Kapitel 262

1.7K 66 4
                                    

Amélies Sicht:


Ich stellte mich vor den Spiegel und schminkte mich,so gut es ging, nur mit Wasser ab. Anschließend kämmte ich meineHaare gründlich durch und putzte meine Zähne und selbst dabei bekamich das Lächeln nicht mehr aus meinem Gesicht.
Die ganze Zeitspürte ich meine Lippen immer noch vom Kuss kribbeln. Keine Ahnung,ob es Einbildung war oder nicht, aber Justin hatte so starke Gefühlein mir ausgelöst, die ich außer bei ihm noch nirgends gespürthatte.
Glücklich verschwand ich aus dem Badezimmer, nachdem ichmich noch umgezogen hatte und nahm meine Klamotten mit insSchlafzimmer.
Als ich dort brannte noch meine Nachttischlampe,aber alles andere war dunkel. Leise schmiss ich meine Klamotten aufeine Kommode und schlich mich ans Bett heran, bis ich bemerkte, dassJustin die Augen geschlossen hatte. Die Decke hatte er bis zum Kinnhochgezogen und sich richtig eingekuschelt, was unglaublich süßaussah. Er lag seitlich und wirkte so friedlich beim Schlafen.
Miteinem breiten Grinsen und einem unglaublichen Kribbeln im Bauchschlug ich die Bettdecke neben Justin um und legte mich vorsichtigauf die Matratze. Auf keinen Fall wollte ich Justin wecken, denn erbrauchte den Schlaf vermutlich mehr als jeder andere.
Ohne Justinaus den Augen zu lassen deckte ich mich zu und ließ meinen Kopf aufsKissen nieder. Ich drehte mich ebenfalls auf die Seite und konnteJustin direkt ansehen.
Keiner konnte sich vorstellen wie süßJustin aussah, wenn er schlief. Ich hauchte ihm einen sanften Kussauf die Stirn und kuschelte mich dann in meine eigene Decke ganz tiefein.
„Schlaf gut, Justin." flüsterte ich leise, bevor auchich die Augen schloss und in einen tiefen Schlaf fiel.

Alsich am nächsten Morgen aufwachte, hatte Justin sich zur anderenSeite gedreht. Offensichtlich schlief er immer noch, aber es war aucherst 9 Uhr und ich würde es verstehen, wenn er nach einem Tag wiegestern lange schlief.
Bedacht stand ich auf, meine Klamottenließ ich erstmal im Zimmer, denn die Boxershorts und das T-Shirt warsowieso bequemer. Ich machte mich auf den Weg ins Badezimmer undputzte meine Zähne. Dann ging ich rasend schnell duschen und zog mirwieder die bequemen Sachen von Justin an, in denen ich mich sounglaublich wohl fühlte. Ich kämmte meine nassen Haare durch undließ sie über meine Schultern fallen.
Mit einem breitenGrinsen im Gesicht ging ich in die Küche und beschloss schon mal einschönes Frühstück vorzubereiten, immerhin kannte ich mich hier ausund Justin hatte bestimmt nichts dagegen, wenn ich seine Küchengerätebenutzte und er später ein fertiges Frühstück auf dem Tisch stehenhatte.

Justins Sicht:

Es gab keinen Grund, wieso ichaufwachte, aber bereits um 10 Uhr öffnete ich meine Augen undblickte gegen eine weiße Wand, die ein paar Meter neben meinem Bettwar.
Ich drehte mich mit einem Lächeln auf den Lippen um, dochals ich die leere Betthälfte sah, verschwand mein Lächeln.
Wowar Amélie? Ich spürte sofort die Leere in mir und die Panik sieverloren zu haben, nachdem ich sie gestern geküsst hatte. Ehrlichgesagt wusste ich nicht mal wirklich, wieso ich sie geküsst hatte.Ich musste es einfach tun, nachdem sie mir so viel Mut gemacht hatteund nur positive Dinge über mich gesagt hatte. Es war eineKurzschlussreaktion, aber trotzdem bereute ich es keinen Moment.
Der Kuss hatte mir nur gezeigt, dass die Gefühle von damals nieverschwunden waren. Ich hatte sie nur verdrängt. Amélie warvermutlich die Einzige auf der Welt, die ich jemals so bedingungsloslieben würde. Ich brauchte sie, wenn auch nur als beste Freundin,wie die Luft zum Atmen.
Ich wüsste nicht, was ich gestern getanhätte, wenn sie nicht hier gewesen wäre. Vermutlich hätte ich michwirklich selbst verletzt, wahrscheinlich wäre ich endgültigzerbrochen, in ein tiefes schwarzes Loch gefallen, aus dem ich niewieder rausgekommen wäre.
Ich stand schon am Rande von diesemAbgrund und es fehlte nur noch ein einziger Tritt, bis ich für immerin dem Loch verschwunden wäre, doch jedes Mal wenn dieser Tritt kam,spürte ich Amélies Hand, die mich festhielt und mich davor bewahrtedort hinein zu fallen.
Mein Blick wanderte zu ihrem Klamotten,die auf meiner Kommode lagen und sofort strahlte ich wieder überbeide Ohren, denn das bedeutete, dass sie noch hier war.
Ichstand erstmal auf und ging aus meinem Schlafzimmer raus. Unten hörteich Geschirr klappern und ich hörte, dass die Kaffeemaschine lief.Amélie war wohl in der Küche.

