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Ich betrat mein Zimmer und wunderte mich kurz, dass mich vollkommene Dunkelheit empfing. Erst da begriff ich, dass Felix die Vorhänge zugezogen hatte.
Im Schein der durch die Tür fiel, sah ich ihn in T-Shirt und Jogginghose auf seinem Bett sitzen. Leise schloss ich die Tür und setzte mich ebenfalls auf mein Bett. Meinen Hoodie schmiss ich einfach auf den Boden und lehnte mich an die Wand.
,,Bis morgen", klangen Rezos Worte mir nach. Julien und er waren müde gewesen und schlafen gegangen.
Bis morgen...
Es erinnerte mich an meine Mutter, als sie mir diese beiden Worte sagte und ich glaubte, es wären ihre letzten Worte an mich. Ich hörte wie Felix tief Luft holte.
,,In der Geschlossenen", fing er leise an zu sprechen, ,,habe ich oft ans Sterben gedacht. Ich habe manchmal Stunden vor mich hingestarrt, war nicht ich selbst und dachte nur an einen Schlussstrich."
Ich griff zur Seite und ertaste die kleine Bettlampe. Mit einem Klicken schaltete sie sich ein und ein Lichtkegel erfasste Felix.
Er sah nicht zu mir, sondern einfach irgendwo ins Nichts.
,,Ich konnte Rewi nicht verstehen, die Pfleger nicht verstehen, nicht mal mich selbst", hob er zögernd an, ,,Ich will so gerne so sein wie die meisten Jungen in meinem Alter. Ich will nicht der Junge sein, der sich das Leben nehmen will."
Er kniff kurz die Augen zusammen und ich wusste das er Tränen zurückhielt. Ich sah ihn bloß an, wie er dasaß und über seine Gefühle redete. Es gab keine Worte, keinen Trost, den ich ihm bringen konnte. Denn ich fühlte dasselbe.
,,Ich will leben... aber", er stockte und sah mich diesmal direkt an,..ich weiß einfach nicht wie..."
Ich nickte nur. Irgendwo verstand ich ihn. Und irgendwo auch nicht. Felix schien wirklich etwas ändern zu wollen, zumindest gerade. Ich hingegen wollte das nicht.
,,Ich bin nicht der Richtige um darüber zu reden", sagte ich etwas abweisend. Er tat mir Leid, sehr sogar. Aber er musste doch auch einsehen, dass ich nicht die Person war, die ihm die Worte sagen konnte, die er brauchte.
Felix nickte einige male und schwieg.
,,Rewi würde es ohne mich viel besser gehen...", er schluchzte und begann dann zu weinen.
Los, Mexify. Geh zu ihm, tröste ihn.
Aber ich blieb sitzen und sah ihm zu wie er dort weinend auf dem Bett saß und sein Körper von jedem Schluchzen erschüttert wurde.
Ich kann dir nicht helfen, Felix... Es versetzte mir einen Stich, aber genauso war es doch. Und ich wollte ihm auch nicht helfen. Ich wollte mit meinem eigenen Leben abschließen.
Ich sollte gar nicht hier sein.
Felix sollte hier allein sein.
Es würde keinen Unterschied machen ob du hier wärst oder nicht, Mexify...
Ich biss mir auf die Lippen und zuckte zusammen. Es schmerzte. Kein Wunder, so oft wie ich dadurch versuchte meinen Gedanken und Gefühlen zu entfliehen.
,,Ich bin ein schlechter Mensch", Felix flüsterte es nur und unterdrückte ein weiteres Schluchzen. Hilf ihm!
Ich wünschte ich könnte mich anschreien. Ich wünschte ich könnte ihm helfen. Aber es ging nicht.
Schließlich sprang ich auf und verließ das Zimmer. Ich hielt es nicht aus dort drinne.
Ohne wirklich zu wissen wohin, ging ich den Flur entlang und öffnete eine Tür. Irgendwie war ich zu Rezo und Julien ins Zimmer gelangt. Beide saßen am Schreibtisch und Julien zeichnete gerade etwas auf einem Block.
,,Mexify", Rezo stand sofort auf, ,,Alles okay?"
Ich zitterte.
,,Felix, gehts nicht gut", brachte ich stotternd hervor und fasste mir hilfesuchend an die Schulter.
,,Hey, alles okay", auch Julien stand auf, ,,Ich sag den Pflegern Bescheid."
Er lief an mir vorbei zur Tür. Rezo hingegen zog mich zu seinem Bett und ich setzte mich.
,,Was ist passiert?", fragte er und musterte mich. Aber ich wusste es ja selbst nicht. Kurz zuckte ich mit den Schultern, aber wirklich wahrgenommen hatte er es wohl kaum.
Erst jetzt fiel mir ein, dass ich ohne Hoodie vor Rezo saß und sah mich hektisch um. Rezo sah mich verständnisslos an, dann begriff er.
,,Ist schon okay", er stand auf und holte einen Hoodie aus seinem Schrank, ,,Zieh an."
Ich griff ihn und zog ihn mir über. Er roch ein wenig nach Rezo und komischerweise beruhigte mich das ein wenig.
Rezo lächelte ein wenig und strich mir durch die Haare. Sofort zog ich meine Kapuze darüber und biss mir wieder auf die Lippen.
Rezo bemerkte das sofort.
,,Hör mal auf damit", sagte er bestimmt und kniete sich vor mich. Erst jetzt bemerkte ich, dass er auch nur ein T-Shirt trug. Der Verband um seinen linken Arm war mir gar nicht aufgefallen.
,,Trigger ich dich?", fragte er und hob mit der rechten Hand mein Kinn an, sodass ich ihm in die blauen Augen sehen musste.
Ich schüttelte schnell den Kopf und er zog seine Hand zurück. In dem Moment betrat Julien wieder den Raum, eine Pflegerin folgte ihm. Schnelle Schritte verrieten, dass jemand auf dem Weg zu Felix war.
,,Maximilian, alles okay bei dir?", fragte sie mit hoher Stimme. Ich nickte und sah wie sie zu Rezo sah.
,,Wir kümmern uns um ihn", sagte dieser und die Frau verließ das Zimmer wieder.
,,Sonst ruft mich", sie schloss die Tür.
,,Was ist denn passiert?", fragte jetzt auf Julien und kniete sich neben Rezo.
Vier Augen lagen nun auf mir, aber ich zitterte immernoch zu sehr um einen klaren Gedanken zu fassen. Ich sah an ihnen vorbei und versuchte irgendwie das Bild von Felix zu vergessen. Es hatte etwas in mir ausgelöst. Aber ich wusste nicht was. Es war ähnlich wie bei meiner Panikattacke, nur anders.
,,Komm erstmal runter", Julien zog sich einen Stuhl ran und setzte sich vor mich, während Rezo sich neben mich setzte. Er ließ mich nicht aus den Augen und auch Juliens Blick ruhte weiter auf mir.
Es dauerte eine ganze Weile, bis es an der Tür wieder klopfte und die Pflegerin eintrat. Sie redete mit Rezo, aber ich hörte kaum zu.
,,Felix...Zusammenbruch...stabil...Maximilian...", waren die wenigen Worte die ich heraushörte, bevor sie wieder ging. Rezo setzte sich wieder neben mich.
,,Sie wollen, dass du jetzt wieder auf dein Zimmer gehst, weil gleich Nachtruhe ist. Felix ist wieder einigermaßen stabil und schläft. Ist das okay?", fragte er, obwohl man seine Besorgnis heraushörte.
Ich nickte zögernd. Dann stand ich einfach auf und verließ das Zimmer. Julien wollte mir hinterher, aber die Pflegerin hielt ihn zurück.
Ich schlurfte den Flur entlang zum Zimmer und öffnete die Tür. Tatasächlich hörte ich Felix ruhigen Atem.
Aber das Gefühl von vorhin verflog nicht, bis ich in einen unruhigen Schlaf fiel.

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt