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,,Guten Morgen, Maximilian", begrüßte mich eine Pflegerin freundlich und musterte mich einen Augenblick, bis sie sicher war, dass ich wach war, ,,Gut geschlafen?" Ich gähnte und nickte nur schwach.
,,Sehr schön", mit diesen Worten verließ sie mein Zimmer wieder und die Tür schloss sich hinter ihr. Sofort sank ich in mein Bett zurück und fuhr mir müde durch die Haare. Es hatte ewig gedauert, bis ich irgendwie Schlaf gefunden hatte. Jedes mal, wenn ich dem Schlaf zu nahe gekommen war, war ich von einem Donner oder einem neuen Gedanken geweckt worden. Irgendwann musste ich dennoch eingeschlafen sein, denn den Aufgang der Sonne hatte ich nicht mehr mitbekommen.
Mit einem Ruck setzte ich mich auf und ging zum Schrank.
Wozu zog ich mich überhaupt um? Ob ich im Hoodie gepennt hatte oder nicht, interessierte hier sowieso niemanden. Und schöner sah ich mit einem Neuen sowieso nicht aus.
Dennoch öffnete ich den Schrank und mein Blick fiel sofort auf Rezos Hoodie, der ganz oben lag. Es versetzte mir einen Stich. Aber sofort verdängte ich die Traurigkeit, die in mir hochstieg und schloss stattdessen die Schranktür wieder.
Mir ging es miserabel. Ich hatte kaum geschlafen, mein Kopf schmerzte vom Denken und ich wusste nicht, wie ich die nächsten Tage irgendwie überstehen sollte. Vielleicht sollte ich einfach im Zimmer bleiben, bis sie mich auf 2 stecken. Aber dort würde mein Plan zu gehen nur noch komplizierter werden.
Ich zog meine Kapuze über den Kopf und ging zur Zimmertür. Meine krausen Haare musste heute wirklich niemand sehen. Mit einem mulmigen Gefühl verließ ich mein Zimmer und ging den Flur zum Speiseraum entlang. Immer wieder hatte ich das Gefühl beim nächsten Schritt einfach zusammenzubrechen, aber irgendwie schaffte ich es dennoch zum Speiseraum.
Ohne mir etwas zu Essen zu nehmen ging ich zu meinem Stuhl und ließ mich darauf sinken. Dann vergrub ich mein Gesicht in den Händen und seufzte. Wie sollte ich einen Tag, geschweige denn mehrere schaffen, wenn ich nichtmal einen Morgen ertrug?
Am liebsten hätte ich wieder geweint, so schlecht fühlte ich mich. Aber ich hatte einfach keine Tränen mehr. Und irgendwo war weinen auch sinnlos. Es half mir weder dabei das mit Rezo zu verkraften, noch zu sterben. Und dennoch weinst du wie ein Schwächling.
,,Morgen Mexi", begrüßte mich Julien in dem Moment und ließ sich neben mir nieder. Bei seinen Worten zuckte ich zusammen und sah verwirrt zu ihm.
,,Alles okay?", fragte dieser verwirrt.
,,Glaube er träumt noch", scherzte Rewi und ließ sich gegenüber von mir nieder.
,,Was?", fragte ich und kniff für einen Moment die Augen zusammen. Irgendwie ging mir das alles gerade zu schnell.
,,Hast du überhaupt was gegessen?", fragte Julien und tippte auf den nicht vorhandenen Teller vor mir.
,,Doch, doch hab ich", antwortete ich müde und biss mir sofort auf die Lippe. Dumm. Dumm. Dumm.
,,Soviel dazu, wir können dir glauben", Rewi meinte es vermutlich nicht so, wie es klang, aber er schüttelte dennoch den Kopf.
,,Sorry", ich seufzte und versuchte irgendwie die Müdigkeit abzuschütteln, ,,Bin einfach nur fertig grad."
,,Verständlich", kommentierte Julien.
