Ich warf einen letzten Blick auf das karge Zimmer. Auch wenn ich hier nicht viel verändert hatte, wirkte es jetzt ohne meinen schwarzen Koffer viel leerer.
Es war nie mein Zimmer gewesen und genauso würde es bald an jemand anderen gehen, der nicht ahnte, was sich hier drinnen abgespielt hatte. All die Tränen und schlaflosen Nächte.
Ein letztes mal warf ich einen Blick durch die Scheibe auf den wolkenverhangenen Himmel. Vereinzelte blaue Fetzen kämpften sich durch das dichte blau.
,,Bist du soweit Maximilian?", Frau Meier trat neben mir in den Türrahmen und folgte meinem Blick. Stumm nickte ich und wandte den Blick ab. Ich hatte genug Ziet hier verbracht.
Dann drehte ich mich um und betrat den Flur. Frau Meier folgte mir und schloss die Zimmertür. Sie übernahm die Führung den Flur entlang bis zur milchigen Glastür am Ende.
Davor hielt die Psychologin und nickte einem Pfleger zu, der hinter der Glasscheibe zu meiner Rechten saß.
Im nächsten Moment schwang die Tür auf und ich folgte Frau Meier in das leere Treppenhaus.
Kurz bevor sich die Tür hinter uns schloss, warf ich noch einen letzten Blick zurück auf den verlassenen Flur. Nie wieder. Nie wieder würde ich diesen Ort betreten.
Das musst du dir selbst versprechen, Mexi.
Dann folgte ich der Psychologin die Treppen herunter und den angrenzenden Flur bis zu der Glastür am Ende. Ohne zu zögern hielt sie einen Chip an die Tür und diese öffnete sich.
Der lichtdurchflutete Vorraum des Gebäudes hatte sich nicht geändert. Kurz fühlte ich mich wieder an den Tag zurück versetzt, als wir Felix hier abgeholt hatten. Damals war Felix durch diese Tür gegangen. Und jetzt tue ich es, während er zurückbleibt.
Aber ich schob den Gedanken beiseite und folgte Frau Meier. Diese hielt an der Rezeption und began ein kurzes Gespräch mit der Frau, die hinter einem Computer saß.
Nachdenklich ließ ich meinen Blick durch den Vorraum schweifen und blieb an einem breitschultrigen Mann hängen, der in einem der Sessel saß und in einem Magazin blätterte. Sofort began mein Herz höher zu schlagen und ich tat ungewollt einen Schritt in seine Richtung.
Der Mann hob den Kopf und ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen:,,Mexify."
Mark legte das Magazin auf dem Tisch neben sich ab und erhob sich. Zu meiner Verwunderung kam er zu mir und umarmte mich kurz. Überrascht erwiderte ich sie zögernd. Was war das denn?
Aber merkwürdigerweise hatte ich nicht den Drang den Pfleger wegzustoßen. Bedeutet er dir wirklich was?
Er löste sich aus der Umarmung und musterte mich. Auch wenn er es nicht aussprach, konnte man in seinen Augen lesen, dass er ebenfalls sah, dass es mir nicht besser zu gehen schien. Seit Rezos Tod hatte ich aufgehört zu versuchen meine Gefühle zu verstecken. Es war sinnlos.
,,Gut Maximilian", Frau Meier trat neben mich und überreichte Mark eine Mappe, ,,Unsere Wege trennen sich jetzt hier." Ich nickte und musterte die Psychologin.
,,Ich möchte dir dennoch anbieten, dass du dich jederzeit mit allen Problemen an mich wenden kannst", sie griff in ihre Hosentasche und überreichte mir einen kleinen Zettel, ,,Deswegen hast du jetzt meine private Handynummer. Du kannst mich jederzeit erreichen."
,,Danke", brachte ich mühsam heraus. Ich hatte sie nie wirklich gemocht, auch wenn sie besser als Frau Ohle zu sein schien. Sie verstand leider genauso wenig wie der Rest hier.
,,Du bist ein sehr starker Junge, vergiss das nicht", sie lächelte. Nein. Aber ich zwang mich es zu erwidern und nickte nur.
Dann drehte ich mich zu Mark um, der mit verschränkten Armen vor der Glastür nach Draußen waretete.
,,Wenn der Herr dann soweit wäre", er lächelte ebenfalls und machte eine einlandede Handbewegung zur Tür.
Ich zwang mich erneut zu einem Lächeln und ging an Frau Meier vorbei zu Mark. Knapp einen Meter vor der Glastür schwang diese auf und ich betrat den letzten Vorraum vor der Freiheit. Mit einem leisen Surren schwang auch die letzte Glastür auf und eine leichte Windböe fegte mir entgegen.
Zu meiner Verwunderung hatte sie jedoch merklich an Kälte verloren. Die Temperaturen waren sogar so angenehm, dass mir Rezos Hoodie fast überflüssig erschien.
Für einen Moment hielt ich inne und atmete die frische Luft. Mark trat neben mich und musterte mich. Aber er kommentierte mein Verhalten nicht, sondern schlug bereits den Weg zum weißen Gebäude vor uns ein.
Ungewollt warf ich einen Blick zu den Fenstern von Station 2 hinauf und versuchte Felix Zimmer zu finden. Doch hinter keiner der Scheiben stand jemand. Vielleicht ist es besser so... keinen Blick zurückzuwerfen...
Ich zwnag mich den Blick abzuwenden und folgte Mark auf das Gebäude von Station 3 zu. Leb wohl, Felix...
,,Julien und Sebastian haben gerade noch ihre Therapiestunde", erklärte Mark, als ich zu ihm aufgeschlossen hatte, ,,Wenn du es schaffst, kannst du in deinem alten Zimmer auf sie warten."
Er warf mir einen fragenden Blick zu und ich verstand. Wenn du es mit dem Gedanken darin aushälst, dass er nicht zurückkommen wird. Ich holte tief Luft, dann nickte ich. Es gab noch etwas das ich tun musste...
Mark hielt vor der Glastür und öffnete diese. Dann folgte ich ihm den langen Flur entlang, der zum Treppenhaus von Station 3 führte.
Immernoch waren die Wände mit unzähligen Bildern behängt und fast schien es mir, als hätten sich seit meiner Abwesenheit noch mehr einen Platz an der Wand verdient. Aber ganz sicher war ich mir nicht.
Mark beschleunigte seinen Schritt, als wir die Treppe zu Station 3 hinaufgingen, während meine Schritte immer langsamer wurden. Mit jedem Schritt hatte ich das Gefühl einen Schritt in die Vergangenheit zu machen und Rezos Suizid immer näher zu kommen.
Vor der Stationstür hatte ich das Gefühl so langsam zu laufen, das sich niemals ankommen würde. Mark wartete bereits und öffnete die Tür. Der Flur dahinter war leer. Statt Patienten strömten die Erinnerungen auf mich ein.
Fast glaubte ich sogar, Rezo könnte aus einer der Türen treten und mir sagen, dass all das nur ein schlechter Scherz gewesen war. Wie sehr ich mir das wünschte...
Aber da war kein Rezo. Zögernd folgte ich Mark auf die Station und verharrte neben der Tür zum Pflegerzimmer. Hinter mir fiel die Stationstür ins Schloss.
,,Den Weg kennst du noch?", Mark musterte mich. Ich nickte zögernd.
,,Sicher, dass du das schaffst?", man hörte die Zweifel aus seiner Stimme heraus. Doch ich nickte nur erneut. Ich musste.
Zögernd ging ich an Mark vorbei den Flur entlang. Jeder Schritt war so vertraut, dass ich immer wieder das Gefühl hatte, nie auf der Geschlossenen gewesen zu sein.
Als ich an der Tür zum Speiseraum vorbeikam, zwang ich mich stehen zu bleiben und einen Blick hineinzuwerfen. Doch der Tisch, an dem ich so viele mal mit den Anderen gesessen hatte war leer. Nur Patrick und Manuel saßen an einem anderen Tisch und unterhielten sich gerade angeregt über etwas.
Ich wandte den Blick ab und ging den Flur weiter. Vor der Abzweigung zu den Zimmern zögernte ich erneut.
Hier war es passiert... in diesem Flur hatte sich mein Leben auf den Kopf gestellt...
Alles in mir schrie danach umzudrehen und zu gehen. Ich kann dort nicht hin...
Dennoch machte ich den ersten Schritt und wagte den Blick den Flur herunter. Auch er war leer.
Mein Blick wanderte sofort zu der Badezimmertür, die die letzte Erinnerung an jenen Tag gewesen war. Die Tür hinter der Rezo sein Leben beendet hat...
Sofort spürte ich wie mir Tränen in die Augen stiegen und mein Herschlag sich beschleunigte. Fuck.
Ich beschleunigte meinen Schritt und öffnete so schnell ich konnte die Tür zu Juliens Zimmer. Heftig atmend schloss ich die Tür hinter mir und lehnte mich dagegen.
Ich fasste mir an die Brust und versuchte meine Atmung zu verlangsamen. Doch es klappte nur bedingt. Die Erinnerungen schienen sich geradezu in mein Herz gefressen zu haben. Scheiße.
Ich hätte nie gedacht, dass mich die Erinnerungen so überwältigen würden. Es ist schon so lange her... Und dennoch hätte es gestern sein können.
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Jetzt konzentrier dich... Dann öffnete ich sie wieder und musterte das Zimmer.
Erstaunlicherweise hatte sich kaum etwas geändert. Immernoch war der Tisch mit Juliens Zeichnungen übersäht, überall lagen Klamotten auf dem Boden und mehrere Stifte hinter mir an der Tür hingen immernoch die alten Bilder.
Lediglich zwei Dinge hatten sich geändert: Statt Rezos blauer Bettwäsche war das eine Bett jetzt mit Rewis Grauer bezogen. Und auf der Fensterbank standen ein leerer Bilderrahmen und eine elektrische Kerze. Nachdenklich musterte ich beides. Eine Gedenkstätte für Rezo ohne Bild?
Stirnrunzelnd wandte ich den Blick wieder ab und musterte stattdessen den Schrank, der Rezo gehört hatte. Fast war es lächerlich. Als ob man Rezos Sachen hier zurückgelassen hätte. Aber ich musste es einfach wissen.
Ohne drüber nachzudenken ging ich zum Schrank und öffnete die Tür. Nachdenklich musterte ich die Fächer. Statt Rezos Klamotten lagen überall Rewis herum. Doch zu meiner Verwunderung war das, was ich suchte immernoch da: Der Schuhkarton.
Er stand immernoch an derselben Stelle. Ohne zu zögern griff ich danach und stellte ihn auf den Tisch ab. Wollte ich wissen, was darin war?
Zum ersten mal zweifelte ich daran. Allerdings konnte es nicht so schlimm sein, wenn die Pfleger ihn hier gelassen hatten.
Zögern griff ich nach dem Deckel und öffnete den Karton. Er war leerer als ich angenommen hatte. Unter den wenigen Sachen die darin lagen, stachen einige ausgedruckte Fotos hervor.
Neugierig griff ich danach und betrachtete sie.
Das erste zeigte einen kleinen Jungen mit rotbraunen Haaren, der im Sand saß und mit mehreren Spielzeugen spielte. Er sah glücklich aus, strahlte und schien seinen Spaß zu haben. Dahinter saß eine junge Frau und lächelte in die Kamera.
Nachdenklich musterte ich das nächste Foto und stockte. Es schien der perfekte Kontrast zum ersten Bild zu sein.
Der gleiche Junge stand vor einer weißen Wand, sein eines Auge war blutunterlaufen und geschwollen. Mehrere Kratzer zierten das Gesicht des Jungen und man sah wie ihm Tränen über das Gesicht liefen.
Mein Herz began erneut schneller zu schlagen und ich starrte fassungslos auf das Foto.
Wer tut einem Kind soetwas an?
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...