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Ich habe verloren.
Es war genau diese Erkenntnis, die mir durch den Kopf schoss. Als wäre es eine Patrone, die Rezo mir in den Kopf gejagt hätte. Als hätte er eine Waffe auf mich gerichtet und einfach abgedrückt. Ohne zu zögern, ohne Reue, ohne Mühe. Ich hatte es ihm zu einfach gemacht, mich vor ihn gestellt und mir selbst die Waffe an den Kopf gehalten, wartend, dass er den Abzug betätigen würde.
Ich spürte wie mein Herz schneller zu schlagen began und ich unsicher versuchte irgendein Anzeichen von Verständnis in seinen Augen zu lesen. Doch sie waren kalt und unbegründet.
,,Worüber?", fragte ich mutiger als ich war. Rezo musterte mich eindringlich. Falsche Frage. Ich biss mir auf die Lippen.
Rezo stieß sich von der Tür ab und machte einen Schritt auf mich zu. Ich wich einen zurück und sah unsicher zu Rezo. Doch dieser ging weiter und ich machte einen weiteren Schritt zurück, bis ich die raue Wand im Rücken spürte. Wie ein gehetztes Tier glitt mein Blick durch den Raum, aber da war nichts, was mir helfen konnte. Ich hatte mich selbst in diese Situation gebracht.
Rezo hielt so nahe vor mir inne, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Verzweifelt begegnete ich seinem Blick und wollte ihn sofort wieder abwenden. Der Schmerz in seinen Augen versetzte mir einen Stich.
,,Hast du Klingen bei Luca gekauft?", fragte er eindringlich und man merkte ihm an, wie schwer es ihm fiel ruhig zu bleiben. Ich biss mir wieder auf die Lippen und mied seinen Blick.
,,Mexify!", Rezo schlug neben meinem Kopf gegen die Wand und ich zuckte so heftig zusammen, dass meine Beine nachgaben und ich mich an der Wand nach unten gleiten ließ. Mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet.
,,Was?!", schrie ich fast zurück und stand wieder auf. Dann sah ich ihm in die Augen und spürte meine eigene Wut. Wut auf mich. Das ich mich so erschreckt hatte, das ich Rezo belogen hatte und das er Recht hatte.
,,Hast du Klingen bei Luca gekauft?", fragte Rezo und fixierte mich mit seinen Augen.
,,Ja", sagte ich trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust, ,,Und nun?" Ich hielt seinem Blick stand, auch wenn ich kämpfen musste. Was tat ich hier? Ich war doch Schuld an allem. Wieso gab ich Rezo die Schuld? Er hat nicht Schuld.
,,Und nun?", äffte Rezo meine Worte wütend nach und verschränkte ebenfalls seine Arme, ,,Keine Ahnung wie du sowas findest, aber ich finds nicht cool, wenn Taddl mich ausfragt, wieso ich mich wieder geritzt hätte. Klingelt da was?" Da klingelte tatsächlich was.
,,Ist nicht mein Problem", konterte ich.
Was tust du? Ich verstand mich selbst nicht. Sag, dass es dir Leid tut, das du Schuld bist, dass du dumm warst, alles. Rezo starrte mich fassungslos an.
,,Ich hätts beenden sollen! Komm nächstes mal einfach nicht dazwischen, dann hast du solche Probleme auch nicht mehr!", ohne ein weiteres Wort drängte ich mich an Rezo vorbei zur Tür.
Fast erwartete ich, dass er mich am Hoodie packen und zurückziehen würde. Doch er tat mir diesen Gefallen nicht.
Stattdessen öffnete ich die Tür und verließ mit schnellen Schritten den Waschraum. Ohne wirklich zu merken wohin, ging ich einfach weiter den Flur entlang.
,,Fick dich Rezo", flüsterte ich wütend und stieß die nächste Tür zum Bad auf. Schnell drehte ich das Schild davor auf "Besetzt", betrat den kleinen Raum und schloss die Tür hinter mir.
Erst dann ließ ich mich gegen die Wand fallen und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Dann ließ ich mich an der Wand heruntergleiten und began zu weinen.
Ich hatte genug. Genug davon immer an allem Schuld zu sein. Immer derjenige zu sein, der sich entschuldigen oder rechtfertigen musste. Ich kann nicht bei allem ein scheiß Problem sein!
Ich biss mir so stark auf die Lippen, dass ich scharf die Luft einsog und meinen Hinterkopf gegen die Wand schlug, sodass eine kurze Schmerzwelle durch meinen Körper jagte. Dann starrte ich an die scheiß Decke über mir, während immer mehr Tränen über mein Gesicht liefen.
Wie gerne ich mir jetzt die Klinge gewünscht hätte. Ein Schnitt bis zum Ende, wenn ich sauber und tief genug schnitt. Ein letzter Kampf, dem ich mich unterwarf und endlich Frieden. Aber nein, stattdessen war ich wieder das Problem in der Welt. Unlösbar und belastend.
Wieso bin ich immer Schuld? Wieso ist immer alles was ich tue falsch? Wieso kann ich nicht eindach ein verdammtes normales Leben führen können? Ich krallte meine Hände in meine Haare und kniff die Augen zusammen. Einige Tränen tropften auf die kahlen Fliesen.
Rezo hatte nichts falsch grmacht, er hatte allen Grund sauer auf mich zu sein. Mal wieder. Und was tat ich? Ich versuchte mich der Schuld zu entziehen und weinte. Mal wieder.
Diese scheiß Tränen. Ich wischte mir über das Gesicht und stand ungelenk auf.
Ohne zu zögern betrachtete ich meine tränenden Augen im Spiegel vor mir. Die ungepflegten, viel zu langen Haare, die mir wild ins Gesicht hingen. Das hässliche Gesicht eines Jungen, den ich nicht mehr geben sollte. Ein hässliches Spiegelbild, dass sich keine Mühe gab irgendwie gut auszusehen, weil es sowieso misslang.
Gib mir eine Klinge und ich beende es jetzt und hier. Dann kann ich es hier beenden und erspare der Welt eine weitere Enttäuschung. Lass mich all das beenden und endlich Frieden von all der scheiß finden, dann haben es alle einfacher. Aber mein Spiegelbild starrte nur genauso schweigsam zurück wie ich.
Na, fängst du an dich zu lieben? Jetzt wo Rezo mal wieder sauer auf dich ist und du dich nicht entschuldigen kannst? Wieder keine Antwort.
,,Ich habs satt immer Schuld zu sein", flüsterte ich mit zitternder Stimme und wischte mir erneut die Tränen aus den Augen, ,,Ich will einfach nur, dass dieser ganze scheiß aufhört..." Meine Stimme erstarb und ich starrte einfach nur auf mein eigenes Ich im Spiegel.
Vielleicht war genau das das Problem. Dass ich immer hoffte keine Fehler mehr zu machen und am Ende doch genau das tat.
Du enttäuscht dich selbst. Jeden Tag auf Neue. Jeden verdammten Tag. Und das wird sich nie ändern...

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt