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,,Es freut mich auch sehr, dass Maximilian erste Fortschritte macht", ging Frau Ohle auf die Worte meiner Mutter ein, ,,Aber wir stehen eben noch ganz am Anfang der Therpie. Sie holte einen Zettel aus der Mappe und reichte ihn meinen Eltern.
Mein Vater griff danach und las sich das darauf geschriebene durch.
,,Was ist das?", fragte meine Mutter und sah ebenfalls darauf.
,,Es handelt sich um die Diagnose", antwortete Frau Ohle, ,,Sie müssten auf der Seite nochmal ihr Einverständnis zu der Medikation und weiteren Behandlung geben."
Dabei lächelte sie mir aufmunternd zu.
Aber ich nahm sie kaum wahr, spürte nur den Schmerz in meinem Arm, der das einzige Mittel schien um mich zu beruhigen.
,,Ich bin nicht bereit weiter die Kosten zu tragen, wenn mein Sohn sich hier nicht anstrengt. Am Ende versucht er sich nur wieder das Leben zu nehmen, scheitert wieder und muss weitere Monate hier verbringen. Wo soll das denn enden?", er schüttelte nur den Kopf und sah zu meiner Mutter.
,,Das stimmt schon. Ich glaube Max weiß gar nicht wie genervt die Rettungssanitäter damals waren", sagte sie daraufhin und warf mir einen fragenden Blick zu.
Genervt. Ich spürte wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete.
Genervt davon einen Jungen am Leben zu erhalten, der genau dagegen ankämpfte. Der seine scheiß Tabletten geschluckt hatte um genau dem zu entkommen: Zu nerven.
,,Ich glaube kaum das die Ruttungskräfte genervt davon waren ihren Sohn ins Leben zurückzuholen. Es gibt immer wieder junge Menschen die Suizid als Ausweg wählen und scheitern. Hier können wir ihnen helfen", Frau Ohle nickte mir zu, ,,Ihr Sohn ist krank und wir wollen ihm helfen."
,,Nur weil er ein paar Tabletten geschluckt hat, hat er doch nicht ernsthaft versucht sich umzubringen", ich hörte die Wut in der Stimme meines Vaters mühelos heraus.
Und gleichzeitig war da meine eigene Wut die langsam in mir aufstieg. Diese scheiß Wut wieder dazusitzen und mir anhören zu müssen wie scheiße ich war. Wie schwach es war, dass mich ritzte. Wie sehr ich mir das alles ausdachte.
,,Die Dosis ihres Sohnes hat ihn fast das Leben gekostet und-", hob Frau Ohle bemüht ruhig an, aber meine Mutter fuhr dazwischen:,,Maximilian, du hast die Tabletten doch nicht wirklich genommen um dich umzubringen. Du wolltest, dass wir dich von der Schule nehmen und dachtest, indem du uns einen Schreck versetzt, würden wir dem zustimmen."
Ihr Blick war so flehend auf mich gerichtet, dass ich Mühe hatte ihm standzuhalten.
Richtig, es war ein blöder Spaß. Genau das wollte ich.
,,Genauso war es", stimmte meim Vater ihr zu, ,,Max, wir sind es Leid das Theater weiterhin mitzumachen."
In dem Moment riss irgendwas in mir. Einfach so. Und es ließ die Wut frei.
,,Ich hab versucht mich umzubringen!", schrie ich fast und sprang auf, ,,Ich hab die scheiß Tabletten genommen um endlich tot zu sein! Tot für immer! Damit ich mir das Leben Tag für Tag nicht mehr geben muss! Damit ich mir eure Worte nicht mehr amhören muss! Damit mich diese verdammte Welt einfach los ist!"
Ich spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen. Diese verdammten Tränen. Sie verschwammen mein Sichtfeld, aber ich ignorierte es.
,,Ich will verdammt nochmal sterben. Ich kann das alles nicht mehr. Die Schule, die Beleidigungen, die Noten, meine Gedanken. Alles macht mich so scheiße kaputt und ich will nur noch tot sein. Ich will nichts mehr fühlen, nicht mehr da sein, einfach alles! Ich will einfach nur sterben!", Tränen begannen über meine Wange zu rinnen. Mein Körper bebte und mein Herz schlug so heftig in meiner Brust, dass es mich an das Gefühl einer Panikattacke erinnerte.
,,Ich kann nicht mehr, wirklich. Ich bin am Ende. Ich weiß nichtmal, wie ich auch nur einen weiteren Tag schaffen soll", ich hörte mein Schluchzen, aber ich würde nicht nachgeben. Auch wenn ich die Wut in den Augen meines Vaters sah.
,,Hör auf sowas zu sagen! Du denkst dir das alles nur aus", seine drohende Stimme brachte mich zum wanken. Nicht einbrechen. Einmal nicht einbrechen.
,,Ich denk es mir nicht aus! Ich wünschte ich würde nicht sterben wollen, aber egal was ich tue oder versuche, alles mache ich falsch. Du hast Recht, ich bin eine Enttäuschung! Ich bin ein absoluter Hurensohn. Ich kann mich ja nichtmal selbst im Spiegel ansehen!", meine Stimme zitterte bei jedem Wort. Sie zitterte, weil sie zum ersten mal alles aussprach was ich fühlte. Meine dunkelsten Gedanken.
Mein Vater wollte wieder etwas sagen, aber ich war schneller:,,Ich will eine scheiß Klinge um es zu beenden! Ich will mir meine scheiß Pulsadern aufschneiden, damit ich gehen kann. Wieso könnt ihr das nicht verstehen? Ich will einfach nur gehen! Ich ertrag die Welt nicht..."
Meine Stimme versagte und meine Welt wurde von weiteren Tränen getrübt. Ich stand einfach nur noch da, zitterte und ließ zu wie Tränen über mein Gesicht rannen.
,,Max, du bist gestört. Einfach nur gestört!", es waren die einzigen Worte meines Vaters und sie verfehlten ihr Ziel nicht.
Und ohne das ich wirklich wusste was ich tat, dreht ich mich um und ging zur Tür. Ich blendete Frau Ohles Stimme und die meiner Mutter aus.
Mein ganzer Körper zitterte so sehr, dass es mich zwei Versuchte brauchte um die Türklinke herunterzudrücken und den Raum zu verlassen.
Mein Schluchzen hallte den Gang entlang, als ich den Weg zurück zur Station ging. Ich wollte nicht dorthin. Ich wollte nirgendwo hin. Was ich sagt hatte stimmte: Ich wollte tot sein. Nur das. War das wirklich zu viel verlangt?
Es wunderte mich ein wenig, dass mir niemand folgte, aber gleichzeitig war es mir auch egal. Ich wollte allein sein.
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und ging die Treppe zur Station hoch. Es gab nur eines was ich jetzt tun wollte. Und dafür musste ich leider zurück. Musste mich die Treppen hinaufquälen um das einzig richtige zu tun, was mir blieb. Denn ich konnte nicht mehr zurück. Das Gespräch hatte es mir deutlich genug gemacht.
Niemand verstand mich. Niemand versuchte mich zu verstehen.
Ich muss nur tief genug schneiden...

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt