Unsicher ging ich auf Felix zu und ließ mich auf dem Stuhl neben ihm nieder. Dann musterte ich ihn genauer.
Seine Wangenknochen stachen deutlich hervor und die sonst so hellen braunen Augen waren trist. Durch sein weißes Tshirt wirkte er beinah wie ein Geist, so blass war er.
,,Du siehst scheiße aus", war das einzige, was ich mühsam hervorbrachte.
Felix traurige Augen fanden meine und er nickte:,,Du auch." Seine Stimme war so klanglos, dass ich für einen Moment daran zweifelte, ob es wirklich der Felix war, den ich kannte. Ich kniff die Augen zusammen und musterte den Schlauch, der sich über sein Gesicht zog.
Felix bemerkte meinen Blick und seufzte:,,Zwangsernährung." Er versuchte ein entschuldigendes Lächeln, doch es zerbrach.
Ich musterte ihn weiter und versuchte irgendwas an ihm zu finden, das mir vertraut war. Er wirkte wie ein Fremder.
,,Du bist nicht du", stammelte ich und suchte seinen Blick.
Felix lehnte sich zurück und breitet die Arme aus:,,Ich bin ich, Mexify."
Ich musterte seine linke Hand, die von Kratzern übersäht war, die noch nicht alle abgeheilt schienen. Auch diesen Blick bemerkte Felix und er legte seine Hand vor mir auf den Tisch.
Im hellen Licht erkannte man die rötlichen Linien noch besser. Sie waren wild über seinem Handrücken verteilt. Doch statt einer Antwort schwieg Felix und musterte nur meinen entsetzten Blick.
,,Wir haben nicht alle eine Klinge", murmelte er schließlich und zog seine Hand weg.
,,Was hast du gemacht?", fragte ich vorsichtig.
,,Es gibt immer Wege", wich Felix aus und lächelte matt. Immerhin das passte zu ihm.
,,Wie lange bist du schon hier?", fragte ich weiter.
Felix überlegte einen Moment:,,Seit drei Wochen." Wieso wusste ich das nicht? Die plötzlichen Schuldgefühle, die an mir zu nagen begannen, schienen meinen ganzen Körper einzunehmen.
,,Und die Anderen?", fragte ich weiter und hielt die Luft an.
Doch Felix schüttelte nur den Kopf und seufzte:,,Ich wusste nichtmal ob du hier bist."
,,Wo sollte ich sonst sein?", fragte ich verwirrt.
Felix zuckte mit den Schultern:,,In einer anderen Klinik, entlassen, tot..." Er stockte und schüttelte traurig den Kopf. Für einen Moment schloss er die Augen und atmete tief durch.
Dann musterte er mich wieder:,,Keiner von uns wusste irgendwas. Nur das Rezo tot ist, hat Mark uns erzählt." Ich sah wie sich Tränen in seinen Augen bildetetn und er verzweifelt versuchte dagegen anzukämpfen.
Es tut mir Leid. Ich habe euch allein gelassen. Ich wollte es aussprechen, doch ich schaffte es nicht.
Felix fuhr sich durch die krausen Haare und er holte tief Luft. Dann sah er wieder zu mir.
,,Ich habs echt versucht Mexi... irgendwie auf 3 zu bleiben und irgendwie klarzukommen. Aber ich habs einfach nicht gepackt... Rewi hat alles versucht, aber... ich konnte das einfach nicht da ohne Rezo, ohne dich...", er atmete tief durch und versuchte ruhig zu bleiben, ,,Aber ich bin einfach nicht stark genug dafür..."
Eine Träne lief über sein Gesicht und er sah verzweifelt zu mir. Zum ersten mal hatte ich das Gefühl auch bei Felix in einen Spiegel zu sehen.
Du fühlst, was ich fühle.
Du zeigst, was ich zeige.
Du denkst, was ich denke.
Ohne das ich wirklich wusste warum, beugte ich mich zu Felix und umarmte ihn. So vorsichtig, als würde ich einen gläsernen Jungen und keinen aus Fleisch und Blut umarmen. Doch Felix wirkte so gebrechlich, dass ich fast Angst hatte ihn zu verletzen, wenn ich ihn zu sehr an mich drückte.
Zu meiner Überraschung erwiderte Felix sie und drückte mich an sich.
,,Du bist stark, Felix", flüsterte ich, ,,Aber Rezos Tod war stärker..."
Ich spürte wie erneut eine Welle der Trauer über mich rollte, doch ich zwang mich dagegen anzukämpfen. Für diesen einen Moment war ich derjenige von uns, der stark bleiben musste.
Vorsichtig löste ich mich von Felix. Dieser wischte sich über das Gesicht und nickte mir kurz zu:,,Sorry."
,,Nicht dafür", winkte ich leise ab und biss mir auf die Lippen. Bleib stark. Felix holte erneut tief Luft. Man sah ihm an, wie er mit sich kämpfen musste.
,,Ich wollte zu seiner Beerdigung", hob er an, ,,Ich wollte es wirklich. Aber- "
,,Beerdigung?", fuhr ich dazwischen und spürte wie sich mein Herzschlag beschleunigte.
Felix nickte:,,Vor fast vier Wochen." Ich hatte das Gefühl zu Boden zu sinken. Scheiße.
Wie lange war ich nochmal hier?
,,Wieso warst du nicht da?", fragte ich matt und kämpfte weiter gegen die Traurigkeit an.
,,Ich wollte", beteuerte Felix, ,,Aber ich konnte nicht... ich hätte was Dummes gemacht und es mir nie verzeihen können... es wäre keinem von euch gegenüber fair gewesen, besonders Rezo nicht." Er kämpfte ebenfalls mit sich.
,,Und deswegen bist du hier?", fragte ich nach.
Felix nickte:,,Ich kann mein Leben nicht beenden, wenn Rezo es getan hat. Irgendwo bin ich es ihm schuldig es wenigstens zu versuchen." Zum ersten mal bewunderte ich Felix wirklich. Wieso schafft er, was du nie schaffen wirst? Während Felix für das Leben kämpfte, kämpfte ich weiter dagegen an.
,,Ich glaube Rezo wäre sehr stolz auf dich", ich nickte Felix zu, ,,Er hätte es dir nie verziehen, wenn du ihm gefolgt wärst."
Felix schwieg und nickte nur. Aber ob er mir die Worte auch glaubte, da war ich mir unsicher.
Ich wandte den Blick ab und ließ ihn durch den Raum schweifen. Mein Kopf war voller Gedanken. Sie reichten von Rezos Beerdigung, über Felix bis zu meinem Aufenthalt hier.
Es war fast so als hätte nicht Rezo, sondern ich den Suizidversuch unternommen. Als wäre ich gescheitert und nach einen Monat im Koma wieder aufgewacht in einer fremden Welt.
Ich kenne diese Welt nicht mehr...
Ohne Rezo war sie leer. Felix war mir fremd. Die anderen beiden hatte ich zu lange nicht gesehen. Ich war zu lange in meiner Trauer ertrunken und jetzt zwang man mich einfach weiterzuleben.
Es ist nicht fair. Nichts daran ist fair.
Ich wandte meinen Blick zum Fenster und musterte meine Spiegelung darin. Felix hatte Recht: Ich sah nicht besser aus als er. Meine Haare waren ebenso ungepflegt und meine Augen ebenso hoffnungslos.
Es muss sich etwas ändern... irgendwas, damit ich nicht in meinen Tränen ertrinke...
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...