Bevor ich allerdings zu ihrging, tapste ich ins Badezimmer und schloss die Tür ab. Ich stelltemich vor den Spiegel und fuhr mir durch die Haare, die in alleRichtungen abstanden. Ich sah immer noch ziemlich fertig aus, aberdaran würde ich wohl nie etwas ändern können, wenn ich so weitermachte wie bisher.
Ich öffnete mein kleinesMedikamentenschränkchen und holte das Fläschchen mit den Kapselnraus. Ich schluckte wieder eine und stellte es zurück in denSchrank. Vielleicht sollte ich mit Amélie darüber reden, oderüberhaupt mit irgendjemandem, aber ich konnte es nicht. Sie würdenwollen, dass ich mir Hilfe suchte, aber die brauchte ich nicht, dennich hatte alles unter Kontrolle.
Anschließend putzte ich zähneund stieg unter die Dusche, wo mich der warme Wasserstrahl einbisschen beruhigte und meine angespannten Muskeln lockerte.
VielZeit mit dem Duschen ließ ich mir aber nicht, da ich es kaumerwarten konnte Amélie wiederzusehen.
Ich trocknete mich miteinem großen Handtuch ab und schmiss es achtlos über denBadewannenrand. Danach zog ich mir eine frische Boxershorts, einedunkelgraue Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt an. Meine Haarerubbelte ich ein bisschen trocken, aber ansonsten ließ ich sie sowie sie waren.
Mit einem breiten Lächeln machte ich michschließlich auf den Weg in die Küche. Amélie stand gerade an derKaffeemaschine, als ich meine Arme von hinten um sie schlang und ihreinen Kuss auf die Wange gab.
„Guten Morgen." hauchte ich inihr Ohr, während ich den unglaublichen Duft ihrer frisch gewaschenenHaare einatmete. Amélie sah mich lächelnd an und schaute mir tiefin die Augen.
„Guten Morgen! Schon ausgeschlafen?" fragte siemich neugierig. „Willst du auch einen Kaffee?"
Ichbeantwortete beide Fragen mit einem 'ja' und setzte mich an denEsstisch. Sie wandte mir den Rücken zu und ich musterte sie von obenbis unten.
Sie war unglaublich.
Als sie sich kurz zu mirumdrehte um mich anzulächeln fiel mir mal wieder auf, dass sieungeschminkt war. Und trotzdem sah sie so wunderschön aus. IhreNatürlichkeit war damals ein Grund gewesen, wieso ich michunsterblich in sie verliebt hatte und es war auch jetzt wieder einGrund, wieso ich mich erneut in sie verliebte.

Améliestellte mir eine Tasse Kaffee hin und stellte sich selbst gegenübervon mir auch eine hin, bevor sie zurück zur Küchenzeile ging undmir zwei Toasts fertig machte. Sie schmierte Nutella rauf, ohne michvorher zu fragen, aber vielleicht lag es daran, dass wir gegenseitigwussten, was der andere zum Frühstück mochte.
Sie stellte mirden Teller auf den Tisch und setzte sich dann gegenüber von mir hin.
„Danke!" sagte ich lächelnd. Amélie umfasste ihre Tasse undlächelte verlegen.
„Gerne!" antwortete sie mit ihrer süßenStimme. Ich liebte es, wenn sie so schüchtern mit mir redete.Manchmal hatte ich das Gefühl, als würde da der kleine Beliebernoch durchkommen, wenn ich sie so verlegen und schüchtern machte.
Ich biss von meinem Toast ab und schaute dabei die ganze Zeit zuAmélie, die irgendwie nachdenklich auf ihre Tasse starrte und ab undzu mal einen Schluck nahm. Irgendwie kam es mir so vor, als würdesie absichtlich nach unten gucken, um mir nicht in die Augen schauenzu müssen. Ob es an dem Kuss lag? Hatte ich sie damit verunsichert,verwirrt?
„Was hast du heute so vor?" fragte ich sielächelnd, um die Stimmung ein bisschen zu lockern.
Amélieblickte mir das erste Mal richtig in die Augen und sofort fing meinBauch an zu kribbeln. Ich nahm noch einen Bissen von meinem Toast undkaute nervös darauf rum.
„Denise kommt in einer Stunde zu mir,sie ist ein paar Tage zu Besuch und dann machen wir einen Mädelstag.Und du?"
Ich zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluckvom Kaffee.
„Keine Ahnung, meine Freunde sind ja nicht hier."murmelte ich traurig. Ich machte mir sofort wieder Vorwürfe, dassich etwas hätte sagen sollen, damit die Polizisten sie nichtmitgenommen hätten, doch das wollte ich vor Amélie nicht sodeutlich zeigen.
Trotzdem schaute Amélie mich verwirrt an, alssie merkte wie traurig ich schon wieder wirkte. Ich versuchte zulächeln, denn Amélie durfte nichts merken. Schon gar nicht, dassich Tabletten nahm. Nehmen musste.

