Ich hätte gelogen, wenn ich sagen würde, dass die Umarmung mir nichts bedeutete. Im Gegenteil, sie tat erstaunlich gut. Wie es leider jede von Rezo tat.
Und auch wenn die Wärme meinen ganzen Körper aufzutauen schien und ich nichts lieber wollte als für immer in seinen Armen um sein schlagendes Herz verschlungen zu stehen, löste ich mich schließlich von ihm. Denn so sehr ich Rezo immernoch mochte, so sehr schmerzte es auch.
Was war der Sinn des Ganzen? Wieso der plötzliche Stimmungsumschwung?
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und musterte Rezo. Dieser bückte sich langsam und griff nach der Klinge. Behutsam richtete er sich mit dieser auf und legte sie auf den Tisch. Fast sehnsüchtig sah ich ihm dabei zu.
,,Wolltest du dich wirklich umbringen?", Rezo drehte sich zu mir um und musterte mich fragend. In seinem Blick war immernoch diese unendliche Sorge und Angst, die ich ihm nie zugetraut hätte. Ich nickte nur und schwieg. Ja, ich war bereit gewesen. Wozu sollte ich lügen?
Rezo seufzte und fuhr sich durch die Haare:,,Fuck."
,,Aber ich habs ja nicht getan", murmelte ich mit halber Überzeugung. Ein Teil von mir wollte es immernoch.
Rezo begann durch den Raum zu laufen und fuhr sich immer wieder nervös durch die Haare. Irgendwie tat es mir sogar Leid, auch nach all dem was vorgefallen war. Zumindest irgendwie, denn der Schmerz brannte immernoch in meiner Brust.
Ich ließ mich auf meinem Bett nieder und griff nach meinem Hoodie. Vorsichtig streifte ich ihn mir über und rückte bis zur Wand zurück. Dann beobachtete ich Rezo, der immernoch durch mein Zimmer lief. Fast kam es mir so vor, als wäre ich derjenige, der ihn gerade am Suizid gehindert hatte und nicht er.
,,Du machst mich verrückt, wenn du so herumläufst", murmelte ich nach einer Weile und wischte mir wieder über das Gesicht.
Rezo hielt sofort inne:,,Sorry."
Dann stand er einfach nur da und schien nachzudenken. Die Situation war merkwürdig. Zum einen verstand ich ihn nicht und zum anderen wollte ein Teil von mir zur Klinge rennen und es dennoch versuchen. Schließlich ging Rezo zu mir und setzte sich neben mir im Schneidersitz auf das Bett.
,,Können wir reden?", fragte er und sah bittend zu mir.
,,Tuen wir gerade", murmelte ich kühler als mir lieb war. Ich wurde nicht schlau aus ihm. Erst hasste er mich, wollte nichts mehr von mir wissen und plötzlich wollte er mich wieder um sich haben. Es war nicht fair. Auch wenn ich genauso unfair zu ihm gewesen war.
,,Ich habe dich verletzt", ich nickte auf meine Arme, ,,Und du mich auch. Wir sind quitt." Auch wenn ich meinen Worten selbst nicht so ganz glaubte. Waren wir das?
,,Du wolltest dich umbringen Mexi. Und ich wäre Schuld gewesen. Wir sind nicht quitt", Rezo schüttelte sofort den Kopf.
,,Wäre nicht das erste mal gewesen", murmelte ich und zuckte mit den Schultern, ,,Und du bist nur einer von vielen Gründen."
,,Aber ich bin ein Grund", hielt Rezo dagegen. Ja, er tat mir wirklich Leid. Denn egal wie sehr er mir weh getan hatte, ich musste ihm viel mehr weh getan haben.
,,Es tut mir Leid, Mexi", er biss sich auf die Lippen und ich sah wie er mit sich rang. Langsam beugte ich mich zu ihm und umarmte ihn.
,,Mir tut es auch Leid", flüsterte ich und spürte wie weitere Tränen über mein Gesicht liefen.
,,Dir muss gar nichts Leid tun", Rezo erwiderte die Umarmung.
,,Du musst nicht lügen", ich legte meinen Kopf auf seine Schulter, ,,Ich habe dir mehr weh getan als du zugibst."
Rezo schwieg, aber es war mir Antwort genug.
,,Ich will dir so gerne helfen", Rezo löste sich von mir und betrachtete mich, ,,Aber ich weiß einfach nicht wie. Ich sehe so viel von mir in dir und ich weiß einfach nicht was ich tun soll."
,,Du hast mir genug geholfen. Mehr als jeder andere Mensch bisher", ich lehnte mich an die Wand und schloss die Augen.
Es war die Wahrheit. Rezo war der Mensch, der es geschafft hatte mich zum Lachen zu bringen. Und auch der, der mich fast umgebracht hätte. Aber ich schob den Gedanken beiseite.
,,Können wir die letzten Tage ausradieren?", fragte Rezo nachdenklich, ,,Weil, wenn mir eins klar geworden ist, dann das ich dich wirklich brauche. Auch wenn du mir das nicht glaubst." Stimmt, weil niemand mich braucht.
,,Ich denke", ich nickte. Wieso verzieh ich ihm das so schnell? Wie konnte ich ihm verzeihen, wie sehr er mir weh getan hatte?
Ich kannte Schmerzen, aber die letzten Tage hatten sich wie durchgängige Folter angefühlt. Ging es ihm genauso?
Ich musterte ihn. Vielleicht war ich ihm gegenüber nicht fair genug. Ich hatte ihn zuerst verletzt. Er hatte mich nur wiedergespiegelt. Vielleicht hätte ich das selbe getan.
Nachdenklich sah ich zum Fenster. Dann wieder zu Rezo. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich vielleicht schon fort. Für immer. In der unendlichen Schwärze.
Aber wollte ich das? Wollte ich den Tod einem neuen Versuch mit Rezo vorziehen? Der Gedanke brannte sich in meinen Kopf.
War Rezo es mir wert dem Leben einen neuen Versuch zu geben? Ich dachte an die lustigen Momente mit ihm und den anderen. Unseren Spielen, Gesprächen und dem beieinander sein.
Sofort schoss Wärme durch meine Brust und umschlang mein Herz. Wie ein Feuer, dass einen erwärmte. Als hätte Rezo das Streichholz angezündet und mit seiner Flamme all die Kälte verjagt. Ich würde es für ihn versuchen. Meinem Leben eine letzte Chance geben. Eine allerletzte.
,,Für dich würde ich versuchen zu leben", hörte ich mich leise sagen. Rezos Blick wanderte zu mir und er musterte mich nachdenklich. Dann lachte er leise.
,,Für mich sollte niemand leben, Mexi", er lächelte traurig und rückte ebenfalls an die Wand.
,,Dann würde ich für dich nicht sterben", hielt ich dagegen.
,,Das macht es nicht besser", Rezo schüttelte den Kopf, ,,Für kaputte Menschen sollte man nichts tun. Am Ende wird man nur enttäuscht."
Und doch würde ich es tun. Ich schenke dir meine letzte Chance, Rezo.
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...