,,Hi Mexi", in dem Moment ließ sich auf Felix auf seinem Stuhl nieder und lächelte mir entschuldigend zu, ,,Sorry wegen gestern, ich musste damit erstmal klarkommen."
Ich schüttelte sofort den Kopf:,,Mir tut es Leid, Felix. Dir muss gar nichts Leid tun." Ich fasste mir an den Kopf und atmete tief durch.
,,Ne ehrlich", murmelte Felix, ,,In so einer Situation sollten wir für dich da sein. Nicht uns abwenden."
,,Passt wirklich", winkte ich ab und schloss wieder die Augen. Mir war schlecht.
,,Kopfschmerzen?", wechselte Rewi das Thema. Ich nickte und gähnte. Der Tag began so scheiße, wie der letzte geendet hatte.
,,Du solltest dir eine Schmerztablette von den Pflegern holen", riet Felix mir mitfühlend.
,,Passt schon", murmelte ich. Wieso kümmerten sie sich eigentlich noch um mich? Sie sollten mich fühlen lassen, was ich sie fühlen ließ. Enttäuschung. Schmerz. Verlust. Stattdessen versuchten sie immernoch darüber hinwegzusehen. Nur Rezo nicht.
Ich kniff bei dem Gedanken die Augen zusammen. Rezo machte es genau richtig, er ließ mich den Schmerz fühlen. Die Schmerzen, die ich verdient hatte.
,,Geh dir wirklich mal eine holen", Julien legte mir seine Hand auf die Schulter, was mich augenblicklich zusammenzucken ließ. Ich schüttelte wieder nur den Kopf. Hätte ich Tränen gehabt, hätte ich vermutlich sofort geweint. Aber ich konnte nicht.
,,Ich geh aufs Zimmer", ich stand ruckartig auf und ging durch den Speiseraum zum Flur zurück. Wenn sie mich nicht fühlen ließen, was ich verdient hatte, musste ich es mich selbst fühlen lassen. Besser ich grenzte mich ab, anstatt es sie tun zu lassen.
Das Rezo nicht beim Essen war, bestätigte mir nur nochmal, dass ich ihn wirklich verloren hatte. Aber irgendwie wollte ich noch nicht aufgeben. Ich brauche Gewissheit.
Mit zügigen Schritten ging ich zu meinem Zimmer, öffnete die Tür und ging zum Schrank. Ich öffnete ihn und griff nach Rezos Hoodie.
Dann verließ ich mein Zimmer wieder und ging den Flur entlang zur Zimmertür seines Zimmers. Ohne anzuklopfen öffnete ich die Tür und sah mich im Raum um.
Wie immer war es unordentlich. Und fast hätte ich Rezo übersehen, der auf einem der Stühle saß und mir einen kurzen Blick zuwarf. Aber es war genau dieser kurze Blick, der meine Hoffnung zerschlug. Wie ein Hammer, der einen Spiegel zerspringen ließ.
,,Dein Hoodie", stotterte ich mehr oder weniger, ging zu ihm und legte ihn auf den Tisch.
,,Okay", war sein einzigen Kommentar, der so fremd und abweisend klang, dass ich glaubte nicht mehr atmen zu können. Jetzt hast du ihm also wirklich richtig wehgetan.
Ich spürte wie sich meine Bruste zusammenschlang, als wollte sie mein Herz zerquetschen.
Du wolltest diese Gewissheit doch.
Aber sie tat dennoch weh. Wie ein weiterer Stich, in ein durchlöchertes Herz. Ohne ein weiteres Wort, wandte ich mich um und verließ das Zimmer wieder. Aua.
Ich schlang meine Arme um meinen Körper und ging zu meinem Zimmer zurück. Dort ließ ich mich auf mein Bett sinken und begann zu zittern. Der Schmerz schien meinen ganzen Körper auszufüllen.
Jetzt habe ich Gewissheit...

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt