Ich schloss meine Hand in der Tasche meines Hoodies und betrat dann den weiß gestrichenen Raum mit dem kleinen Fenster an der gegenüberliegenden Wand.
,,Schön, dass wir uns mal wieder sehen", Frau Ohle saß auf ihrem Schreibtischstuhl und zeigte einladend auf den gepolsterten Stuhl vor sich, ,,Setz dich doch."
Ich nickte zögernd, dann setzte ich mich und sah auf den Boden. Naja, eher auf den hässlichen Teppich.
,,Wie gehts es dir denn heute?", fragte die Psychologin ohne umschweife.
Ich sah zu ihr hoch:,,Gut." Ich räusperte mich, sagte aber nichts. Dann griff ich mit meiner linken Hand ebenfalls in meine Tasche und erfühlte die drei Tabletten, die in meiner rechten Hand lagen.
Es hatte wieder geklappt. Dieses mal dank Rewi. Der Junge hatte es sich nicht nehmen lassen direkt mit Mark zu reden und sich dabei perfekt vor mich gestellt.
Die anderen hatte mich auch nicht beachtet, aber das wunderte mich auch nicht. Tabletten nehmen fanden wir alle scheiße, da konzentrierte man sich mehr auf sich, als auf andere.
,,Maximilian, ob du gut mit deinem Einzelzimmer klar kommst, habe ich gefragt?", Frau Ohles Stimme unterbrach meine Gedanken. Anscheinend hatte sie mich das gerade schonmal gefragt.
,,Klar", log ich und versuchte sogar ein Lächeln in ihre Richtung. Vermutlich sah man, dass es falsch war, aber einen Versuch war es wert.
,,Deine Blutergebnisse sind normal, aber du bist unter dem BMI", sie zog einen Zettel aus einer Mappe und tippte darauf. Ich zuckte mit den Schultern. ,,Aber das Gespräch heben wir uns für deine Diagnose auf. Ich würde heute gerne ein bisschen mit dir reden und dann zwei Computertests machen. Hast du etwas gagegen", fuhr sie fort und schloss die Mappe.
Ich schüttelte den Kopf und nahm dann meine Hände aus dem Hoodie.
,,Sehr schön", Frau Ohle rollte mit dem Stuhl zurück und musterte mich, ,,Nenn mir doch mal bitte eine Sache in deinem Leben, die dich sehr traurig gemacht hat und eine die dich sehr glücklich gemacht hat." Ich begegnete ihrem neugierigen Blick.
,,Wieso?", fragte ich mit einem patzigen Unterton.
,,Na, um einmal ein bisschen mehr über dich zu erfahren", sie lächelte, ,,Du bist sehr still." Ich runzelte die Stirn.
,,Mein Versuch ist misslungen", sagte ich dann stumpf.
,,Dann nenn mir doch auch noch eine traurige Erinnerung", Frau Ohle notierte sich etwas. Ich beobachtete sie und biss mir auf die Lippen. Es war doch die traurige Erinnerung. Wie blöd kann man sein?
Gerade als ich eine weitere patzige Antwort geben wollte, hielt ich inne. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf.
,,Meine Gefühle vor dem Versuch", sagte ich dann ruhig. Frau Ohle notierte sich erneut etwas.
,,In deinem Fragebogen hast du gesagt, du würdest es wieder versuchen. Wieso hat dich dein Versuch dann traurig gemacht?", die Psychologin strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.
,,Ich war am Ende. Das war nicht schön", ich biss mir wieder auf die Lippen. Wieso fiel es mir so leicht zu lügen? Eigentlich war ich miserabel im erzählen von Lügen, aber gerade schien es das einfachste auf der Welt zu sein.
,,Verstehe. Wie hast du dich denn davor gefühlt. Beschreibe es doch mal", sie tippte auf das Papier vor sich.
,,Verloren, allein, dumm", zählte ich ohne Mühe auf. Das war sogar die Wahrheit. Zumindest grob.
,,Natürlich, da fühlt man sich nicht gut", stellte Frau Ohle unnötigerweise fest. ,,Was denkst du, wie es deiner Familie und Freunden damit ging?", fragte sie weiter.
,,Es war ihnen egal", antwortete ich einfach weiter.
,,Niemandem ist es egal, wie sich jemand fühlt, der einem wichtig ist, Maximilian", sie lächelte. Gut, dass ich niemandem wichtig bin!
,,Kann sein", lenkte ich ein. Lügen war einfach.
,,Hast du eine enge Bezugsperson?", fragte Frau Ohle.
Ich nickte:,,Einen Freund." Innerlich lachte ich. Welcher Freund?
,,Wie heißt er denn?", fragte sie.
,,Ben", murmelte ich. Kreativ bin ich immernoch nicht.
,,Und hat er dir geholfen vor dem Versuch, dass es dir besser geht?", Frau Ohle schien richtig begierig auf die Antwort zu sein, denn sie rollte wieder näher zum Tisch.
,,Ich habe viel mit ihm geredet und er hat mich immer aufgemuntert", log ich. War das eine gute Lüge?
,,Soso, solche Freunde wünscht man sich doch", Frau Ohle lächelte wieder.
Ja... solche Freunde wünscht man sich... Meine Gedanken wanderten kurz zu Rezo und Julien. Waren sie solche Freunde? Aber ich schob den Gedanken beiseite. Sie waren genau solche Psychos wie ich.
,,Und wie ging es ihm nach deinem Versuch?", fragte sie.
,,Er hat viel geweint und mich im Krankenhaus besucht", antwortete ich nach kurzem Überlegen.
,,Und will er dich hier mal besuchen?", fuhr sie fort mit ihrem Fragenhagel.
Ich zuckte mit den Schultern:,,Vielleicht."
Frau Ohle notierte sich wieder etwas, dieses mal länger. Dann sah sie auf:,,Es freut mich, dass du heute so gesprächig bist, aber wir müssen dann langsam zu den Computertests kommen, wenn das okay ist."
Ich nickte:,,Klar." Wieder lächelte ich. Dieses mal könnte es sogar echt wirken.
Frau Ohle stand auf:,,Einen Raum weiter bitte."
Sie ging an mir vorbei zur Tür und ich folgte ihr. Wir bogen nach links und sie schloss die nächste Tür auf.
Der Raum war ähnlich wie der Therapieraum der Psychologin eingerichtet. Schränke, Regale mit Büchern, ein Fenster und ein Schreibtisch. Aber er war größer und mit zwei Bildschirmen ausgestattet.
Sie zeigte auf einen Stuhl und ich setzte mich. Frau Ohle selbst setzte sich mir gegenüber.
,,Die Tests dauern etwa eine halbe Stunde zusammen und umfassen eine Menge Fragen. Beantworte sie einfach ehrlich", sie startete die Computer und ich musterte den Bildschirm vor mir.
Ich hatte wenig Lust jetzt noch eine halbe Stunde hier zu sitzen und bei irgendwelchen Fragen zu lügen, aber immerhin war es wohl leichter als die Lügen auszusprechen.
,,Wir beginnen mit einem Test zu Depressionen", erklärte Frau Ohle, als der Bildschirm ein Bild ausgab. Ich scrollte ein wenig mit der Maus, bevor ich zur ersten Frage ging.
,,Wenn du dir bei einer Frage nicht sicher bist, kannst du sie auch auslassen. Der zweite Test folgt direkt danach und beschäftigt sich mit Angststörungen", endete sie und gab den Test über ihren Rechner frei.
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...