,,War ja mal wieder super", kommentierte Felix, als wir den Gemeinschaftsraum verließen. Seine Stimme hat einen so gereizten Unterton, dass sie sich beihnah überschlug, ,,Ich mein, was denken sie sich dabei, einen Haufen psychisch kranken Jugendlichen mit dämlichen Wochenzielen zu konfrontieren, wenn die es nichtmal hinbekommen unsere Psyche in den Griff zu bekommen?"
Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Von uns allen war Felix am wenigsten erfreut über sein neues Wochenziel gewesen.
,,Wie soll ich hier denn bitte einmal die Woche Sport machen, außer in der Sporttherapie? Soll ich wie ein geistig gestörter nen paar Runden um den Pavillion joggen? Oder besser noch, ich jogge hier auf der Station über den Flur. Da werd ich ja sofort auf 2 gesteckt", er sah fassungslos von einem zum anderen. Julien verkniff sich gerade mit aller Mühe ein Grinsen und Rezo musste schmunzeln. Nur Rewi traute es sich Felix auf die Schulter zu klopfen:,,Das sollst du natürlich nicht." Aber auch er musste leicht grinsen.
,,Das ist nicht lustig, Rewi", beschwerte sich Felix und schubste dessen Hand weg, ,,Außerdem musst du dich nur im Griff haben ne Woche lang. Das krieg ich locker hin."
,,Du bist ja auch nicht ich", Rewi zuckte mit den Schultern und schien die Bemerkung einfach herunterzuschlucken, die Felix bezüglich seines Aussetzers geäußert hatte.
,,Ich muss diese Woche zu allen drei Therpien", Rezo seufzte, ,,Die Woche wird super." Ich verstand ihn nur zu gut. Eine Therapie reichte mir schon, aber drei waren einfach zu viel.
,,Aber du hast dein letztes Wochenziel geschafft", Rewi versuchte es jetzt bei Rezo und klopfte ihm auf die Schulter. Ich nickte unmerklich, auch wenn mir immernoch nicht ganz klar war, was sein Wochenziel gewesen war. Aber in jedem Fall schien es gut zu sein, dass er es geschafft hatte.
,,Was hast du nochmal?", fragte Rewi jetzt mich, der meinen Blick bemerkt hatte.
Ich seufzte:,,Ein Gespräch mit den Pflegern wegen meiner Familientherapie."
,,Oh fuck, da war ja was. Lief nicht gut?", fragte Felix und drängte sich zwischen Rewi und mich. Ich warf einen schnellen Blick zu Julien.
Hatte er ihnen nicht erzählt, was passiert war? Aber dieser schüttelte nur unmerklich den Kopf und lächelte. Sofort spürte ich die Welle der Erleichterung über mich kommen. Danke.
,,Können wir später drüber reden", wich ich aus und hoffte, dass es Felix reichen würde.
Dieser nickte sofort:,,Klar, dann also beim Gesprächsabend." Er lächelte und übernahm die Führung zum Speiseraum. Nacheinander betraten wir diesen und stellten uns in die Schlange zur Essensausgabe.
,,Auch wenn dein Wochenziel nicht das Essen ist, iss mal was", Rezo hatte sich hinter mich gestellt und zu mir gebeugt.
Etwas verwirrt drehte ich mich zu ihm um:,,Ich ess genug." Meine Stimme war immernoch nicht so stabil, wie ich sie wollte, aber immerhin zitterte sie nicht mehr so wie heute Morgen.
,,Du solltest mehr essen", fuhr Rezo nur fort, ,,Wirklich, Mexify." Ich verdrehte die Augen, auch wenn er irgendwo Recht hatte. Aber ich hatte gerade einfach wirklich keinen Hunger, das musste er auch verstehen.
Ich bleibe schon für dich ein wenig länger. Mehr kann ich nicht auch noch tun. Dennoch nahm ich mir ein Brot und eine Scheibe Käse. Damit folgte ich Julien zu unserem Tisch und setzte mich.
,,Rezo hat Recht", mischte sich Julien ein, als er sich neben mir niederließ, ,,Essen ist wichtig." Ich verdrehte erneut die Augen. Nicht du auch noch.
,,Ich weiß. Du bist aber nicht meine Mutter", ich konnte einen genervten Unterton nicht verhindern, auch wenn ich ihn bereute. Einen weiteren Streit brauchte ich gerade wirklich nicht, aber mein Kopf lief seit dem Gespräch noch immer Amok und niemand konnte ihn aufhalten.
Der Gedanke an meine Eltern versetzte mir wieder einen Stich. Sie saßen zuhause und redeten vermutlich über mein unmögliches Verhalten. Vermutlich wäre es sogar besser gewesen irgendwie mit ihnen zu kommen. Dann hätte ich jetzt mit einer frischen Klinge in meinem Zimmer sitzen und die verdammten Pulsadern aufschneiden können. Und dann wäre dieser ganze scheiß endlich vorbei. So sehr ich das Bild auch verdrängen wollte, so sehr blieb es.
,,Sorry, bin grad einfach fertig", seufzte ich und fasste mir an den Kopf. Am liebsten hätte ich wieder geweint, obwohl ich mir sicher war, dass ich keine Tränen mehr hatte. Wieso war alles nur so unfassbar schwer?
,,Ich weiß, mir tuts Leid", Julien stubste mich entschuldigend an. In dem Moment setzten sich Felix, Rewi und Rezo ebenfalls zu uns.
,,Alles okay?", fragte Felix und musterte mich besorgt. Sofort ließ ich meine Hand sinken und nickte:,,Klar, bin nur müde." Was für eine schlechte Lüge.
,,Ich dachte du hast geschla-", hob Felix an, aber Rewi stieß ihm in die Seite und sah ihn genervt an:,,Man, Felix, du siehst doch, dass es ihm nach der Therapie heute nicht gut geht." Felix schwieg und warf mir einen weiteren Blick zu.
,,Stimmt... sorry", entschuldigte er sich und biss in sein Brot. Nicht du auch noch. Innerlich schüttelte ich den Kopf.
Ich wollte keine Entschuldigungen, ich wollte einfach, dass sie mich gerade in Ruhe ließen. Die Welt war mir zu viel und wenn es so weiterging sie auch. Und dann würde meine letzte Säule, die mich hier hielt, einstürzen und mich mitreißen.
,,Steht morgen was an?", lenkte Rezo ein neues Thema ein und sah fragend in die Runde.
,,Bei mir nicht", Julien zuckte mit den Schultern, ,,Wir könnten uns ja morgen mal wieder mit Taddl und Ardy treffen."
,,Gute Idee", Rewi nickte, ,,Aber nur wenn Luca nicht auch da ist." Dabei warf er einen Blick zu Rezo, der ihn jedoch ignorierte. Warscheinlich hoffte dieser sogar ein bisschen, dass Luca da war. Scheiß Luca.
Ein Problem jagte das nächste und das einzige an dem ich mich festhalten konnte, waren meine "Freunde", von denen ich nur wusste, dass wir "Freunde" waren, weil wir alle hier festsaßen. Schon dumm von mir, ihnen zu vertrauen. Zumal die Hälfte von uns sich schon midestens einmal versucht hatte das Leben zu nehmen.
Statt das wir uns alle gleichzeitig umbringen, versuchen wir die anderen am Leben zu erhalten, um zuerst gehen zu können. Ich sah zu Rezo.
War das seine Intention? Mich am Sterben zu hindern, um zuerst gehen zu können? Damit ich mit dem Schmerz leben musste und nicht er?
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...