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,,Uagh", Julien streckte sich und setzte sich auf. Genervt zog ich die Decke über meinen Kopf und gähnte. Wie schaffte es der Junge jeden Morgen so laut aufzuwachen, dass er jeden im Raum weckte?
,,Kannst du nicht mal leise aufstehen?", fragte ich müde und schlug die Decke weg.
Julien grinste gut gelaunt in meine Richtung:,,Die Rache für deine fiese Pulloverattacke gestern."
,,Verstehe", ich erwiderte es und gähnte erneut. Dann drehte ich mich zu Rezo, der bereits in seinem Bett saß und das Zimmer nachdenklich musterte.
,,Alles okay, Rezo?", fragte Julien und stand von seinem Bett auf. Rezo zuckte zusammen, dann schüttelte er sich.
,,Familientherspie steht an", brummte er und erhob sich ebenfalls. Man sah ihm an, dass er nicht viel geschlafen haben konnte. Seine Augenringe zeichneten sich deutlich ab und es viel ihm schwer die Augen offen zu halten.
,,Schlecht geschlafen?", fragte ich und erhob mich von der Matratze. Rezo nickte nur und öffnete seinen Schrank. Ich kniete mich neben ihn und musterte meine Auswahl. Unzufrieden griff ich nach einem Hoodie, doch das Fach war leer.
,,Fuck", murmelte ich genervt, ,,Meine Hoodies trocknen immernoch." Rezo lachte leise und ließ einen schwarz violetten Hoodie zu mir herunterfallen. Dankbar stand ich auf und musterte ihn. Er ähnelte dem, den Taddl häufig bei meiner Ankunft getragen hatte sehr. Generell war es es ein wirklich schöner Hoodie.
Ich streifte meinen alten ab und zog mir den anderen über. Er war erstaunlich weich von innen. Vorne waren ein weißer Smiley und eine Wolke abgebildet.
,,Ders cool", stellte ich fest und lächelte.
,,Find ich auch", Rezo griff sich ein schwarzes Tshirt und einen ebenso farblosen Hoodie.
,,Meiner ist auch mega oder?", Julien trat von seinem Schrank zurück und präsentierte einen dunkelblauen Hoodie mit einem roten Drachen, der sich bis zum Rücken wand.
,,Mega", bestätigte ich.
Rezo streifte sich seinen Hoodie über und nickte ebenfalls:,,Ja, richtig super." Aber seine Stimme war so empatielos, dass Julien nur abwinkte.
,,Sorry, die Familientherapie bereitet mir eben keinen so tollen Morgen", entschuldigte sich Rezo und ging zur Tür.
,,Bis gleich", er öffnete die Tür und ging auf den Flur. Nachdenklich sah ich ihm nach. So niedergeschlagen hatte ich Rezo selten erlebt.
,,Tja, Familientherapien mag halt keiner", stellte Julien fest und schloss seine Schranktür.
,,Stimmt", ich nickte und schloss Rezos Schranktür ebenfalls.
,,Steht dir der Hoodie", bemerkte Julien und ging an mir vorbei zur Tür.
,,Danke", ich folgte ihm und wir gingen ebenfalls auf den Flur hinaus. Fast stieß ich dort mit Felix zusammen, der bereits auf dem Weg in den Speiseraum war.
Erschrocken zuckten wir beide zurück, dann musste Felix lachen:,,Oh sorry Mexi."
,,Hab dich nicht gesehen", entschuldigte ich mich und lächelte.
,,Wo ist Rewi?", fragte Julien und bog auf den Flur zum Speisraum ab.
,,Ders müde, wir haben uns irgendwie gestern verquatscht", lachte Felix und folgte Julien.
,,Soso", Julien grinste, ,,Rezo und Mexify auch."
,,Gar nicht", ich reihte mich neben Julien ein, ,,Das kannst du gar nicht wissen, du hast schon geschlafen."
,,Pff", Julien betrat als erster den Speiseraum.
,,Aber zum Mittagessen kommt er?", fragte ich und musterte meine heutige Auswahl.
,,Klar", Felix nickte, ,,Oder denkst du Rewi verpasst freiwillig Spagetti?"
,,Gibts heute welche?", fragte Julien sofort und nahm sich ein Brötchen.
Felix nickte erneut:,,Glaube Carbonara." ,,Lecker", freute sich Julien. Ich nahm mir einen Vanillejoguhrt und einen Löffel. Felix folgte meinem Beispiel nach kurzer Überlegung und wir gingen nebeneinander zu unserem Tisch.
,,So gut gelaunt heute?", fragte ich neugierig und setzte mich.
Felix ließ sich auf seinen Stuhl fallen und zuckte mit den Schultern:,,Manche Tage sind einfach besser als andere."
,,Da bist du besser dran als Rezo", ich nickte zu dem Blauhaarigen, der gerade den Speiseraum betrat. Außer der Tatsache, dass seine Haare jetzt ordentlicher waren, hatte sich sein Äußeres nicht verändert. Seine Augen sahen immernoch müde aus und er wirkte schon viel mehr wie ein Junge der hierhergehörte.
,,Oh, ich sehs", kommentierte Felix und verzog das Gesicht, ,,Familientherapie, oder?" Ich nickte. Wer konnte es ihm da schon übel nehmen so drauf zu sein? Julien setzte sich neben mir auf den Stuhl.
,,Hast du nicht auch gleich Therapie, Mexi?", fragte er und griff nach seinem Brötchen. Sofort zuckte ich zusammen. Therapie. Irgendwie hatte ich das ganz verdrängt.
,,Oh, stimmt", brummte ich wenig erfreut. Auf Frau Ohle konmte ich gerade wirklich verzichten.
,,Ich habs auch versucht zu verdrängen", lachte Felix.
In dem Moment ließ sich Rezo auf Rewis Platz nieder und warf Felix ein mitleidiges Lächeln zu:,,Bringt nichts."
,,Stimmt", Felix öffnete seinen Joghurt.
,,Willst du nichts essen?", fragte Julien überrascht.
Rezo schüttelte den Kopf und gähnte:,,Hab echt keinen Hunger."
,,Jetzt bist du auch mal depri", Felix stieß ihm in die Seite, ,,Dachte schon, dich hätte man geheilt?"
,,Darauf kannst du lange warten", Rezo lächelte kurz.
,,Naja, vielleicht gehts ja schnell rum", hoffte ich laut. Rezo musterte mich einen moment mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte.
,,Vielleicht", er zuckte mit den Schultern.
,,Wir machen nachher einfach was tolles", schlug Julien vor, ,,Wir müssen uns schließlich noch durch die Spieleabteilung im Gemeinschaftsraum arbeiten."
,,Ach stimmt, wie weit seid ihr eigentlich gekommen mit eurer Liste?", lenkte Felix ein neues Thema ein und sah fragend zu Rezo.
Dieser zuckte mit den Schultern:,,Glaub die Liste ecistiert gar nicht mehr."
,,Welche Liste?", fragte ich neugierig nach und tauchte den Löffel in den Joghurt.
,,Julien und ich haben uns mal vorgenommen gehabt alle Spiele hier durchzuspielen während unseres Aufenthalts. Dafür haben wir uns mal einen ganzen Nachmittag dahingesetzt und alle Spiele in einer Liste festgehalten. Und die nächsten Wochen haben wir dann alle abgehakt, die wir gespielt hatten", erklärte er bereitwillig, auch wenn seine Stimme anders klang als sonst.
,,Klingt doch nicht schlecht", kommentierte ich.
,,Ja, irgendwo liegt die Liste auch bestimmt noch", überlegte Julien laut, ,,Bestimmt unter einem der verstaubtem Betten."
,,Bei euch bestimmt", grinste Felix.
,,Wie viele habt ihr denn schon geschaft?", fragte ich interessiert.
,,Die Hälfte schätze ich", antwortete Rezo, ,,Aber bei vielen fehlt die Anleitung." Dann sah er gedankenverloren aus dem Fenster und ich schluckte meine nächste Frage herunter. Gerade schien er mit den Gedanken nichz wirklich bei diesem Gespräch zu sein. Aber wer konnte es ihm schon verdenken?

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt