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,,Guten Morgen", eine Frau um die vierzig mit langen blonden Haaren und hellblauen Augen ließ sich auf dem Stuhl mir gegenüber nieder. Sie trug ein grün kariertes Hemd mit einem perfekt sitzenden Namenschild auf dem Carola Meier stand.
Ich musterte sie für einen Moment, dann wandte ich den Blick wieder ab und ließ ihn durch das Zimmer schweifen.
,,Mein Name ist Carola Meier", stellte sie sich vor und legte eine blaue Mappe auf dem Tisch hinter ihr ab, ,,Ich bin hier in der Klinik eine von zwei Notfallpsychologen und möchte ein wenig mit dir reden." Ich aber nicht mit ihnen.
Auch wenn ich keine Tränen mehr hatte, spürte ich die Traurigkeit stärker als gestern über mich rollen. Am liebsten hätte ich einfach nur meinen eigenen Gedanken gelauscht, egal wie trist und schmerzhaft sie auch waren.
Lieber hätte ich mich in der Vorstellung von Rezos totem Körper und dem Gedanken ihn nie wieder zu sehen verloren.
In der Angst, dass er nie wieder aufwachen und leben würde.
In dem Gefühl der Einsamkeit und des Versagens.
Dem Gedanken, dass er gegangen war, ohne das ich etwas hatte tun können.
Der Atemnot, wenn ich mich daran erinnerte, dass wir vor zwei Tagen noch gelacht hatten und niemand mir geglaubt hätte, dass er sich schon am nächsten Tag das Leben nehmen würde.
Frau Meiers Blick ruhte eine Weile auf mir:,,Hast du irgendwas bestimmtes worüber du reden möchtest?" Unbewusst schüttelte ich den Kopf und sah aus dem Fenster. Wieder hatte es angefangen zu regnen. Als würde die ganze Welt mit mir um Rezo weinen.
,,Wieso sollte ich mit ihnen reden?", fragte ich müde und erschrak selbst vor meiner Stimme. Sie klang genauso kaputt wie ich mich fühlte und hörte sich anders an als sonst. Frau Meier nickte bei der Frage und schlug ein Bein über das andere. 
,,Vor fast zwei Jahren erhielt ich Nachts einen Anruf vom Krankenhaus", began die Psychologin, ,,Man teilte mir mit, dass ein Junge im Alter von fünfzehn Jahren zu uns auf Station kommen sollte. Soetwas passiert hier nicht selten musst du wissen. Der Junge kam um kurz vor vier an und wurde zu einem Einführungsgespräch in mein Büro geholt um ihn einschätzen zu können. Er hatte sich zwei Tage zuvor versucht die Pulsadern aufzuschneiden und Suizid zu begehen. Nachdem er im Krankenhaus einigermaßen bei Sinnen war, wehrte er sich so sehr gegen die nötigen Behandlungen, dass man sich entschloss hier einzuweisen, auch wenn sein Gesundheitszustand noch nicht stabil genug war."
Ich warf ihr einen kurzen Blick zu, als sie eine Pause machte. Wozu erzählen Sie mir das?
,,Der Junge war völlig ruhig, als er in meinem Büro saß und ich hätte ihm die Berichte aus dem Krankenhaus niemals zugetraut. Auf mich hätte er wie ein normaler Junge gewirkt, der einfach nur ein wenig erschöpft war", fuhr Frau Meier fort, ,,In meinen siebzehn Jahren als Psychologin habe ich nie einen Jungen so wenig einschätzen können wie ihn. Er antwortete auf meine Fragen, strahlte einen lebensfrohen Charakter aus und schien sich mit der Situation abgefunden zu haben. Vermutlich habe ich da zum ersten mal verstanden, wie unterschiedlich sich schwere Depressionen zeigen."
Ach wirklich? Das hat sie siebzehn Jahre gekostet? Wie armselig, kann ein Leben sein? Ich seufzte und versuchte ihre Geschichte zu ignorieren. Sie war sinnlos.
,,Der Junge blieb vier Monate hier. Vier Monate in denen ich noch fünf Gespräche mit ihm hatte und versuchte aus ihm schlau zu werden, als es um seine Verlegung auf Station 3 ging. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre er weiter hier geblieben. Doch meine Kollegin sah das anders und so wurde er auf 3 verlegt. Dort began er sich wieder selbst zu verletzen und ich bat darum ihn zurück auf 2 zu holen. Aber mein Rat wurde abgelehnt. Offenbar verstand der Junge es seine psychischen Besserungen vor die eigentliche Probleme zu schieben. Danach hörte ich lange nicht viel von ihm. Bis gestern die Nachricht auf meinem Schreibtisch lag, dass es einen Suizid auf 3 gab. Und dieser Junge war Yannik." Rezo.
Sofort zog sich meine Brust zusammen und ich starrte zu Frau Meier. Sie redete von Rezo.
Ich spürte wie mein Herz schneller schlug.
Rezo war hier gewesen. In diesem Zimmer. Bei dieser Psychologin.
Wieder spürte ich wie sich Tränen in meinen Augen bildeten. Wieso erzählte sie mir das? Wieso konnte sie nicht einfach gehen und jemand anderem Rezos Geschichte erzählen? Denn der Gedanke, dass Rezo genau hier gewesen war, tat weh.
,,Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich Yannik ebenfalls kannte und das sein Tod mich ebenfalls trifft. Er hatte etwas besonderes an sich", sich schenkte mir ein trauriges Lächeln.
Ich spürte wie eine Träne über meine Wange rollte. Er war besonders.
Er war der einzige, der es geschafft hatte mich zum Leben zu überreden. Der einzige, der sich jeden Gedanken angehört hatte. Der einzige, der sich wirklich um mich gesorgt hatte. Der einzige, der mir wirklich wichtig gewesen war. Und nun war er fort.
,,Ich bin nicht nur wegen dir hier, sondern auch seinetwegen", sie ließ die Blick durch den Zimmer schweifen, ,,Vorhin hatte ich ein Gespräch mit seinen Eltern und seiner älteren Schwester." Rezo hatte eine Schwester? Ich fuhr hoch und sah überrascht zu der Psychologin. Wieso hat er nie von ihr erzählt?
,,Es war eines der schwersten Gespräche meiner Laufbahn und keines, dass man jemandem wünscht", fuhr Frau Meier unbeirrt fort, ,,Ich soll dir von ihnen ausrichten, dass sie dir alles Gute wünschen."
,,Mir?", fragte ich verwirrt nach und spürte wie sich mein Hals zusammenschnürrte. Woher kannten sie mich?
,,Er hat gestern in der Familientherapie deinen Namen erwähnt", Frau Meier zog einen kleinen Zettel aus der Mappe hervor und legte ihn vor mir aufs Bett. Meinen Namen?
Sofort warf ich einen Blick darauf. Es war eine Telefonnummer.
,,Sie haben mich gebeten dir die hier zu geben und dich zu melden, falls du mit ihnen über Rezo reden möchtest", sie schenkte mir ein kurzes trauriges Lächeln, ,,Ich glaube sie wissen, dass du ihm viel bedeutet hast."
Er mir noch viel mehr...

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Bin nicht zufrieden heute, aber möchte euch keinen weiteren Tag warten lassen. Hoffe es passt dennoch immerhin ein bisschen :)

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