Ich ließ mich auf Rezos Bett fallen und sah zu Rewi, der mir in das Zimmer von Julien und Rezo folgte.
,,Unordentlich wie immer", bemerkte er lachend und sammelte ein T-Shirt mit einer Schlange darauf vom Boden auf. Skeptisch betrachtete er dieses.
,,Ich könnte nichtmal sagen wem von beidem es gehört", fügte er lachend hinzu.
,,Julien", klärte ich ihn auf. Er hatte er vor zwei Tagen getragen, da war ich mir sicher.
Rewi zuckte mit den Schultern und legte es über den Stuhl vor ihm. Dann warf er sich auf Juliens Bett, das laut knarzte unter seinem Gewicht. Erschrocken setzte er sich auf und wippte leicht auf und ab. Bei jeder Bewegung beschwerte das Lattenrost sich.
Rewi zog eine Augenbraue hoch und setzte sich in den Schneidersitz:,,Wie gemütlich."
,,So schwer wie Julien von dem ganzen Essen sein muss", bemerkte ich beiläufig und legte mich auf den Rücken. Dann sah ich zur Decke hoch.
Rewi musste auflachen:,,Da hast du wohl Recht." Sein Lachen entlockte mir ein kurzes Lächeln.
,,Vielleicht sollte Julien bisschen an Felix abgeben", murmelte Rewi und warf einen Blick zur Tür, als hoffte er, dass sein bester Freund hindurchgehen würde.
Ich verschränkte meine Hände hinter meinem Kopf und wandte ihn zu Rewi:,,Ist Felix immernoch so dünn?"
Rewi seufzte:,,Schon. Ich mein es ist besser als auf 2, aber auf 4 war er soweit ich weiß auch schonmal besser dabei." Man sah ihm an, dass Felix Gewicht ihn zu beschäftigen schien.
,,Das wird bestimmt wieder", versuchte ich ihn aufzumuntern.
Rewi zuckte nur mit den Schultern und sah zu mir:,,Wer weiß."
Ich sah wieder zur Decke. Sie sah genauso aus wie meine. Ob Rezo auch manchmal hier lag und darüber nachdachte, wie man sich das Leben hier nehmen konnte, so wie ich?
Sofort verwarf ich den Gedanken wieder. Auf negative Gedanken hatte ich gerade wirklich keine Lust nach der Therapie.
,,Erzähl mal was", sagte ich stattdessen zu Rewi.
,,Was denn?", fragte er nach und legte sich ebenfalls auf Juliens Bett.
,,Keine Ahnung", antwortete ich, ,,Irgendwas halt. Wie so dein Leben außerhalb der Klinik aussah zum Beispiel." Vielleicht würde mich das ablenken. Über Rewis Leben wusste ich fast noch nichts.
,,Da gibt es nicht so viel", murmelte Rewi, ,,Ich hab zwei Eltern, eine größere Schwester und einen Hund."
,,Einen Hund?", hakte ich nach und wandte meinen Kopf wieder zu Rewi.
,,Ja", er nickte, ,,Arkani, ein Zwergspitz."
,,Wie cool", ich lächelte.
Einen Hund hatte ich immer haben wollen. Aber meine Eltern hatten keine Zeit und mir trauten sie sowas nicht zu. Wobei ich es ihnen nicht verdenken konnte. Einem Jungen der sich selbst verletzt, sein Leben nicht im Griff hat und es schließlich beenden will, würde ich auch nichts zutrauen.
Und ein Hund hätte vermutlich auch nichts an meiner Situation geändert. Ich hätte dennoch geraucht.
Hätte dennoch schlechte Noten gehabt.
Hätte mich dennoch geritzt.
Hätte dennoch getrunken.
Hätte dennoch versucht mich umzubringen.
Es hätte weder dem Hund, noch mir geholfen.
,,Ich mag Hunde", bemerkte ich, ,,Die freuen sich über alles."
,,Das stimmt", pflichtete Rewi mir nachdenklich bei.
,,Vermisst du ihn?", fragte ich weiter. Rewi schwieg eine Weile.
,,Schon, aber ich kanns gerade ja nicht ändern", er zuckte mit den Schultern, ,,Wenn meine Eltern mich auf 4 am Wochenende besucht haben, haben sie Akani manchmal mitgenommen."
,,Wusste gar nicht, dass das geht?", hakte ich interessiert nach.
,,Auf 4 schon, hier nicht", stellte Rewi klar, ,,Deswegen bin ich auch mal gespannt wie die nächste Familientherapie läuft. Wird die erste nach der Geschlossenen sein."
,,Und deine Schwester?", versuchte ich schnell das Thema weg von der Familientherapie zu lenken. Denn das konnte ich gerade wirklich nicht auch noch anschneiden.
,,Die studiert in Köln", berichtete Rewi und lächelte bei seinen Worten, ,,Medizin. Die ist richtig schlau und hat ihr Leben voll im Griff."
,,Kommt die dich auch besuchen?", fragte ich weiter. Es gefiel mir, dass Rewi so bereitwillig meine Fragen beantwortete. Die Antworten interessierte mich und lenkte mich gleichzeitig ab.
,,Sie war einmal dabei, aber jetzt geht ihr Studium vor. Auf 4 haben wir jede Woche telefoniert, aber seit Station 2 ist auch das vorbei", Rewi seufzte.
,,Das wird wieder, we-", wollte ich anfangen, aber Rewi winkte sofort ab:,,Lass gut sein, Mexi." Ich verstummte und nickte. Meine Worte würden nicht zu ihm durchdringen, das verstand ich.
,,Und sonst so?", fragte ich stattdessen weiter. Immerhin meine Fragen schien er gerne zu beantworten.
,,Pff, viel gibts da wirklich nicht. Ich hatte ein Jahr eine Freundin, aber die Beziehung ist durch meine Psyche kaputt gegangen. Das nehm ich ihr auch gar nicht übel, wäre wohl auch nicht bei mir geblieben", berichtete er.
,,Tut mir Leid", murmelte ich. Von Liebe verstand ich nichts. Ich hatte nie geliebt und wurde auch nie geliebt. Von niemandem.
,,Wie gesagt, ich verstehs und deswegen komm ich damit auch klar", beharrte Rewi und sah zur Decke. Kommst du nicht. Aber ich schwieg. Er wusste selbst, wie schlecht er log.
,,Und du?", fragte er mich, ohne zu mir zu sehen.
,,Hab zwei Eltern, keine Geschwister, keinen Hund und keine Freundin", zählte ich auf, ,,Ich weiß, sehr spannend."
,,Naja, selbst mit allem kann man hier landen", sprach Rewi meine Gedanken aus. Ich nickte einfach nur.
In dem Moment öffnete sich die Tür und Felix steckte den Kopf ins Zimmer. Erst als er uns erkannte, betrat er es auch und schloss die Tür wieder.
,,Man, ich dachte schon ihr seid alle auf 2 gezogen", lachte er und sprang neben Rewi aufs Bett.
,,Felix", begrüßte Rewi ihn erfreut und setzte sich auf, ,,Ach Quatsch, 2 kann mir gestohlen bleiben."
,,Besser ist das", Felix grinste und machte sich auf dem Bett breit.
,,Wie war Therapie?", fragte Rewi und musterte ihn.
,,Wie sie halt ist", antwortete Felix stumpf und schnitt das Thema damit ab. Offenbar hatten wir beide eine wunderbare Therapiestunde hinter uns.
,,Rezo und Ju kommen gleich, die nehmen noch Medikamente", berichtete Felix stattdessen.
,,Haben wir doch schon", in Rewis Gesicht trat Sorge.
,,Ja, keine Ahnung, glaub die haben Rezos Medis wieder umgestellt oder so", Felix zuckte ratlos mit den Schultern.
Wieder?
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...