Auf einmal vibrierte meinHandy, dass ich in meiner Hosentasche hatte und ich holte es raus ummir die Nachricht durchzulesen. Sie war von Za und er schrieb mir,dass er und Khalil in wenigen Minuten zu mir kommen würden, weil sieentlassen wurden.
„Sie wurden entlassen!" flüsterte ich zuAmélie, die sofort ihr Gesicht verzog.
„Alle?"
Ichnickte. „Ja, Za und Khalil kommen in ein paar Minuten her."
„Wasist mit Milk?" wollte Amélie verwirrt wissen.
Nachdem er micheinen Feigling genannt hatte, weil ich ihn nicht verteidigen wollte,hasste er mich bestimmt. Aber das war mir egal, denn ich hatte nochmeine zwei wahren Freunde.
„Der will nichts mehr von mirwissen!"
Amélie runzelte die Stirn, während ich von meinemBrot abbiss.
„Aber die anderen schon?" zischte sie genervt.
Ich seufzte und sah sie verständnislos an.
„Natürlich!Die Beiden gehören zu meinen besten Freunden, Amélie! Also hör aufso zu reden, als wären sie schlecht für mich!"
Amélielachte und schüttelte den Kopf. „Sie sind schlecht für dich,Justin! Immer wenn die in der Nähe sind, baust du Scheiße!"
Ichkonnte nicht verstehen, was sie gegen die Beiden hatte und wieso sieihnen nicht wenigstens eine Chance geben wollte.
„Das liegtnicht an Khalil und Za! Ich bin dabei mich selbst zu finden und damache ich halt Fehler! Ich bin nicht perfekt, aber ich lerne ausmeinen Fehlern!" erklärte ich ihr mit wütendem Unterton.
„Dassagst du ständig, aber du lernst nicht daraus! Du willst deinenFreunden gegenüber cool wirken, aber du bist nicht cool wenn du Mistbaust! Wenn ihr Scheiße macht, wirst nur du von den Medien fertiggemacht... nicht die Beiden. Hör zu... Khalil hat mir gesagt, dasssie dich endlich zu dem gemacht haben, was sie haben wollten. Diewollen, dass du Drogen nimmst, Scheiße baust und irgendwann im Knastlandest!" schrie Amélie wütend.

Ich schloss die Augenund versuchte ruhig ein und auszuatmen, aber das war gar nicht soleicht. Automatisch griff ich über den Tisch und nahm dieZigarettenschachtel in die Hand, die dort lag. Das Feuerzeug nahm ichebenfalls in die Hand, um mir eine Kippe anzuzünden. Ich zog kräftigdaran und pustete den Rauch gleich wieder raus.
„Khalil sagtimmer Schwachsinn, wenn er high ist. Gib den beiden doch bitte eineChance! Sie sind kein schlechter Einfluss auf mich!" versuchte ichsie verzweifelt zu überzeugen.
„Ich gebe niemandem eineChance, der meinen besten Freund ruiniert!" keifte sieverständnislos. Ich wollte mich wirklich nicht mit ihr streiten.Schon gar nicht nach dem was gestern zwischen uns passiert war, aberich konnte es nicht einfach so hinnehmen, dass sie meine Freunde wieschlechte Menschen darstellte.
„Die Beiden ruinieren michnicht, Amélie! Alle Entscheidungen die ich treffe sind meineeigenen, damit haben sie nichts zu tun! Ich weiß was richtig und wasfalsch ist!" sagte ich, bevor ich nochmal an der Kippe zog.
„Undwieso entscheidest du dich dann immer für das Falsche?!"
Ichschob den Teller weg, weil mir wirklich der Appetit vergangen war undschaute sie entgeistert an.
„Weil ich ein Mensch binvielleicht?! Es ist menschlich falsche Entscheidungen zu treffen,Fehler zu machen und das... mehrmals!" schrie ich, weil ich michlangsam wirklich nicht mehr beherrschen konnte.
Amélie stand aufund leckte ich über die Lippen.
„Weißt du was... vergiss es,Justin. Mit dir kann man nicht reden, du bist zu stur. Ich geh michfertig machen. Tu was du für richtig hälst, denn das kannst du jaso gut." zischte sie, als sie aus der Küche rauschte und michalleine ließ. Verzweifelt drückte ich die Zigarette aus und stütztemeine Ellbogen auf den Tisch. Ich vergrub mein Gesicht in meinenHänden und war schon wieder kurz davor zu weinen.
Ich fuhr durchmeine Haare und atmete tief ein und aus.
Als ich sie wenigeMinuten später die Treppe runterkommen hörte, stand ich auf undging zu ihr.
Ich musste sie davon abhalten zu gehen, denn ichwollte meine beste Freundin nicht durch so einen unnötigen Streitverlieren.

Life is like a dance.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt