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Es dauerte eine ganze Weile, bis Rewi aufhörte zu weinen. Immer wieder brach er in erneutes Schluchzen aus und immer wieder drückte ich ihn an mich.
Ließ ihn meinen Herzschlag hören, meine Wärme spüren und meinen Zuspruch sagen. So wie es Julien, Rezo und Taddl für mich getan hatten, als ich es gebraucht hatte. Und mit jeder Träne verschwand mein Drang zu gehen mehr und mehr.
Er tat mir Leid und ich wollte ihn nicht allein lassen. Denn das war das letzte, was er gerade brauchte. Erneut löste sich Rewi von mir und atmete tief durch.
,,Gehts wieder?", fragte ich vorsichtig und musterte seine rötlichen Augen. Rewi fuhr sich mit dem Ärmel darüber und nickte langsam.
,,Danke...", er zog kurz die Mundwinkel hoch, dann atmete er wieder tief durch. Ich schenkte ihm das Lächeln, was er nicht zustande gebracht hatte.
,,Du hast uns alle echt erschreckt", fing ich an und bereute meine Worte sofort wieder, ,,Also nicht das, sondern das du so lange weg warst. Wir dachten... wir dachten, dass du auf 2 bist."
Rewi schüttelte den Kopf:,,Zum Glück nicht. Aber ist meine letzte Chance. Wenn das nochmal passiert, ja."
,,Okay", ich nickte, ,,Dann helfen wir dir, dass es nicht passiert. Irgendwie."
Rewi wischte sich erneut über die Augen und versuchte erneut ein Lächeln:,,Danke..."
Ich strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht:,,Dafür sind wir da."
,,Nein", Rewi schüttelte den Kopf, ,,Dafür seid ihr nicht da. Dafür seid ihr nicht hier."
Richtig. Wir sind hier, weil wir in die Gesellschaft nicht reinpassen und man uns hier reinsteckt. In der Hoffnung, dass es irgendwie besser wird. Aber das wird es nicht.
,,Doch. Dafür sind Freunde da", sagte ich entschieden, ohne meine Gedanken auszusprechen, ,,Wir helfen uns gegenseitig." Rewi schwieg und schien darüber nachzudenken.
,,Wir kennen uns drei Tage", hielt er schließlich dagegen. ,,Die reichen mir um zu wissen, dass ich gern mit dir befreundet wäre", hörte ich mich sagen. Woher nehme ich die Kraft für solche Worte?
Jetzt gelang Rewi ein kurzes Lächeln:,,Ich bin gerne mit dir befreundet, Mexify."
,,Cool", ich grinste. Auch wenn er derjenige war, dem es gerade schlecht ging, bedeuteten seine Worte mir viel. Wir waren also Freunde. Und er hatte ein "gerne" davor gesetzt.
,,Wo warst du?", fragte ich schließlich vorsichtig, da ich mir nicht sicher war, ob die Frage vielleicht zu viel war.
Rewi seufzte:,,Die mussten mich fixieren. Ich hab echt gedacht nach meinem Aufenthalt auf 2 hätt ich das hinter mir. Dann noch Beruhigungsmittel und den Tag über Beobachtung. Absoluter scheiß das Ganze." Ich schauderte.
Schon vor meinem Aufenthalt hatte ich von Fixierungen in Kliniken gewusst. Aber nie hätte ich gedacht, dass es auch auf dieser Station passierte. Eher hätte ich da an Station 2 gedacht.
,,Tut mir Leid", zerknirscht wanderte mein Blick durch den Raum. Nur eine Patientin saß noch an einem Tisch und aß mehr oder weniger.
,,Was-", hob Rewi schließlich an,,-was ist mit Felix?" Man sah ihm an, wie schwer ihm die Frage fiel. Und das er Angst vor der Antwort hatte.
,,Alles okay", antwortete ich, ,,Naja, also nicht ganz okay. Ihm gehts scheiße. Aber nicht wegen dir. Also doch, schon. Aber nur weil du nicht da bist und er sich die Schuld gibt."
,,Glaube ich zumindest", fügte ich in Gedanken hinzu. Aber den Teil ließ ich weg. Wenn ich unrecht hatte, würden sie beide auf die Geschlossene zurückbringen und daran wollte ich nichtmal denken.
Rewi biss sich auf die Lippen und ich sah wie sich seine Augen wieder mit Tränen füllten.
,,Aber es ist nicht seine Schuld und-", begann er und ich legte schnell die Hand auf seine Schulter:,,Rewi. Bitte nicht wieder weinen. Wir gehen jetzt zu Felix, ja? Dann könnt ihr das klären, okay?"
Ich wollte nicht, dass er wieder weinte. Ich wollte  den starken Rewi zurück, der uns alle zum Lachen brachte.
Rewi hielt inne und nickte schließlich. ,,Und wenn er mich nicht sehen will?", fragte er leise, als ich aufstand und ihn hochzog.
,,Er will", sagte ich bestimmt.
Hoffe ich.
Dann griff ich seine Hand und zog ihn hinter mir her. Dabei kam ich mir wie der größte Idiot vor. Wie dumm muste das bitte aussehen? Ein hässlicher kleiner Junge zieht den gutaussehenden großen Rewi hinter sich her zu dessen Zimmer, damit er nicht auf der Geschlossenen endete.
Fast hätte ich einen genauso blöden Kommentar von dem Mädchen am Tisch erwartet, als wir daran vorbeigingen, aber sie sah uns nur schweigend hinterher. Die Leute hier waren anders als die, die ich kannte. Hier gab es keine dummen Kommentare. Zumindest bisher.
,,Ich kann auch allein laufen", beschwerte sich Rewi, der wie ein kleines Kind hinter mir hertrottete.
,,Sorry", ich ließ seinen Arm los und spürte, wie ich rot wurde. Schnell wandte es das Gesicht von ihm ab und ging weiter. Rewi folgte mir schweigend.
,,Willst du noch zu Rezo und Julien?", fragte ich, als wir in den Flur zu unseren Zimmern einbogen. Rewi schwieg. Als ich mich zu ihm umdrehte, schüttelte er nur den Kopf, also ging ich an deren Zimmertür vorbei. Erst vor der Zimmertür zu Felix und seinem Zimmer blieb ich stehen.
,,Soll ich mitkommen?", bot ich an, auch wenn ich nichts weniger als das wollte. Es ging mich nichts an und ich würde es wohl kaum mit zwei so gebrochenen Menschen im Zimmer aushalten, wenn mir einer allein schon zu viel war.
Zum Glück war Rewi meiner Meinung:,,Nein. Ich schaff das schon. Irgendwie."
,,Das weiß ich", ich nickte und trat zurück. Rewi wischte sich über das Gesicht und strich sich durch die krausen Haare.
Trotzdessen, dass er gerade geheult hatte und sein Tag beschissen gewesen war, sah er immernoch viel besser aus als ich. Und das bestätigte mich wieder darin, dass ich hässlich war. Aber ich schob den Gedanken beiseite. Nicht jetzt.
,,Dann sehen wir uns also morgen", ich nickte ihm aufmunternd zu und wandte mich zum Gehen.
,,Warte", Rewi drehte sich zu mir um, ,,Wirklich danke, Mexify. Das hab ich echt grad gebraucht. Dich hab ich grad gebraucht."
Er lächelte. Und ich erwiderte es. Auch wenn ich ihm nicht so ganz glaubte.

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt