-71-

779 73 28
                                    

,,Linke Hand auf rot", rief Felix uns zu uns sah dann erwartungsvoll zu uns. Umständlich befreite ich meine Hand unter Juliens Bein und setzte sie über ihn auf den roten Kreis.
,,Ey", beschwerte sich Julien unter mir, der von uns allen am wenigsten Bewegungsfreitheit hatte momentan, ,,Wie stellst du dir das bitte vor Mexi?" Ich musste grinsen und zuckte nur abwehrend mit den Schultern.
,,Hiiiiaaa", mit Schwung wechselte Rewi hinter mir das Feld und zog sogleich scharf die Luft ein. Durch die neue Position war seine Hand leicht verdreht.
In dem Moment brach Julien unter mir vor Lachen zusammen, als er verzweifelt versucht seine Hand irgendwie unter mir zu einem freien roten Punkt zu bekommen. Sofort musste ich auch lachen, wie er da verzweifelt auf der Plane lag und keine Chance mehr hatte sich zu retten.
,,Scheiße", lachte er und kroch unter mir hervor.
,,Schlecht", kommentierte Rezo und setzte sich erleichtert auf die Plane, ,,Endlich hat das ein Ende."
,,Verlierer", grinste auch Rewi triumphierend und ließ sich auf die Plane fallen.
,,Ich will auch mal", rief Felix und stand auf, während ich von der Plane kroch und ich mich daneben setzte.
Die Runde hatte sich mehrere Minuten gezogen. Einmal war Rezo fast über mir zusammengebrochen und hatte sich nur durch ein waghalsiges Manöver zu Rewi hin retten können. Seitdem hatte ich immer wieder mitlachen müssen.
Gerade war es wieder einer der Momente in denen ich lachen wollte. Leben wollte. Mehr als alles andere wollte ich gerade der Mexify sein, der einfach nur an das Gute im Leben glauben wollte. Der hier raus wollte um gesund zu werden.
Nicht der Mexify, der sich das Leben nehmen wollte. Der sich ritzte. Sich hasste. Gerade wollte ich ich sein.
,,Gut", entschied sich auch Rezo für eine weitere Runde, ,,Wer will drehen?"
,,Ich", rief Julien sofort und erhob sich von der Plane, ,,Ich brauch ne Pause." Er ging an Felix vorbei, der sich neben mir auf den Boden setzte und nahm dessen Platz am Tisch ein.
,,Bereit?", fragte er dann und sah grinsend zu uns.
Rewi formte mit seinem Daumen und Zeigefiger ein "Ok" und grinste ebenso breit zurück. Im schien Twister von uns allen am meisten Spaß zu machen. Er hatte sich sogar nach unserem Einverständnis und einem Blick zur Tür die Ärmel seines Hoodies hochgekrempelt um "agiler reagieren zu können", wie er es nannte. Am Anfang war es mir ziemlich schwer gefallen den Blick von seinen verblassten Narben zu wenden, aber gerade ging es.
Es hatte mich an unsere erste Begegnung erinnert. Wie er dort gestanden und auf uns gewartet hatte. Da hatte er auch mit hochgekrempelten Ärmeln auf uns gewartet. Allerdings hatte man die verblassten Narben aus der Entfernung nicht gesehen. Erst jetzt waren sie mir aufgefallen. Blass und unscheinbar. Anders als meine.
Aber gerade wollte ich nicht an meine Schnitte denken. Genauso wenig wie ich daran denken wollte, dass Rewi sich ebenfalls etwas angetan hatte.
,,Rechter Fuß auf gelb", wies uns Julien an und riss mich aus meinen Gedanken. Ich stand auf und stellte mich auf gelb. Die anderen taten es mir gleich und wir sahen erwartungsvoll zu Julien. Dieser drehte wieder.
,,Rechte Hand auf rot", sagte er mir einem Blick auf die Scheibe. Rewi und ich drehten uns dafür auf den Bauch, während Felix und Rezo sich mit dem Rücken zur Plane positionierten.
,,Interessante Taktiken", kommentierte Julien und drehte erneut, ,,Rechte Hand auf blau." Erwartungsvoll sah er wieder zu uns.
,,Ha", rief Rewi und schnappte Felix sein Feld weg, sodass er jetzt über ihm hing und auf ihn herabsehen konnte. Meine Hand schnellte auf das Feld neben Rewi. Jetzt hatte Felix nur noch eine Möglichkeit und die würde ihn anstrengen.
Als er das begriff schmollte er und hievte sich auf das nächste rote Feld:,,Ihr seid gemein."
Rewi grinste von oben auf ihn herab:,,So geht das Spiel."
,,Also ich hab Platz", lachte Rezo neben mir und musterte uns.
,,Rechter Fuß auf grün", wies uns Julien an und sah wieder neugierig zu uns.
,,Wie das denn?", keuchte Felix und streckte seinen Fuß zum gelben Feld. Geradeso schaffte er es und hing jetzt noch umständlicher unter Rewi. Aber auch dieser hatte jetzt ein Problem, da Felix ihm den besten Punkt weggenommen hatte.
Ich erkannte meine Chance schneller als er und nahm ihm auch den zweitbesten Punkt weg.
Aber im gleichen Moment streckte auf Rewi seinen Hand aus und streifte meinen Ärmel. Für einen kurzem Moment blitzte einer der Schnitte unter dem grauen Stoff hervor. Aber genauso schnell streifte ich mir den Ärmel wieder an meinem Knie über.
Ich hielt den Atem an und sah schnell zu den anderen. Aber Felix versuchte verzweifelt sich über der Plane zu halten und Rezo sah schon wieder erwartungsvoll zu Julien.
Erst als auch Rewi seine Hand zurückzog und genervt auf seine verbliebenen Optionen sah wagte ich wieder zu atmen.
Scheiße, das war knapp. Ich spürte wie heftig mein Herz in meiner Brust schlug und kurz glaubte ich einfach nachgeben und mich hinsetzen zu müssen. Aber der Gedanke nicht auffallen zu wollen war stärker.
,,Mexi du bist doof", grinste Rewi und sprang halb auf seine letzte Möglichkeit. Fast glaubte ich, dass seine Hände nachgeben würden, aber er fing sich noch rechtzeitig. Auch er schien also nichts bemerkt zu haben.
,,Wehe du krachst über mir zusammen", sagte Felix unter ihm und sah zu Julien, der schon wieder an der Tafel drehte.
,,Hihi, das wird lustig", kicherte er als die Drehscheibe stehen blieb, ,,Rechte Hand auf gelb."
,,Was?", fragte Rewi und Felix gleichzeitig schockiert und rissen mich damit wieder entgültig zurück ins Spielgeschehen.
,,Easy", Rezo plazierte seine Hand ohne Mühe auf dem gelben Feld und sah dann neugierig zu uns. Etwas umständlicher gelang es auch mir mich auf dem gelben Feld zu halten. Aber Rewi und Felix hatten mit dem Positionswechsel ein Problem: Zum einen gab es für beide nur einen geeigneten Punkt und zum anderen war es für beide derselbe.
,,Wer nicht wagt, der nicht gewinnt", entschied Rewi nach kurzem Überlegen und versuchte seine Hand auf das gelbe Feld zu bewegen. Allerdings nahm ihm die Bewegung jedliche Stabilisation und fast sofort brach er über Felix zusammen, der Rewis Gewicht nicht halten konnte und unter ihm auf der Plane begraben wurde. Felix stieß noch einen erschrockenen Schrei aus, aber der half ihm auch nichts.
,,Oh sorry", entschuldigte sich Rewi und stand sofort auf.
Felix setzte sich sofort auf und atmete tief durch:,,Geht schon."
,,Äh, Felix", bemerkte Rezo hinter mir, als er sich ebenfalls aufsetzte, ,,Du blutest."

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt