Ich wusste nicht genau wie lange ich auf der Bank saß und weinte. Einfach nur weinte. Nichtmal die Mühe gab ich mir mein Schluchzen zu unterdrücken. Einen Versuch aufzuhören wagte ich auch nicht.
Ich wollte nicht. Nicht aufhören, nicht weinen, nicht nachdenken, nicht atmen. Ich wollte gar nichts mehr.
Irgendwann spürte ich wie sich jemand neben mich setzte und sich zwei Arme um mich legten und einfach an sich drückten.
Ich sah nicht auf, wehrte mich nicht. Aber irgendwie hörte ich dadurch auf zu weinen. Als hätte diese Umarmung alles gestoppt, was ich an Wut und Trauer in mir trug.
Und dann saß ich einfach weiter so da und starrte auf den Steinboden vor mir. Wandte kurz den Blick auf den blau-schwarzen Hoodie, dessen Arme mich immer noch an sich drückten und sah dann wieder ins Nichts.
Ich spürte auch nichts. Keine Trauer mehr, keine Angst, keinen Hass. Als hätte jemand alles einfach weggenommen und einen leeren Raum zurückgelassen.
Nein, keinen Raum. Eher eine leere Hülle.
Ich spürte, wie mich die Arme langsam losließen und ich am liebsten einfach ins Nichts gefallen wäre. Einfach weg von allem.
Im selben Moment legte sich ein Arm um mich und zog mich an den Hoodie heran.
Und auch diese Geste schien wieder alles in mir zu ändern. Als würde mein Körper danach schreien nie wieder losgelassen zu werden.
Er wollte sich an die Person drücken, wollte spüren das er nicht allein war. Wollte raus aus den kalten Gedanken, hin zur Wärme.
,,Ardy und ich hatten da so eine Art Spiel", hörte ich Taddls tiefe Stimme über meinem Kopf, ,,Als Ardy neu war und es ihm scheiße ging, er aber nicht darüber sprach, stellte jeder dem anderen eine Frage. Und die musste ehrlich beantwortet werden. Und dann darf er eine Frage stellen."
Ich ließ meinen Kopf gegen Taddls Körper sinken und atmete tief durch:,,Klingt nach einen sinnlosen Spiel."
Taddl schwieg kurz und ich befürchtete schon er würde wieder gehen.
Und der Gedanke tat weh.
Ich hatte mir immer gewünscht allein zu sein, aber gerade schien nichts besser zu tun als seine Nähe und seine beruhigende Stimme.
,,Fang an", sagte er stattdessen und ich spürte wie er mich ansah.
Ich schloss die Augen.
Ich wollte kein Spiel spielen.
Aber gleichzeitig konnte ich mich nicht entscheiden ob ich weggehen und allein sein sollte oder hier bei ihm zu bleiben und dieses Spiel zu spielen.
Also entschied ich mich einfach für letzteres.
,,Wieso bist du hier?", fragte ich und sah wieder in die Leere vor mir.
Es war die einzige Frage die wirklich Sinn ergab in diesem sinnlosen Spiel. Und Taddl schien mir der einzige zu sein, der von allen hier zuerst ehrlich zu mir über sich sein würde.
Taddl atwortete nicht sofort, sondern zündete sich geschickt eine Zigarette an und zog einmal daran.
,,Vor etwa zwei Jahren hab ich angefangen mit nichts mehr klarzukommem", began er dann, ,,In der Schule kam ich nicht mehr mit, meine Freundin machte Schluss, ein guter Freund zog weg und zuhause lief es auch nicht mehr. Meine Eltern trennten sich und ich bleib bei meiner Mum. Aber sie kam mit all dem auch nicht mehr klar. Wir haben und angeschrien und irgendwann hab ich einfach nur noch zwischen Stress und der Suche nach dem Sinn hinter allem gelebt."
Er nahm eine zweite Zigarette und gab sie mir.
Ohne zu zögern griff ich danach und nahm ebenfalls einen Zug. Und auch wenn ich es sofort bereute, schien es meinen Kopf klarer zu machen.
,,Irgendwann stand ich auf der Brücke und hab überlegt zu springen", gestand er schließlich, ,,Ich hab alles hinterfragt und gedacht, das dieses Leben einfach nicht so sein sollte für mich."
Ich nickte. Vieles was er sagte, verstand ich.
Die meisten Menschen wären wohl erschrocken über seine Worte gewesen, aber ich kannte die Gefühle die er nannte.
Und den Wunsch zu sterben.
,,Aber genau da, entschied ich, das ich mein Leben irgendwie hinbiegen könnte. Trotz der ganzen scheiße", fuhr er mit einem erzwungenen Lächeln fort.
,,Ich kam hierher und seitdem geht es irgendwie weiter. Es muss. Weil ich hier bin", er blies den Rauch über meinen Kopf hinweg.
,,Freiwillig?", fragte ich ungläubig.
Er nickte:,,Freiwillig. Weil ich leben möchte. Mit meinen Diagnosen leben möchte."
,,Die wären?", hakten ich nach.
Überschritt ich eine Grenze? Er hatte schon viel mehr von sich erzählt als jeder andere hier und ich wollte ihn nicht in die Ecke drängen.
,,Zuerst schwere Depressionen. Wie die meisten hier", antwortete er bereitwillig, ,,Ich habe Panikattacken und viele Ängste. Aber daran arbeite ich jetzt."
Er wirkte zuversichtlich und irgendwie glaubte ich es ihm.
Ich kannte Taddl gerade mal einige Tage, wir hätten uns nie begegnen sollen, aber er wirkte aufrichtiger als die meisten Menschen die ich kannte.
,,Wieso bist du hier, Mexify?", fragte er nach einiger Stille und ließ mich ein Stück von ihm wegrücken.
Ich schwieg.
Mein Grund war nicht schlimm. Ich wollte nicht hier sein. Ich wollte nicht, das man mir half. Ich wollte nur weg. Es schien nicht fair zu sein ihm das zu sagen.
,,Ich hab dir gerade mein halbes Leben anvertraut", lachte Taddl auf und zog mich wieder zu sich.
Ich atmete tief durch.
,,Suizidversuch", sagte ich langsam als müsste ich die Buchstaben des Wortes erst zusammensammeln.
Taddl schwieg. Und ich ebenso. Ich wusste nicht ob er das Gesicht gerade verzog oder nicht. Ich sah seine Reaktion nicht.
Aber wollte ich das überhaupt?
,,Wie?", brachte Taddl schließlich hervor.
Ich schüttelte den Kopf und drückte mich wieder gegen ihn.
Wieso wusste ich nicht. Es tat gut ihn zu haben, mit ihm zu reden, aber gleichzeitig war da immernoch der Gedanke daran alles zu beenden. So stark wie zuvor auch.
,,Schlaftabletten und Andere", antwortete ich schließlich doch in die Stille hinein, als ich es nicht mehr aushielt.
,,Tut mir Leid", Taddl versuchte nicht mal seine Niedergeschlagenheit zu verstecken.
Das ich es versucht habe oder das ich noch lebe?
Aber ich fragte nicht nach. Und ich sagte auch kein "Muss es nicht". Denn mir tat es Leid. Mir tat es Leid, das ich noch lebte.
Hätte es geklappt, würdest du jetzt nicht hier sitzen und Taddl wäre nicht so niedergeschlagen. Musst du andere immer mit deinen Problemen belasten?
Musst du immer alles verkacken Mexify?
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...