Ich konzentrierte mich auf Rezos Herzschlag und merkwürdigerweise beruhigte mich das gleichmäßige Schlagen. Aber meine Gedanken gaben keine Ruhe.
Du wolltest dir etwas antun.
Es war das einzige, was mich mein Kopf denken ließ. Das einzige was mich fühlen ließ was ich fühlte.
,,Was ist los?", fragte Rezo leise und ich spürte das sein Blick auf mir ruhte. Vorsichtig löste ich mich von ihm.
,,Alles okay", ich atmete tief durch und lächelte. Rezo erwiderte er notdürftig. Dann musterte er mich wieder.
,,Reden wir später?", fragte er. Ja.
,,Nein", ich schüttelte gegen meinen Willen den Kopf, ,,Geht schon. Wirklich." Ich sah das stumme Flehen in seinen Augen und den Kampf in seinem Kopf. Aber schließlich gab er nach und nickte:,,Okay." Es klang zwar nicht nach einem okay, aber er ließ locker.
,,Gehen wir zu den anderen", erschied er und ich folgte ihm die letzten Stufen hinunter.
,,Seht mal!", rief uns Felix entgegen als Rezo die Tür öffnete. Die eiskalte Luft die mir entgegen schlug raubte mir kurz den Atem. Wann war es so kalt geworden?
Dann erst spürte ich die ersten kleinen Flocken, die sich wie sanfte Regentropfen auf meiner Haut ausbreiteten und sofort schmolzen.
,,Es schneit!", rief auch Julien und grinste mich freudig an.
,,Wann hat das denn angefangen?", die Euphorie in Rezos Stimme war kaum zu überhören. Wie ein kleines Kind starrte er mit strahlenden Augen in den Himmel von dem immer mehr Flocken herabfielen.
,,Muss gerade erst angefangen haben", antwortete Felix und streckte seine Hand nach den kleinen Kristallen aus. Ich schloss die Tür hinter mir und trat ganz ins Freie.
Mein Blick richtete dich auf den grauen Himmel und das immer dichter werdende Schneetreiben über mir.
,,Ich hätte nicht... also", began ich und stockte dann als die kalten Flocken auf meine Hand fielen.
Mein Kopf war still. Als hätte man einen Film einfach pausiert. Die Gedanken an Rezo waren einfach fort. Das einzige was ich sah waren die weißen Flocken.
,,Was ist?", fragte Rezo nach und stellte sich neben mich. Ich konnte ein Lächeln nicht verstecken. Schnee.
,,Ich dachte nur... also ich-", began ich wieder und schüttelte dann den Kopf. Es klang bescheuert.
,,Sag schon", ermutigte mich Julien und sah vom Himmel zu mir.
,,Ich hab nur daran gedacht, dass ich nie gedacht hätte nochmal Schnee zu sehen", sagte ich schließlich leise und ließ die Flocken auf meinen Handrücken fallen.
,,Vielleicht ist das ein Zeichen", Rezo nickte mir zu.
,,Wofür?", lachte ich.
,,Na, das alles gut wird", antwortete Rezo. Kurz trafen sich unsere Blicke, dann lachten wir beide.
Julien grinste:,,Guter Witz."
Ich schüttelte lachend den Kopf. Was war los mit mir? Waren das die Medikamente? Vor einigen Minuten hätte ich losheulen können und jetzt kam ich aus dem Lächeln nicht mehr heraus.
Ich kannte Stimmungsschwankungen von mir. Auch sehr heftige. Aber so stark waren sie noch nie umgeschwungen. Ich hätte immer noch heulen können, aber gerade versperrte ein Schleier aus Flocken meine Gedanken.
Unbewusst musste ich zu Rezo sehen, der wieder fasziniert zum Himmel blickte. Ja, er wollte sich etwas antun. Aber er tat es nicht. Zumindest erstmal. Vielleicht sollte ich mich darauf konzentrieren. Darauf, dass er sich nichts tun konnte, solange er nicht in Lucas Nähe kam. Und gerade war Luca nicht da.
,,Ob der liegen bleibt?", fragte Julien und zog sich seine Kapuze über den Kopf.
,,Denke nicht", schätzte Felix ab, ,,Aber wenn es jetzt schneit, dann bestimmt auch die nächsten Tage."
,,Dann müssen wir unbedingt einen Schneemann bauen", Rezos lächeln wurde noch breiter.
Einen Schneemann bauen. Wie lange hatte ich keinen Schneemann mehr gebaut? Hatte ich überhaupt einmal daran gedacht einen zu bauen in den letzten Jahren? Vermutlich nicht.
Das einzige was ich die letzten Winter getan hatte war depressiv in meinem Zimmer zu sitzen und mich zu ritzen. Ab und zu mal eine zu rauchen und darüber nachzudenken mir das Leben zu nehmen. Und jetzt wo ich es beschlossen hatte, dachte ich wieder daran, wie schön der Winter sein konnte?
,,Und eine Schneeballschlacht!", fügte Julien hinzu und zwinkerte Rezo zu.
,,Oh ja", dieser erwiderte es, ,,Darin bin ich Profi."
,,Und Schneenegel machen", lachte Felix mit hoher Stimme.
,,Natürlich", kommentierte Julien mit einem ironischen Unterton.
,,Vielleicht gehen wir wieder Schlitten fahren", Rezo warf einen fragenden Blick zu Felix.
,,Schlittenfahren?", fragte ich verwirrt, ,,Wo das denn?"
,,Letztes Jahr sind wir einmal mit der Station Schlittenfahren gegangen", erzählte Felix, ,,Also Rezo, Rewi und ich."
,,Ihr wart ohne mich Schlittenfahren?", fragte Julien mit gespielter Eifersucht in der Stimme.
,,Tja", lachte Rezo, ,,Du kamst halt erst nen Monat später."
,,Ihr wart vor Julien da?", fragte ich interessiert. Bisher kannte ich die Geschichte der anderen zu ihrem Aufenthalt hier nur grob.
,,Ich war ja erst fast vier Monate in der Geschlossenen und kam dann auf 3. Da hab ich Rewi und Felix kennengelernt. In dem Monat waren wir auch Schlittenfahren. Drei Wochen später kam Julien in mein Zimmer", erinnerte sich Rezo nach kurzem überlegen.
,,Und zwei Monate danach sind Rewi und ich zu Taddl und Ardy auf 4 gezogen", ergänzte Felix lächelnd. Ich versuchte mir die Zeitangaben vorzustellen, aber irgendwie fiel es mir schwer. Vorallem schon ein Jahr hier zu sein, wie Rezo.
,,Das ist ziemlich lang", murmelte ich schließlich.
,,Du bist auch schon fast drei Wochen hier", warf Rezo ein, ,,Kommt dir das immernoch lange vor?" Drei Wochen? War ich wirklich schon so lange hier? Tatsächlich hatte Rezo Recht. Manchmal kam es mir so vor, als wäre ich gestern erst hier angekommen.
,,Wie lange bleibt ihr denn noch?", fragte ich zögernd. Eigentlich wollte ich es nicht wissen. Zum einen hatte ich Angst vor der Antwort und zum anderen war es nicht von Bedeutung.
Denn auch wenn es diese Momente gab in denen ich das Gefühl hatte zu leben, war da immernoch das andere Gefühl. Das Gefühl alles beenden zu wollen. Und es verschwand nicht. Es stellte sich vielleicht in den Hintergrund und sah mir beim Lachen zu. Aber es hatte seine Ketten immernoch um mich gelegt und wartete auf den richtigen, perfekten Moment um sie zuzuziehen.
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...