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,,Was haben die Anderen hier?", fragte ich nach einer Weile, als mir die Stille wieder zu viel wurde.
Auch wenn es keine Frage an Taddl selbst war, es interessierte mich. Und besonders bei Julien und Rezo hoffte ich auf eine Antwort.
Taddl antwortete nicht sofort. Er schien in Gedanken noch bei der letzten Frage zu sein.
,,Eigentlich sollen wir hier nicht über uns reden", sagte er ausweichend.
,,Ehrlich? Wir sind in einer verdammten Klapse. Wir sind alle gleich gestört ", lachte ich gequält auf und schüttelte den Kopf.
,,Ardy hat eine Posttraumatische Belastungsstörung und Depressionen", antwortete er schließlich und ich lehnte mich wieder mehr gegen ihn, ,,Luna hat eine Anorexie, also Magersucht. Und eine Persönlichkeitsstörung. Aber dazu weiß ich nicht viel mehr. Kannst ja mal Ardy fragen, vielleicht weiß er genaures."
Ich nickte. Würde ich eh nie tun.
,,Felix und Rewi sind beide schwer depressiv und sind wegen Eigengefährdung jetzt vorübergehend auf der Geschlossenen. Aber das weißt du ja."
,,Und Rezo und Julien?", hakte ich nach.
Taddl seufzte:,,Sprich lieber mit ihnen und nicht mit mir darüber."
Es klang ausweichend.
Ich schwieg. Irgendwie war ich enttäuscht. Zu gerne hätte ich den Grund für ihre Einweisunh gewusst.
Hör auf dich für sie zu interessieren.
Aber es war wohl einfach menschlich das wissen zu wollen.
,,Was ist los?", fragte Taddl und dieses mal konnte ich seinen fragenden Blick spüren.
,,Rezo hat sich geritzt. Das hat mich getriggert", sagte ich stumpf und versuchte mich auf irgendeinen Punkt vor mir zu konzentrieren.
Ich wollte nicht darüber reden. Ich wollte nicht wieder daran denken, was ich gesehen hatte.
Taddl schwieg wieder und ich biss mir auf die Lippen.
Was war mit dem scheiß Spiel? Wieso lenkte es mich nicht mehr ab?
Wieso lenkte die verdammte Wärme von Taddls Körper nicht mehr ab?
,,Du solltest mal mit Rezo reden glaube ich", sagte Taddl, bevor ich komplett den Verstand verlor.
,,Wieso?", fragte ich stattdessen kalt.
Im selben Moment hätte ich gerne den Klang der Frage geändert, aber das war natürlich nicht mehr möglich.
,,Vielleicht könnt ihr euch gegenseitig helfen", Taddl legte seinen Kopf auf meinen.
Es tat gut. Irgendwie. Noch mehr Nähe. Geborgenheit. Zuneigung. Verständnis.
Ich kannte nichts davon.
Aber ich tat, was ich nicht wollte.
Ich stand auf. Auch wenn alles in mir danach schrie sitzen zu bleiben. Mich an Taddl zu drücken um diese Gefühle nicht zu verlieren. Um nicht allein zu sein. Einfach alles.
Aber ich entriss mich dem, was mir gut tat. Und ich konnte nichts dagegen tun.
,,Ich will nicht, das man mir hilft", sagte ich ebenfalls kalt.
Was tust du, Mexify? Setz dich wieder zu ihm. Sei nicht allein!
,,Ich will sterben, mehr nicht", ich starrte ihn mit einer Mischung aus Schmerz und Wut in den Augen an.
Er hatte es nicht verdient. Er verdiente es, das ich mich setzte. Er verdiente es, das ich mich entschuldigte.
Stattdessen entzog ich mich seiner Hilfe, keifte ihn an und konnte nichts tun.
,,Ist okay, Mexify", Taddl brauchte einen Moment um meine Reaktion zu realisieren, ,,Ich bin zu weit gegangen, tut mir Leid."
Mir muss es Leid tun! Setz dich wieder zu ihm, entschuldige dich...
Aber ich tat nichts von dem.
,,Ich geh aufs Zimmer", damit drehte ich mich um.
Und in dem Moment zersprang der Funken, der zurück auf die Bank wollte. Er verschwand einfach und die Kälte kehrte zurück.
Die Gedanken. Alles.
Ich wusste, das es falsch war, was ich tat. Aber das Gefühl kannte ich. Seit mein Versuch misslungen war fühlte sich alles falsch an.
Atmen. Gehen. Reden. Leben.
Hätte ich einfach noch mehr Tabketten geschluckt! Hätte ich einen anderen Weg genommen! Hätte...
So viel war schief gelaufen.
Ich ging die Treppen zur Station hoch und ging den Flur entlang. Hinter mir schloss sich die Glastür und ich war wieder gefangen.
Am liebsten wäre ich direkt in das Zimmer meiner Psychologin gegangen und hätte mir die verdammte Schere gegriffen.
Sie war zu stumpf, keine Frage. Aber vielleicht brauchte man auch einfach nur genug Kraft?
Und selbst wenn es nicht klappte, vielleicht war sie wenigstens scharf genug um mir weh zu tun. Um mich etwas fühlen zu lassen.
Wie Rezo...
Taddls Worte schossen mir durch den Kopf. Ich wollte nicht mit ihm reden, worüber auch immer.
Vorallem nicht nach seinem grandiosen Selbstverletzen vorhin.
Ich hasste ihn dafür. Auch wenn er vermutlich nichts dafür konnte.
Wobei in dem Hass auch Neid mitschwang. Neid darüber das er Schmerzen hatte und ich nicht. Das er etwas gehabt hatte um sich frei zu fühlen an diesem Ort.
Ja, es war vorallem Neid. Ich beneidete ihn darum, sich selbstverletzt zu haben. Darum es einfach getan zu haben, ohne das es ihn störte. Das er dagesessen hatte, ohne das er mitbekam, was es dem Rest hier bedeutete.
Ich beneidete ihn um seinen Egoismus.
Mein Egoismus hatte mich bloß hierher gebracht.
Als ich in den Flur zu meinem Zimmer bog, trat plötzlich jemand vor mir aus dem Zimmer und ich wich ihm aus. Erst da bemerkte ich, das es Rezo war.
Er starrte mich an. Seine Augen waren nicht so hell wie vor einigen Tagen noch, eher dunkel. Mit tiefen Augenringen.
,,Können wir reden?", seine Stimme klang genauso wie meine als ich antwortete.
,,Nein", sagte ich kalt und ebenso gebrochen.
Kurz sahen wir uns in die Augen.
Dunkelheit traf auf Schwärze. Kälte auf Eis. Müdigkeit auf Sinnlosigkeit.
Ein Spiegelbild...
Ich sah zuerst weg.
Wir waren uns nicht ähnlich. Ich war keinem hier ähnlich!
Ich wollte sterben, Rezo nicht.
Auch wenn er gerade ein Down zu haben schien, ich saß in diesem Down seit Tagen. Wochen. Monaten.
Ich ging einfach weiter.
Scheiß Rezo. Scheiß Taddl. Scheiß Selbstverletzung. Scheiß Blut. Scheiß Eifersucht.
Ich wollte nur raus, aber ich ging weiter durch mein Gefängnis.
Denn so fühlte sich dieser Ort an.
Man hielt eine gebrochene Seele im Leben, egal was sie auch tat um dem zu entfliehen.
Wer nahm sich das Recht mich am Leben zu halten, wenn ich nicht wollte?
Es war mein Leben. Und am Ende würde ich es beenden. Irgenwie.

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt