Ich starrte in die Dunkelheit und spürte wie sich erneut Tränen in meinen Augen bildeten.
Die letzten Stunden hatte ich sie zurückgehalten. Beim Essen. Beim kurzen Gespräch mit einer Pflegerin. Beim Nachdenken. Aber jetzt löste sich die erste Träne und tropfte auf mein Tshirt.
Wie konnte ich so sein? In einem Moment erwartete ich einen guten Freund gefunden zu haben und im nächsten, dass er mich losließ. Ich verlange von einer gebrochenen Seele noch mehr zu zerbrechen...
Immer wieder tauchte Felix Gesicht vor meinen Augen auf und immer wieder musste ich mich zwingen es verblassen zu lassen. Aber vermutlich würde ich seinen Blick nie wieder vergessen können.
Meine Worte hatten ihn wirklich verletzt. Mehr als eine Klinge es je gekommt hätte. Tiefer als je eine schneiden würde. Meine Worte hatten sich wie ein Messer in sein Herz gebohrt um dort so viel Schaden wie möglich anzurichten.
Es tut mir so verdammt Leid Felix...
Ich sah zur Tür, als hoffte ich wirklich das er hereinkommen und meine letzte Nacht hier mit mir verbringen würde. Aber das würde nicht passieren.
Ich hatte ihn genug gebrochen, jeder weitere Kontakt würde den Abschied nur noch schmerzhafter machen. Der Preis für das was ich von Felix verlangte war zu hoch.
Es gab nichts was das was ich tun würde, was ich ihm antun würde, je gutmachen könnte. Nichts in all den unzähligen Jahren die folgen würden, würde mein Handeln rechtfertigen.
Ich verlange von ihm mit dem Schmerz zu leben, mit dem ich nicht leben kann...
Und gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass ich es noch schlimmer machte. Während ich daran verzweifelt war auch nur einen Tag länger ohne Rezo zu leben, verlangte ich von Felix ein ganzes Leben mit dem zu leben, was Rezo und ich ihm antaten. Was ich ihm antun werde...
Eine weitere Träne rollte über meine Wange und ich spürte wie eisige Kälte mich ergriff. Wie kannst du überhaupt daran denken soetwas von jemandem zu verlangen, der sowieso schon kaputt genug ist?
Ja, Felix war kaputt. Vermutlich mehr als er je zugeben würde. Und Rezos Tod hatte ihn noch mehr zerschlagen.
Und das alles erträgt er, damit du es mit deinem Egoismus so sehr zerschneidest, dass es nie mehr auch nur ansatzweise heilen wird?
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Es würde ihn brechen. Du hast ihn schon gebrochen.
Wieder sah ich Felix vor mir, die Sonde durch die Nase, die dürre Gestalt... wie sehr schrie ein Mensch danach, dass er kaputt genug war, um aufzugeben?
Ich öffnete die Augen wieder und musterte die wolkenverhangene Nacht. Ich konnte es Felix nicht antun.
Egal wie oft ich auch nachdachte, der Gedanke ihm erneut das anzutun, was Rezo ihm angetan hatte schmerzte so sehr, dass ich glaubte keine Luft mehr zu bekommen. So sehr mein Schmerz an mir riss, so sehr riss auch Felix Schmerz an mir.
Kopf aus. Aber meine Gedanken stoppten nicht. Was sollte ich tun?
Bleiben, nur um einen Schmerz zu ertragen, der schon seit Wochen unaushaltbar war und nie enden würde?
Gehen, nur um den Schmerz auf jemanden zu übertragen, der ebenfalls daran zerbrechen würde?
Suizid ist immer Schmerz...
Man übertrug den eigenen Schmerz nur auf jene, die blieben. Die man zurückließ auf dieser einsamen Erde, die sich in einem viel zu großen Nichts um einen kleinen Stern drehte, der einem Wärme und Licht spendete.
Am Ende sterben wir eh...egal wie gut unser Leben war... am Ende bleibt um sowieso nichts...
Wie unbedeutend wir doch waren und wie viel wir aus uns selbst machten. Eigentlich waren wir nichts mehr als denkende Gestalten, die man kurz auf diesem Planeten leben ließ, bevor man sie in das unendliche Nichts verbannte aus dem sie gekommen waren.
Unsere Zeit auf dieser Welt war knapp. Und vielleicht mochte jede Sekunde zählen, doch für mich hatten sie das nie. Mein Leben war schon lange nicht mehr lebenswert. Ob ich nun tot oder hier war, es machte keinen Unterschied.
In ein paar Jahrzehnten war mein Name sowieso nur noch ein Name auf einem Stein. Meine Person schon lange vergessen und ich kam nie wieder. Niemals.
In Millionen von Jahren würde es immernoch irgendetwas geben, aber mich nicht. Ich war lange fort, mein Leben lange gelebt und ich würde es nie erfahren. Einfach alles war für mich wertlos.
Mein Leben ist so oder so unbedeutend... Wenn das Leben so unbedeutend ist, wieso machen wir es so besonders?
Vielleicht weil wir nur dieses eine hatten?
Die meisten Menschen fürchteten den Tod. Das Nichts. Nie wieder etwas zu fühlen oder zu denken. Nie zu wissen, was noch kommen würde. Nie zu erfahren was für wunderbare Dinge in unserer Welt noch möglich waren.
Und ich verstand sie irgendwo. Nichts war so kostbar wie dieses eine Leben, was uns aus irgendeinem Grund gegeben worden war. Wozu auch immer.
Und dennoch würde ich mir das kostbarste nehmen, was man mir geben hatte können. Für mich würde sich nie der Sinn hinter all dem erschließen.
Ich war fort und nur eines der kurzen Leben denen niemand Bedeutung schenken würde. Niemand würde je meine Gedanken und Gefühle nachempfinden können. All das würde für immer mit mir gehen.
Ich nahm alles mit in die Unendlichkeit, der ich mich anschließen würde. Für immer. Ohne einen Weg zurück.
Und egal wie oft ich es mir einredete, es gab keine richtige Entscheidung.
Ich könnte bleiben. Solange mir das Leben meinen kurzen Aufenthalt ermöglichte. Aber ich konnte auch gehen und die folgenden Jahre im ewigen "Was wäre wenn" ertränken.
Und ich zog die Unendlichkeit des Nichts einem kurzen Leben eines "Vielleicht" vor.
Tut mir Leid Felix... tut mir Leid, allen die Hoffnung in mich hatten... Als wäre da irgendjemand, Mexi.
Nein, meine Gedanken gehörten nur mir. Da war niemand, der mir zuhörte un sich seine eigenen dazu machte.
Wenn ich sterben würde, dann mit ihnen. Ohne das sie je jemand lesen oder verstehen würde.
Ein trauriger und zugleich schöner Gedanke. Jeder Mensch starb mit unzähligen unausgesprochenen Gedanken und Gefühlen. Unzähligen nie geschriebenen Seiten.
Am Ende ist der Tod nur die Vernichtung einer wundervollen Geschichte die nie ganz erzählt wurde..
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...