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Ich hatte mir die Depressionen nicht ausgesucht. Genau wie meine Suizidgedanken, was mich im Leben fertig machte und was ich über mich dachte.
Es gab Tage an denen ich mir die Schuld für alles gab und Momente wo ich sie auf alle Anderen schob. Irgendwie hatte ich nie einen Mittelwert gefunden. Und vielleicht war dieses schwenkende Pendel vom Rest der Welt zu mir einer der Gründe gewesen es zu versuchen.
Ich lag auf dem Bett und dachte darüber nach, als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster fielen. Die ersten Strahlen eines weiteres Tages, den ich nicht hätte erleben sollen.
Die Nacht war friedlich gewesen. Nur meine Gedanken und ich, die zwischen der Psychiatrie, meinem Versuch und der Gründen dafür gesprungen waren. Grund dafür war ein Zettel auf dem Tisch in meinem Zimmer, den mir eine Pflegerin gegeben hatte. Ich sollte alle meine Gründe aufschreiben, wieso ich versucht hatte mich umzubringen.
Doch bisher war das Blatt so leer, wie vor Sonnenuntergang. Auch wenn ich die Einsamkeit mehr schätzte als hasste, war es nach wie vor merkwürdig hier zu liegen.
So vieles hätte passieren können, aber dies war leider die schlimmste Option gewesen.
Es Klopfte an meine Tür und ich setzte mich mühsam auf. Meine Arme fühlten sich schwach und kraftlos an und mein Kopf schmerzte.
,,Guten Morgen", eine Pflegerin betrat mein Zimmer und warf einen Blick auf den Zettel auf dem Tisch. Aber sie sagte nichts dazu, sondern griff sofort ein anderes Thema auf.
,,Du hattest jetzt einige Tage ein Einzelzimmer, aber wie du vielleicht bemerkt hast haben wir hier immer zwei und drei Betten pro Zimmer. Wir denken das deine Eingewöhnungszeit jetzt abgeschlossen ist und heute Mittag zieht ein anderer Patient in deinem Alter hier ein", ihre Stimme war fest, fast als wolle sie jedes Wort mit einem Marker unterstreichen.
,,Felix?", fragte ich und gähnte.
,,Ja, Felix", antwortete sie nicht überrascht.
Ich nickte nur und blickte aus dem Fenster. Ein leichter Regen setzte ein und Wolken zogen vor die Sonne.
,,Dann sehe ich dich gleich beim Essen", die Pflegerin ging aus der Tür und ich stand auf.
Sofort wurde mir schwarz vor Augen und ich stützte mich gegen die Wand. Ich fasste mir an den Kopf und atmete tief durch bis mein Sichtfeld wieder klarer wurde.
Gott, du musst echt was essen.
Aber Hunger hatte ich immernoch nicht.
Ich ging zu meinem Schrank und griff nach einem schwarzen Hoodie, den ich mir überzog. Dann schlüpfte ich in eine Jogginghose und verließ das Zimmer.
,,Morgen Mexify", ich hatte Rezo gar nicht kommen sehen.
,,Morgen", entgegnete ich wenig motiviert, ,,Was steht heute auf dem Programm?"
,,Nichts von dem ich wüsste", Rezo klang viel zu gut gelaunt und wieder fragte ich mich wie er das machte.
,,Felix kommt später", sagte ich und betrat den Speiseraum.
,,Hatte Julien ja doch Recht", Rezo drängte mich bestimmt zur Essensausgabe. Ansonsten hätte ich mich einfach an den Tisch gesetzt, aber so stand ich schließlich mit einem Teller in der Hand davor.
,,Guck mal es gibt sogar noch Rührei", Rezo grinste mich an und hielt einer der Köchinnen den Teller hin, die ihm sofort einen Löffel auflud.
Ich ging an ihm vorbei und nahm mir eine Scheibe Brot und Käse. Rezo beobachtete mich dabei kopfschüttelnd. Gemeinsam gingen wir zu unserem Tisch, wo der Regen jetzt gegen das Fenster schlug.
Als ich mich setzte und den Teller vor mir abstellte nahm Rezo diesen und tauschte ihn mit seinem.
,,Was soll das?", fragte ich etwas genervt. Das Rührei und ein Brot lagen darauf.
,,Ich bin vegan, hatte ich ja ganz vergessen", grinste er schon wieder und legte mir meine eigentliche Scheibe Käse auf mein neues Brot, ,,Musst du wohl essen jetzt."
Er stand auf und ging zur Salatbar. Ich starrte auf das Rührei und der Geruch lockte mich schon ein wenig. Mein Magen knurrte, also nahm ich eine Gabel und kaute darauf herum bis Rezo mit einem Berg Salat wiederkam.
,,Vegan und depressiv, wirklich?", fragte ich als er sich setzte. Er zuckte mit den Schultern.
,,Wenn ich schon lebe muss ich ja nicht noch keine anderen Leben nehmen", fügte er hinzu und spießte ein Salatblatt auf.
Ich beobachtete ihn. So hatte ich die Welt noch nicht gesehen. Und um ehrlich zu sein klang sein Argument wirklich plausibel.
,,Hast du Recht...", murmelte ich und schob den Teller weg.
,,Naja ist ja immerhin schon vegetarisch was du hast", Rezo schob den Teller wieder zu mir, ,,Und bevor sie es wegschmeißen iss es lieber."
,,Du machst mir ein schlechtes Gewissen", ich versuchte ein Lachen, aber irgendwie schaffte ich es nicht.
,,Julien hatte ich auch schon überredet, aber er ist der Ansicht, dass wenn er schon leben muss, er auch essen kann was er will", Rezo zuckte mit den Schultern.
,,Klingt ebenfalls plausibel", seufzte ich und nahm eine weitere Gabel.
,,Wo ist Julien eigentlich?", versuchte ich vom Thema abzulenken. Es ging mir zu sehr in die Richtung meiner Gedanken.
Wer war Schuld? Die anderen oder ich?
A,,Er hat schon gegessen und fragt gerade ob er Felix von Station 4 abholen darf", Rezo trank einen Schluck Wasser.
,,Können wir da auch mit?", fragte ich.
,,Ich weiß nicht, vorallem bei dir. Aber wir können fragen", antwortete er.
Wir aßen schweigend weiter und ich schaffte fast das ganze Rührei, aber dann schob ich den Teller doch weg.
Rezo musterte mich:,,Naja das war doch schonmal was."
Er nahm beide Teller und brachte sie zum Geschirrwagen. Ich folgte ihm und danach gingen wir beide den Flur zum Pflegerzimmer entlang.
,,-stabil genug, deswegen habe ich nichts dagegen. Sie kennen sich ja", hörte ich einen Pfleger sagen und sah schließlich Julien im Türrahmen stehen. 
Als der Pfleger Rezo und mich bemerkte verdrehte er gespielt die Augen:,,Und ihr beide wollt auch mit Felix abholen, habe ich Recht?"
Er lachte.
Julien drehte sich zu uns um:,,Dachte ich mir schon."
Die Pflegerin, die mich heute geweckt hatte, musterte mich kritisch.
,,Bei Yannik habe ich nichts dagegen, aber Maximilian ist noch nicht stabil genug", sagte sie strenger.
Der Pfleger winkte ab:,,Was soll er denn tun?"
Sie zuckte mit den Schulter:,,Ich halte es dennoch für keine gute Idee."
,,Die Jungs brauchen frische Luft und Felix freut sich sicher zwei Freunde und seinen neuen Zimmernachbarn kennenzulernen", der Pfleger drehte sich zu der Pflegerin um. Dabei sah ich zum ersten mal sein Namensschild ,,Mark".
Es wunderte mich etwas. Alle anderen Pfleger hatten stets ihren Nachnamen auf ihrem Schild stehen.
,,Es regnet", entgegenete die Pflegerin und verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Das hört schon auf", Mark drehte sich wieder zu uns und lächelte.
,,Na schön, aber das geht unter deiner Verantwortung. Und Maximilian, du füllst dafür den Bogen auf deinem Tisch aus, klar?", sie sah mir in die Augen und ich nickte nur.
,,Super", Mark klatschte in die Hände, ,,Dann nehmt ihr jetzte eure Medikamente und wir gehen los."

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt