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Ich öffnete die Augen und starrte in die Dunkelheit. Julien schnarchte leise am Ende des Zimmers und Rezo atmete ruhig auf der anderen Seite.
Aber egal wie oft ich die Augen schloss, wie oft ich mich drehte oder versuchte den Gedanken in meinem Kopf zu entfliehen, es gelang mir nicht. Ich konnte keinen Schlaf finden. Mein Kopf war genau hier und nicht auf der anderen Seite der Nacht.
Immer wieder zerrte er mich zu dem Moment zurück als ich mir die Klinge auf die Haut gedrückt hatte und nur hätte durchziehen müssen. Und jedes mal fragte ich mich, wieso ich es nicht getan hatte. Wieso lebe ich noch?
Ich seufzte leise und schloss für einen Moment die Augen.
,,Kannst du nicht schlafen?", fragte Rezo in dem Moment leise und ich hörte wie er seinen Kopf in meine Richtung drehte. Ich zuckte zusammen und öffnete meine Augen wieder. Dann drehte ich meinen Kopf in seine Richtung und konnte seine Gestalt im dunklen Zimmer erahnen.
,,Nein", antwortete ich zögernd.
,,Dann komm her", ich hörte wie Rezo seine Decke umschlug und zur Seite rückte. Unsicher setzte ich mich auf und versuchte in der Dunkelheit Rezos Bett und Gestalt einzuordnen.
Dann stemmte ich mich mühsam hoch und ging in dessen Richtung. Rezo setzte sich auf und rückte mit dem Rücken zur Wand. Vorsichtig ließ ich mich neben ihm nieder und tat es ihm gleich.
,,Willst du drüber reden?", fragte Rezo und sah zu den Vorhängen, die das Mondlicht verdeckten. Ich schwieg und versuchte meine Gedanken zu ordnen.
,,Ich weiß nicht ob die Entscheidung richtig war zu bleiben", hob ich nach einer Weile zögernd an. Dann fixierte ich nachdenklich einen Punkt in der Dunkelheit.
War es besser zu leben und den Entschluss immer wieder aufs neue zu hinterfragen oder es einfach zu tun? Denn egal wie gut ein Tag war, egal wie viel ich lachte, sobald die Nacht kam, kamen die Gedanken. Die erdrückenden Gedanken daran was für ein schlechter Mensch ich war, was ich falsch machte und wie sinnlos es war auf einen neuen Tag zu warten.
,,Bereust du sie?", fragte Rezo leise.
,,Ich weiß es nicht", ich seufzte und zog die Beine an den Körper. Wollte ich mein Atmen gegen einen stummen Körper tauschen?
,,Wieso lebst du dann?", fragte Rezo weiter. Seine ruhige Stimme schien den ganzen Raum einzunehmen.
Ja, wieso lebte ich? Weil Rezo in das Zimmer gekommen war? Nein, denn dann hätte ich es dennoch versuchen können. Weil er auf mich eingeredet hatte? Nein, auch dann hätte ich es tun können? Weil ich ihm eine zweite Chance gab? Nein, denn man blieb nicht einer anderen Person zu Liebe am Leben.
,,Vielleicht bin ich selbst zum Sterben zu schwach", flüsterte ich traurig und starrte in die Schwärze. Denn egal wie sehr ich eine Antwort suchte, mir fiel keine ein. Wieso sollte ich leben, wenn alles in mir sterben wollte? Rezo schwieg.
,,Kannst du mir eine ehrliche Antwort geben?", fragte ich und sah zu seiner dunklen Gestalt.
,,Klar", er nickte und sah interessiert zu mir.
,,Hättest du mich ein paar Minuten später gefunden, hättest du mich sterben gelassen?"
,,Wie meinst du das?", fragte er und musterte mich.
,,Hättest du die Pfleger gerufen oder mich verbluten lassen?", fragte ich mit fester Stimme, auch wenn mein Körper zitterte. Ich brauchte diese Antwort. Wofür auch immer.
,,Ich könnte dich nicht sterben lassen", murmelte Rezo leise, ,,Das hätte ich mir nie verziehen. Tut mir Leid, Mexi." Ich schloss die Augen und atmete langsam aus. Natürlich. Womit hatte ich gerechnet?
,,Und wenn es mein größter Wunsch wäre?", ich spürte wie sich Tränen in meinen Augen sammelten. Schon wieder. Schon wieder so schwach.
,,Ich wäre dennoch egoistisch",  Rezo zuckte mit den Schultern.
,,Und wenn ich dich hassen würde?", fügte ich hinzu.
,,Es wäre egal. Denn ich hasse dich nicht", antwortete Rezo beharrlich und musterte mich.
,,Du hättest allen Grund dazu", stellte ich fest. Es gibt keinen Grund mich nicht zu hassen nach allem was ich getan habe. Meinen Lügen, meiner Dummheit, meinem Egoismus.
,,Dich kann man nicht hassen", Rezo lächelte leicht. Doch kann man.
Wieso verstand er das nicht? Wieso konnte er mich nicht einfach hassen? So wie so viele andere? Es würde das alles so viel einfacher machen. Dann wäre ich gar nicht mehr hier, endlich fort. Keine weitere Nacht, die ich versuchte herauszufinden ob ich leben oder sterben wollte.
,,Es würde alles so viel einfacher machen", ich spürte wie eine Träne über mein Gesicht lief. Eine weitere sinnlose Träne.
,,Manchmal wünschte ich du könntest dich sehen wie du bist", Rezo drückte mich sanft an den Stoff seines Hoodies, ,,Aber du siehst dich leider so, wie deine Gedanken es wollen." Meine Gedanken lügen mich immerhin nicht an. Aber sofort zog ich den Gedanken zurück. Von Lügen hatte ich genug. Wieso sollte Rezo jetzt lügen?
,,Wieso ist das Leben so verdammt hart?", fragte ich mich selbst.
,,Es wählt die stärksten aus Prüfungen zu bestehen, die andere nie schaffen würden", flüsterte Rezo leise.
,,Ich bin aber auch nicht stark genug", ich zitterte leicht und eine weitere Träne lief über mein Gesicht.
,,Du bist der stärkste von allen", entgegnete Rezo. Aber sofort schüttelte ich den Kopf. Ich war alles andere als stark.
,,Ich will nicht wirklich sterben glaube ich", flüsterte ich und drückte mich an Rezo, ,,Aber ich weiß einfach nicht wie ich leben soll." Ich unterdrückte ein Schluchzen.
,,Fang damit an zu atmen", flüsterte Rezo, ,,Mehr kann erstmal niemand von dir verlangen."
,,Aber ich will mehr als das", entgegnete ich, ,,Ich will verdammt nochmal glücklich sein!" Eine weitere Träne lief über mein Gesicht.
,,Glück braucht Zeit", flüsterte Rezo.
,,Ich habe keine Zeit mehr", hielt ich dagegen und zitterte.
,,Dann werde ich versuchen dir so viel Zeit zu verschaffen, wie ich kann. Das verspreche ich dir", flüsterte Rezo mit einer so ruhigen Stimme, dass ich mir wünschte ihm einfach glauben zu können.
Aber innerlich wusste ich, dass der Zeiger meiner Uhr schon lange über die zwölf gewandert war. Und jede weitere Sekunde die verstrich war eine Sekunde, die es nicht geben sollte.

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt