meinen Hoodie.
Ich kniff die Augen zusammen um nicht zu schluchzen. Es war Rezos Hoodie.
Es war der erste Hoodie gewesen, der oben in meinem Koffer gelegen hatte, als ich nach einem gesucht hatte. Mark musste ihn für einen meiner Hoodies gehalten haben, da ich ihn heute Morgen getragen hatte.
Heute Morgen. Erneut kniff ich schmerzverzerrt die Augen zusammen. Rezo war heute morgen gestorben und die Welt drehte sich weiter als wäre nichts passiert. Als hätte ich nicht meinen besten Freund verloren.
Weitere Tränen tropften auf Rezos Hoodie und ich zog mir die Kapuze über den Kopf. Fast glaubte ich für einen kurzen Moment Rezos Geruch am Stoff des Hoodies wahrzunehemen, doch ich schob den Gedanken beiseite. Sei nicht lächerlich, Mexi.
Ich seufzte wieder und sah wieder nach draußen. Die Welt war so scheiße sinnlos. In einem Moment gaukelte sie mir ein glückliches Leben vor, ließ mich Lachen und im nächsten erschlug sie mich mit ihrer Grausamkeit. Wo lag da überhaupt der Sinn zu leben, wenn das Leben mit der Zeit immer schmerzhafter wurde?
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und musterte den dunklen Raum. Was hatte es für einen Sinn zu leben, wenn man seine Zeit hier verbrachte? In einem dunklen Raum in einer geschlossenen Psychiatrie zwischen Menschen, die vermutlich genauso wenig leben wollten wie ich?
Ich legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke über mir. Ob Rezo gewusst hatte, was sein Suizid nach sich ziehen würde? Hatte er gewusst, was er mir bedeutet hatte? Bei dem Gedanken rollten erneut Tränen über mein Gesicht und ich spürte wie mein Körper zitterte. Hast du gewusst, wie weh es tun würde? Hast du gewusst, wie sehr es mich zerstören würde? Ich kniff wieder die Augen zusammen.
,,Als wenn du mich hören könntest...", murmelte ich und wollte mich selbst auslachen, ,,Du bist tot. Für immer fort. Mit dir werde ich nie wieder ein Gespräch führen können." Ich wischte mir mit dem Ärmel über das Gesicht, auch wenn die Tränen nicht stoppten. Ich hatte Kopfschmerzen. Vom Denken, vom Schreien und vom Weinen. Oder einfach generell vom Leben.
,,Na wie ist es da oben?", ich nickte zum Himmel und starrte in die Dunkelheit, ,,Hast du deinen Frieden endlich gefunden? War es das wert mich hier zurückzulassen?"
Ich hörte die Wut aus meiner Stimme heraus. Den Zorn und den Hass. Den verdammten Hass darüber, dass er einfach so hatte gehen können. Den Zorn, dass er so egoistisch gewesen war. Die Wut darüber, dass es für ihn okay gewesen war.
,,Bist du jetzt endlich glücklich? Bist du jetzt zufrieden?", ich durchbohrte die Nacht mit meinem Blick, wissend, dass mir niemand antworten würde.
,,Wozu waren wir eigentlich Freunde?", fragte ich tonlos und spürte wie die Tränen auf meine Hände tropften, ,,Wieso hast du dich nicht umbringen können, bevor wir Freunde wurden? Das hätte es so viel leichter gemacht, oder nicht?"
Wieder keine Antwort. Und es würde auch nie eine geben. Denn er war fort und ich hier. Für ihn gab es keine Gedanken oder Gefühle mehr. Keine unbeantworteten Fragen. Keine Psychiatrie.
Einfach alles hatte aufgehört für ihn. Für immer.
Ich spürte wie mir schlecht wurde. Hektisch sah ich mich im Zimmer um, doch da war nur der kleine Mülleimer unter dem Schreibtisch. Ich sprang auf, hechtete dorthin, griff den diesen und übergab mich. Dann wischte ich mir erneut die Tränen aus dem Gesicht und ging zu der Fensterbank zurück.
Meine Beine zitterten bei jedem Schritt und ich spürte zum ersten mal wie die Schwäche nach mir griff. Dennoch schaffte ich es zum Fenster und ließ mich schwerfällig wieder gegen die Wand fallen.
Ich sah wieder aus dem Fenster. Es hatte aufgehört zu regnen. Nur noch letzte Tropfen liefen an der Scheibe herunter.
In dem Moment ging die Zimmertür erneut auf und die Pflegerin betrat das Zimmer. Sie musterte mich für einen Moment, dann sah sie sich im Zimmer um und entdeckte den Mülleimer. Ohne ein Wort griff sie danach und nahm ihn mit aus dem Zimmer. Dann war ich wieder allein.
Erneut lehnte ich meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und schloss die Augen.
,,Es tut so weh, weißt du Rezo?", flüsterte ich kraftlos und seufzte, ,,Es ist einfach nicht fair von dir gewesen zu gehen..." Weitere Tränen sammelten sich auf seinem Hoodie.
,,Wieso bist du gegangen?", ich öffnete meine Augen und sah wieder zum Himmel. Einige Regenwolken hatten sich gelichtet und den schwarzen Nachthimmel freigegeben.
Ich wischte mir über das Gesicht und musterte den einzigen Stern, der schwach durch die Wolken leuchtete.
,,Bist du also ein Stern geworden, ja?", fragte ich tonlos und wollte mich auslachen. Wie dumm, ich war kein Kind mehr. Als würde ich an sowas glauben. Sterne waren nichts weiter als weit entfernter Himmelskörper aus Gas und Plasma.
Und dennoch tröstete mich die Vorstellung, dass es ein Zeichen von Rezo war irgendwie...
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...